Hessen-SPD und Peer Steinbrück – vergeben und vergessen?

Die Spitze der hessischen SPD hat sich am Wochenende mit SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück getroffen und ihm volle Rückendeckung zugesagt. Dazu erklärt Janine Wissler, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag:

„Es ist erstaunlich, dass der Parteirat der hessischen SPD die Nominierung von Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat so einhellig begrüßt. Schließlich hat Steinbrück der Hessen-SPD in der Vergangenheit Loyalität und Unterstützung gerade nicht zukommen lassen. Als es um den Politik- und Regierungswechsel in Hessen ging, hat er sich seinerzeit als Bundesfinanzminister und stellvertretender SPD-Vorsitzende so klar und scharf wie kein anderer aus der Parteiführung von Andrea Ypsilanti und der hessischen SPD abgegrenzt.“

Zu erinnern sei hier an ein Interview im Stern im August 2008, als er betont habe, die SPD in Hessen stehe ‚zwischen Pest und Cholera‘ und der eingeschlagene Kurs der hessischen SPD würde die Bundes-SPD schwer beschädigen. Letztlich seien es Parteirechte wie Peer Steinbrück, Wolfgang Clement und Gerhard Schröder, die seinerzeit das Signal ausgesendet hätten, es sei richtig, den möglichen Politik- und Regierungswechsel in Hessen zu verhindern, so Wissler. Was dazu geführt habe, dass vier SPD-Abgeordnete sich als Steigbügelhalten für Roland Koch (CDU) betätigten.

Wissler: „Dass Steinbrück sich über demokratische Parteitagsbeschlüsse eines Landesverbandes hinwegsetzt und diese derart konterkariert, ist bezeichnend für sein Demokratieverständnis. Jetzt fordert er ‚Beinfreiheit‘ für seine Kandidatur, was viele an die ‚Basta-Politik‘ Schröders erinnert. Steinbrück wird seine Beinfreiheit vor allem dazu nutzen, um dem linken Flügel der SPD vors Schienbein zu treten.

Das Dilemma der SPD ist, dass sich die Rechten stets durchsetzen. Entweder sie haben eine Mehrheit, unter die sich die SPD-Linke dann unterordnet, oder sie unterlaufen Mehrheitsentscheidungen, wie es Steinbrück und vier hessische SPD-Mitglieder 2008 getan haben. Solange das so bleibt, ist die SPD nicht bereit für einen Politikwechsel.“

Hinweise:

Hermann Scheer kritisierte Steinbrück damals in einem Brief, der vom linken Flügel der Bundestagsfraktion unterstützt wurde, und forderte eine Entschuldigung Steinbrücks. Darin hieß es, Steinbrück habe die Grenze des Zumutbaren im politischen und persönlichen Umgang überschritten, die Würde des hessischen Landesverbandes verletzt und benutze "eine Sprache des populistischen Aufwiegelns dumpfer Ressentiments, die abschreckend und abstoßend wirkt und nicht in eine demokratische Kultur der Aufklärung passt."