Blockupy: Angriff auf die Demo war geplant – das lässt sich anhand vieler Berichte und Schilderungen von Augenzeugen belegen
Zu den Vorgängen rund um den Angriff einer Polizei-Armada auf die Blockupy-Demonstration erklärt Janine Wissler, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag:
„Die Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag, deren Abgeordneten alle an der Demonstration am letzten Samstag teilgenommen haben, hat in den letzten Tagen zahlreiche Berichte, Videomaterial, Fotos und Zeugenaussagen gesichtet. Aus der Auswertung ergibt sich ein schwerwiegender Verdacht: Bei den Angriffen auf die Demonstration und der Einkesselung von mehr als 900 Personen, die Teil eines sehr bunten und keineswegs schwarzen Blocks waren, handelt es sich um einen geplanten und gezielten Angriff, um die verwaltungsgerichtlich erstrittenen Demonstration vorbei an der Europäischen Zentralbank (EZB) zu verhindern.
Das von dem Blockupy-Bündnis vor Gericht erstrittene Recht, an der EZB vorbei ziehen zu dürfen, wurde durch einen martialischen Polizeieinsatz Makulatur, das Grundrecht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit de facto ausgehebelt. Welche Personen dafür verantwortlich sind, muss in den nächsten Tagen und Wochen geklärt werden, ebenso deren in strafrechtlicher Hinsicht relevante Verantwortlichkeit.“
Die Feststellung, der Angriff auf die Demo habe nicht wegen einiger, noch dazu absolut unbedeutender Verstöße gegen Auflagen stattgefunden, sondern sei Teil einer Gesamtstrategie gewesen, lasse sich durch zahlreiche Indizien belegen, so Wissler. Zu verweisen sei hier u.a. auf den Augenzeugenbericht des Frankfurter Arztes Joachim Dlugosch, der von einer bemerkenswerten Begegnung zu berichten wisse.
Joachim Dlugosch: „Ich habe mich sehr gewundert, dass der Frankfurter Polizeipräsident Achim Thiel gegenüber der Presse erklärte, alle Vorwürfe, der Kessel sei von langer Hand geplant gewesen, seien völlig aus der Luft gegriffen. Denn diese Vorwürfe sind eines ganz sicher nicht: aus der Luft gegriffen. Anders lässt sich eine Begegnung mit einer Polizeieinheit am Samstag gar nicht erklären.
Die Situation stellte sich so dar: Wir waren als Familie mit unseren Kindern vor Ort, standen genau an der Stelle, wo die Einkesselung stattfand. Schon bevor die Einkesselung begann, wurde unmittelbar vor uns an der Ecke des Schauspielhauses eine Mutter mit Kind von einem Polizeibeamten angesprochen, die sich daraufhin zügig aus der Demonstration entfernte. Kurz darauf wurden wir mit unseren Kindern ebenfalls von einem mit Gesichtsmaske bekleideten Polizeibeamten angesprochen. Er wolle uns warnen, es wäre besser wenn wir uns mit den Kindern entfernen, ‚hier würde gleich etwas passieren‘, so der Beamte. Bis zum Ende dieser Äußerung gab es noch keine Kessel-Situation und auch die Menge der eingesetzten Beamten war noch sehr übersichtlich.
Niemand kann mir die Frage beantworten: Wenn die Einkesselung nicht von langer Hand geplant war, wieso hat uns dann ein Beamter mit Blick auf die Kinder vor einem bevor stehenden Einsatz gewarnt?“
Diese Frage, so Dlugosch, habe er auch in einem Offenen Brief an den Polizeipräsident gestellt und sei auf die Antwort gespannt.
Jochen Nagel, GEW-Landesvorsitzender, ergänzt: „Es muss auch der Frage der Verantwortung für die zahlreichen Rechtsverstöße an der anderen Seite des Kessels nachgegangen werden.
Gegen 16 Uhr bin ich mit einem GEW-Vorstandskollegen von der Gutleutstraße aus nach vorne gegangen, um persönlich die Situation in Augenschein zu nehmen, in der sich die auch von der GEW Hessen aufgerufenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demonstration befanden. Hinter einer geschlossenen ca. Zehnerreihe von vermummten Polizistinnen und Polizisten waren viele unterschiedliche bunt gekleidete Menschen zu erkennen. Von einem schwarzen Block konnte absolut nicht die Rede sein. Zudem verhielten sich die Leute erkennbar völlig friedlich.
Solange auf unserer Seite zwischen dem Polizeiblock und den Demonstrantinnen und Demonstranten ein Parlamentarischer Beobachter stand, konnten wir zumindest ungestört dort stehen und die Lage beobachten. Kurz nachdem dieser weggegangen war, stürmten die vermummten Polizistinnen und Polizisten völlig grundlos und ohne jegliche Vorwarnung in geschlossener Front auf uns los. Sie schlugen mit Schlagstöcken um sich und setzten massenhaft Pfefferspray ein. Auch mein Kollege und ich wurden jeweils von einer vollen Ladung Pfefferspray im Gesicht getroffen und mussten uns behandeln lassen. Inzwischen haben wir erfahren, dass danach der Polizeieinsatz noch weiter eskalierte.
Für dieses Vorgehen gibt es meiner Ansicht nach nur eine Erklärung: Die Polizeiführung wollte eine Eskalation provozieren, um diese dann nachträglich als Legitimation für ihre Verhinderung einer legalen Demonstration auf der gerichtlich bestätigten Route benutzen zu können. Nur der Besonnenheit der Demonstrantinnen und Demonstranten ist es zu verdanken, dass diese Provokation nicht das gewünschte Ergebnis hatte.“
Hermann Schaus, innenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag und wie alle anderen hessischen LINKEN-Landtagsabgeordneten am Samstag Teilnehmer der Demo: „Für mich bestätigt sich nach Sichtung von Zuschriften und weiterer Augenzeugenberichten der Eindruck, dass die Einkesselung eine von langer Hand vorbereitete Polizeiaktion war, mit dem Ziel, Ausschreitungen seitens der Demonstranten zu provozieren.
Ich möchte deshalb allen Demonstrationsteilnehmern dafür danken, dass sie trotz der ständigen Provokationen und der Gewaltexzesse durch die Polizei friedlich geblieben sind. Nur dadurch konnte eine weitere Eskalation verhindert werden!“