Staatsanwaltliche Ermittlungen gegen NSU-Ausschuss: Skandalöser Einschüchterungsversuch
Kommentar im Wiesbadener Kurier von heute
Zum Artikel ‚Geheimnisverrat im Landtag?‘ im Wiesbadener Kurier von heute erklärt Janine Wissler, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag und stellvertretende Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss:
„Es steht ein schwerwiegender Verdacht im Raum: Dem CDU-geführten Innenministerium ist offenbar die Berichterstattung zu Hintergründen des NSU-Mordes an Halit Yozgat ein Dorn im Auge. Laut Wiesbadener Kurier sprechen Indizien dafür, dass die Strippenzieher eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens gegen Mitglieder des NSU-U-Ausschusses im Hessischen Innenministerium zu finden sind.
Das zu schützende Geheimnis: Zwei nordhessische Polizisten haben sich mutmaßlich im Dunstkreis des Neonazi-Netzwerks ‚Blood & Honour‘ bewegt. Ausgerechnet der beim NSU-Mord an Halit Yozgat am Tatort anwesende Ex-Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme soll in die Ermittlungen hierzu eingebunden gewesen sein. Dies ist Thema in einer nicht-öffentlichen Sitzung des U-Ausschusses gewesen. Weil der Wiesbadener Kurier hierüber berichtete, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft wegen Geheimnisverrat gegen den Untersuchungsausschuss. Das kann nicht sein. Denn natürlich stellen sich zu so einem Vorgang gravierende Fragen: Was bewog zwei Polizisten zu privaten Treffen mit militanten Neonazis? War dies ein Einzelfall und wurden Parlament und Öffentlichkeit hierüber unterrichtet? All das ist von öffentlichem Interesse und darf nicht unter den Teppich gekehrt werden.“
Im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren stelle sich zudem die Frage: Wie soll der Untersuchungsausschuss für Aufklärung sorgen, wenn die Beweisthemen und gravierende Vorgänge nicht Gegenstand öffentlicher Berichterstattung sein dürften?
Wissler: „In Berlin ermittelte Ex-Generalbundesanwalt Harald Range gegen zwei Blogger, in Wiesbaden ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses.
Das Parlament muss sich seiner Rechte bewusst sein und darf abstruse Beschneidungen der Meinungs- und Pressefreiheit nicht durchgehen lassen. Außerdem gilt: Nicht die Geheimdienste und das Innenministerium haben die Arbeit der Abgeordneten zu kontrollieren – sondern umgekehrt.“