Uniklink Gießen-Marburg: Privatisierung war ein Fehler, der rückgängig gemacht werden muss

Vor zehn Jahren wurden auf Betreiben des damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) die Unikliniken Gießen und Marburg privatisiert. Dazu erklärt  Janine Wissler, Vorsitzende und hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag:

„Die Landesregierung hat im letzten Jahr darauf hingewiesen, dass die Privatisierung einer Uniklinik ein europaweit einmaliges Modell sei. Damit hat sie Recht. Keine andere Regierung ist bisher auf die verrückte Idee gekommen, auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik neoliberalen Privatisierungswahn in dieser Weise in praktische Politik umzusetzen. Und das aus guten Gründen.

Eine Datenerhebung auf Grundlage der Zahlen des Statistischen Bundesamtes ergibt, dass die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten deutlich schlechter sind,  eine gute Versorgung der Patienten schwieriger zu bewerkstelligen ist und die Qualitäts-Mindeststandards sinken.

Die Privatisierung als Erfolgsgeschichte zu präsentieren – wie das die Landesregierung tut - heißt, die Augen vor der Realität zu verschließen. Fakt ist: Nach der Privatisierung des UKGM hat das Land zwar fünf Prozent der Anteile behalten, um vermeintlich weiterhin eine Mitsprachemöglichkeit zu haben, doch davon kann in den letzten zehn Jahren keine Rede sein.“

Es sei ganz sicher nicht Teil einer Erfolgsgeschichte, wenn ein Gericht feststelle, dass es eine verfassungswidrige Überführung von Angestellten des Landes Hessen gegeben habe, denen schließlich ein Rückkehrrecht eingeräumt werden musste. Ebenfalls eindeutig nicht in die Rubrik  ‚Erfolgsgeschichte‘ gehöre, dass in regelmäßigen Abständen die Beschäftigten auf eine viel zu hohe Arbeitsverdichtung hinweisen, so Wissler.

Jan Schalauske, Landesvorsitzender der LINKEN in Hessen und Marburger Stadtverordneter, ergänzt:  „Es gab mehrere öffentliche Hilferufe, zuletzt im Frühjahr 2015 in Form eines Offenen Briefs an Ministerpräsident Volker Bouffier. Statt sich selbst ein Bild vor Ort zu machen und das Gespräch mit den Beschäftigten zu suchen, machte sich Bouffier lediglich die Sicht der Rhön AG zu eigen. Diese Haltung ist völlig unangemessen und nichts anderes als ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten.

Auch die Stimmen aus der Bevölkerung in Form von mehr als 50.000 Unterschriften gegen Stellenabbau am UKGM, die 2013 von einem Bündnis an Volker Bouffier übergeben worden sind, blieben ungehört. Die Landesregierung verkündete zwar öffentlichkeitswirksam einen sogenannten Letter of Intent, dessen Vereinbarungen sind in weiten Teilen aber bis heute nicht umgesetzt worden.

Die geplante Errichtung und Inbetriebnahme des Partikeltherapiezentrums, die zum 31. Dezember 2012 zugesagt und fester Bestandteil des Übernahmevertrags gewesen sei, ist eher Teil einer Pleiten-Pech-und–Pannen-Story als eine Erfolgsgeschichte.“

Obwohl das Partikeltherapiezentrum nicht zum 31. Dezember 2012 in Betrieb genommen worden sei, und für diesen Fall eine Strafzahlung von 107 Millionen Euro vereinbart war, habe die Landesregierung nicht die Rückzahlung eingefordert, so Schalauske. Erst Ende 2015, drei Jahre nach Fristablauf, sei die Partikeltherapieanlage in Marburg endlich in Betrieb genommen worden. Dies sei zwar eine erfreuliche Nachricht, da krebskranken Menschen nun auch in Hessen eine erfolgversprechende Behandlungsmethode zur Verfügung stehe. Allerdings habe diese Inbetriebnahme mit der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht mehr viel zu tun, denn 75 Prozent der Nutzung der Partikeltherapie erfolge nicht durch die Rhön AG in Marburg, sondern durch das Uniklinikum in Heidelberg.

Wissler: „Die Landesregierung hat der Rhön AG letztlich einen hundertprozentigen Kaufpreiserlass dafür gewährt, dass die Rhön AG 25 Prozent der Partikeltherapie übernimmt. Und das feiert Schwarzgrün dann auch noch als eine erfolgreiche Verhandlung.

Zudem ist es ein Treppenwitz der Geschichte, dass im Jahr 2006 die Landesregierung als Argument für eine Privatisierung des Uniklinikums die dann mögliche Errichtung einer Partikeltherapieanlage ins Feld führte. Und nun ist es einem Uniklinikum im öffentlichen Besitz zu verdanken, dass dieses Vorhaben realisiert werden konnte. Da kann man nur froh sein, dass andere Landesregierungen nicht auf die Wahnsinnsidee gekommen sind, ihre Unikliniken zu verkaufen.

Schalauske: Fazit: Die Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg ist Ausdruck für eine Unterwerfung der Gesundheitsversorgung unter die Profitinteressen großer Kapitalgesellschaften. Das hat negative Folgen für Patientinnen und Patienten und für die Beschäftigten. Deshalb bleibt DIE LINKE dabei: Das Universitätsklinikum Gießen und Marburg muss in Landeseigentum zurückgeführt werden.

Diese Forderung spiegelt sich auch in den Haushaltsanträgen der Landtagsfraktion wider, die hierzu seit Jahren einen entsprechenden Posten veranschlagt.“