Zur Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht

Rede Aktuelle Stunde
Zur Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht


Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Bemerkenswert an dieser Aktuellen Stunde ist zweierlei, erstens dass die CDU Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg durch eine Aktuelle Stunde im Hessischen Landtag würdigt. Zweitens bekommt die „Aktuelle“ Stunde eine ganz neue Bedeutung. Das Ereignis, über das wir hier reden, liegt immerhin 90 Jahre zurück.

Vielleicht erleben wir auf Antrag der CDU-Fraktion in Zukunft im Rahmen der Aktuellen Stunden spannende Debatten wie: „Prager Fenstersturz verurteilen - Europäische Stabilität sichern“ oder „Mord an Julius Cäsar aufklären - Recht und Ordnung des Römischen Reiches bewahren“.
Jetzt zur Sache. Die CDU bezieht sich auf eine Äußerung von mir, in der ich die historische Verantwortung der SPD für die Ermordung der beiden Sozialisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht erwähnt habe.

Ich frage: Interessiert Sie das wirklich, oder wollen Sie von meiner Fraktion ein Bekenntnis zu Luxemburg und Liebknecht haben? – Das können Sie gerne haben.

Karl Liebknecht hat als einziger Reichstagsabgeordneter 1914 gegen die Kriegskredite gestimmt. Für den Ausruf „Nieder mit dem Krieg“ am 1. Mai 1916 musste Karl Liebknecht bis Kriegsende ins Zuchthaus.

So auch Rosa Luxemburg. Auf einer Massenveranstaltung in Frankfurt im September 1913 rief sie: „Wenn uns zugemutet wird, die Mordwaffen gegen unsere französischen oder andere Brüder zu erheben, dann rufen wir: Das tun wir nicht.“ Das kostete sie ein Jahr Gefängnis.
Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg konnten den Krieg nicht verhindern. Aber sie haben entscheidenden Anteil daran gehabt, dass die Soldaten und Arbeiter 1918 in ganz Deutschland mit einer revolutionären Erhebung den Massenmorden ein Ende bereiteten. Beide haben sich für eine demokratische sozialistische Gesellschaft ohne wirtschaftliche Ausbeutung und ohne politische Unterdrückung eingesetzt.

Ihnen geht es aber um etwas anderes. Sie wollen die Abwahl dieser Regierung verhindern. Das wird Ihnen nicht gelingen. Wohlmöglich hoffen Sie, dass ich am Ende Frau Ypsilanti und der hessischen SPD die Schuld an der Ermordung von Luxemburg und Liebknecht geben werde. Das werde ich nicht tun. Ich habe im Übrigen auch nie von Schuld und auch nie von direkter Täterschaft gesprochen.
Ich habe von Verantwortung gesprochen. Das ist ein großer Unterschied. Alles, was ich sage, ist Folgendes: Die geschichtlichen Fakten können Sie nicht ändern.

Die Geschichte von 1919 zeigt auf dramatische Weise, was passiert ist, als die SPD damals mit den Rechten zusammengearbeitet hat. Zu der Zeit gab es in Deutschland eine SPD-geführte Regierung. Es hatten sich Arbeiter- und Soldatenräte gebildet. Es gab revolutionäre Aufstände in ganz Deutschland. Der SPD-Reichswehrminister Gustav Noske war für die blutige Niederschlagung des Spartakusaufstandes 1919 verantwortlich. Im Zusammenhang mit diesen Gräueltaten wurden auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet. Generalstabsoffizier Waldemar Pabst gab damals den Befehl zu den Morden. Er gab später zu Protokoll, dass er vor den Morden mit Noske telefoniert habe und Ebert dabei anwesend gewesen sei. Die wirklichen Auftraggeber aber waren andere.
Pabst wurde vom Leiter der antibolschewistischen Liga – der Leiter hieß Stadtler – zu den Morden an Liebknecht und Luxemburg aufgefordert. Alle Beteiligten sollen dafür aus dem Antibolschewisten-Fonds Geld für ihre Tat erhalten haben. Dieser Spendentopf für Großindustrielle war eingerichtet worden, um Gruppen zu fördern, die gegen die revolutionären Sozialisten vorgingen.
Pabst führte damals in Berlin die Garde-Schützen-Kavallerie-Division, die von Januar bis März 1919 eine wahre Mordorgie anrichtete.

Die SPD-Regierung unter Ebert und Noske hatten die Freikorpsverbände in den Dienst ihrer Regierung gestellt, angeblich um die parlamentarische Demokratie zu verteidigen. Aber Pabst und seine Freikorps waren die Totengräber der Demokratie. Er und seine Schützen-Division nahmen ein Jahr später am Militärputsch gegen die neue Republik teil.

Die Aussage von Waldemar Pabst kann man zwar anzweifeln, Tatsache ist aber, dass Waldemar Pabst für seine Tat nie angeklagt wurde. Er starb 1970 als reicher Mann. Zuletzt war er Mitglied in der NPD. In seinem Nachlass fand sich ein von ihm verfasstes Schriftstück, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:
„Dass ich die Aktion ohne Noskes Zustimmung nicht durchführen konnte - und mit Ebert im Hintergrund - und auch meine Offiziere schützen musste, ist klar. Aber nur ganz wenige Menschen haben begriffen, warum ich nie vernommen oder unter Anklage gestellt worden bin. Als Kavalier habe ich das Verhalten der damaligen SPD damit quittiert, dass ich 50 Jahre das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit.“

Nun war die SPD-Regierung um Ebert und Noske nicht die SPD. Das ist vollkommen richtig. An der Basis war die Stimmung eine andere. Es gab damals infolge seiner Rolle bei der Niederschlagung der Aufstände Anträge gegen Noske, um zu verhindern, dass er wieder als Reichstagsabgeordneter aufgestellt wird. Nach 1945 sorgte unter anderem Kurt Schumacher dafür, dass Noske in der Partei keine Rolle mehr spielte.

Ich bin nicht der Meinung – das habe ich mit dem Interview zum Ausdruck bringen wollen –, dass wir wechselseitig eine Aufarbeitung vermeintlicher oder tatsächlicher historischer Fehler fordern sollten. Wir sollten Roland Koch lieber gleich abwählen.

Ich will mit einem Zitat von Rosa Luxemburg schließen, das wir uns immer vor Augen halten sollten: „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden. Zu sagen, was ist, bleibt die revolutionärste Tat.“ – Vielen Dank.