Rede zum Flughafenausbau und zum Hüttendorf im Kelsterbacher Wald
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Auch heute Morgen ist der Flughafenausbau wieder Thema im Hessischen Landtag. Da scheint es bei der CDU noch einiges an Diskussionsbedarf zu geben. Dafür, dass der Landtag oder die Politik zum Flughafenausbau eigentlich gar nichts mehr zu sagen hätte, wie es immer heißt, sagen Sie doch relativ viel dazu.
Das bestätigt mich in der Annahme, dass Herr Minister Rhiel im Unrecht ist, was die Frage des Nichtkönnens angeht, an den Planfeststellungsbeschluss ranzugehen, sondern, dass es mehr ein Nichtwollen ist. Das letzte Wort liegt bei der Politik. Deswegen ist es gut, dass wir heute wieder darüber reden und dass wir die wichtigen Argumente der Ausbaugegner vortragen und unsere Position darstellen können.
Ich möchte zu verschiedenen Punkten Ihres Antrages etwas sagen. Zum Regionalen Dialogforum möchte ich bemerken, dass man mit überschwänglichen Entschließungsanträgen zum Erfolg des Regionalen Dialogforums angesichts der Kritik, die es daran von allen Seiten gibt doch zumindest sehr vorsichtig sein sollte. Verschiedene Beteiligte haben festgestellt, dass hier kein Dialog auf Augenhöhe stattgefunden hat. Bei den abschließenden Veranstaltungen des RDF waren Verärgerung und Wut aufseiten der Vertreter der Kommunen groß. Das haben Sie alle mitbekommen. Wichtige Dialogpartner, wie das Bündnis der Bürgerinitiativen gegen den Flughafenausbau, aber auch die Umweltverbände wurden mit inakzeptablen Festlegungen oder durch Tatsachen schaffendes Handeln der Landesregierung aus dem Dialog herausgedrängt. Der Dialog hatte einzig und allein die Funktion, einem erklärten und vorab festgelegten Ziel, nämlich dem weiteren Ausbau des Rhein-Main-Flughafens zumindest ein wenig Akzeptanz in der Bevölkerung zu verschaffen. Es besteht auch kein Anlass, zu hoffen, dass das neu geschaffene Forum Flughafen und Region, weiter unter der Führung von Johann-Dietrich Wörner, der bereits das Dialogforum zum Misserfolg geführt hat, einen wesentlich anderen Charakter haben wird.
Oder um es mit den Worten des Offenbacher Stadtrates Paul-Gerhard Weiß, der der FDP angehört, zu sagen, der es auf den Punkt gebracht hat: "Ein neues Gremium, das die Region nur chloroformiert, brauchen wir nicht."
Die Mediation war misslungen. Wesentliche gesellschaftliche Gruppen und große Teile der Bevölkerung fühlen sich nicht gehört. Aber selbst die dürftigen Ergebnisse der Mediation wurden von der Landesregierung eben nicht im Planfeststellungsbeschluss umgesetzt. Dieser wurde viel zu hastig und ohne ausreichende Prüfung erlassen. Damit wurden Tatsachen geschaffen.
Nach der Vielzahl gebrochener Versprechen der verschiedenen Landesregierungen zum Thema Flughafenausbau – beispielsweise für den Flughafen wird kein Baum mehr fallen – hat nun der geschäftsführende Ministerpräsident noch eins draufgesetzt: von dem nicht verhandelbaren Nachtflugverbot ohne Interpretationsspielräume zu regelmäßigen Nachtflügen in 20-Minuten-Abstand. Sie stehen nicht zu Ihren eigenen Zusagen. Das war ein klares Versprechen an die Menschen in der Region. Das haben Sie gebrochen.
Der Antilärmpakt, der in Ihrem Antrag auch angesprochen ist, enthält nichts
Substanzielles für die Städte und Gemeinden im Großraum Rhein-Main. Er enthält keine belastbaren und konkreten Verbesserungen für die Menschen, die vom Fluglärm geplagt sind. Er beinhaltet nicht einmal ein Nachtflugverbot in der sogenannten Mediationsnacht – ein aberwitziger Begriff –, also in der reduzierten Nacht zwischen 23 und 5 Uhr. Stattdessen ist er eine Sammlung von vagen Versprechungen und Absichtserklärungen der Beteiligten, die keinerlei verbindliche und nachprüfbare Vereinbarungen enthält.
Dies ist ein Antilärmpakt im Interesse der Luftverkehrsunternehmen, der weit hinter dem heute technisch und wirtschaftlich Möglichen und gesundheitlich wie ökologisch Notwendigen zurückbleibt. Auch hier wird das Versagen des Dialogforums sichtbar. War in der Dokumentation zum Mediationsverfahren von 2000 noch die Rede davon, dass „die Kenntnis über die Auswirkungen von Lärm auf besonders empfindliche oder schutzwürdige Gruppen, wie etwa Alte, Kranke und Kinder,“ besonders lückenhaft sei, hat das RDF keine ernst zu nehmenden Anstrengungen unternommen, eben dies zu ändern.
Der Frankfurter Mediziner Prof. Scheuermann stellt im Rahmen einer umfassenden Literaturrecherche zum Thema „Neue Erkenntnisse zu den gesundheitlichen Risiken des Ausbaus des Flughafens Rhein-Main“ fest: „Das Dialogforum hat sich nicht um die Klärung der im Mediationsbericht gestellten Fragen gekümmert, die für die betroffene Bevölkerung von existenzieller Bedeutung sind.“
Seit Februar dieses Jahres liegt zudem eine internationale Studie im Auftrag der EU-Kommission vor – der trauen Sie ja sonst in anderen Fragen auch. Diese Studie belegt, dass selbst eine geringe Veränderung im nächtlichen Fluglärm im leisen Schallpegelbereich von 30 bis 60 dB bereits zu einem 14-prozentigen Risiko für Bluthochdruck führt.
Lärm macht krank. Wir bleiben dabei, wir wollen einen echten Lärmschutz. Wir wollen ein Nachtflugverbot, das den Namen verdient, nämlich für die gesamte Nacht und ohne Ausnahmegenehmigung. Weltweit gilt als Nacht die Zeit von 22 bis 6 Uhr. Im Rhein-Main-Gebiet soll sie verkürzt werden. Das ist nicht hinnehmbar.
Das Nachtflugverbot war auch ein Wahlversprechen der SPD, und daran sollte man sich halten. DIE LINKE lehnt jeden weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens ab.
Naturzerstörungen, Landschaftsverbrauch, Zunahme von Lärm, Abgasen und Gesundheitsgefahren und ein erhöhtes Risiko von Abstürzen und Unfällen, all das sind Argumente gegen den erneuten Ausbau.
Rhein-Main ist Ausdruck einer verfehlten Politik, weil allein an den Interessen der internationalen Konzerne ausgerichteten Internationalisierung von Produktions- und Handelsströmen, und ein Symbol für das Versagen der Bundesrepublik beim Klimaschutz.
Deshalb müssen wir an den Planfeststellungsbeschluss ran. Zu den vom Flugverkehr verursachten Gesundheitsschäden liegen neue Erkenntnisse vor. Fachleute können nicht nachvollziehen, wie die Fraport im Antrag trotz annähernder Verdoppelung der Flugbewegungen dennoch eine niedrigere Schadstoffbelastung errechnen kann. Solche technologischen Quantensprünge sind in der Zukunft nicht zu erwarten.
Das immer wieder vorgebrachte Arbeitsplatzargument dient ausschließlich der Rechtfertigung des Ausbaus und den betriebswirtschaftlichen Zielen zweier Großunternehmen, nämlich der Fraport und der Lufthansa. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich die von Fraport propagierte Jobmaschine als Luftnummer. Das Gutachten basiert auf falschen Grundlagen. Es wurde eine Korrelation zwischen Beschäftigung und Passagierzahlen unterstellt. Diese Korrelation existiert nicht, das ist durch die Realität der letzten Jahre widerlegt.
Das Versprechen, es würden durch den Ausbau 40.000 Arbeitsplätze geschaffen – es waren auch schon einmal mehr: 40.000, 60.000, 100.000 –, ist fernab der Realität. Das ist reiner Populismus, um die Menschen in der Region einzukaufen.
Der Ausbau des Frankfurter Flughafens ist auch unnötig. Die Mehrzahl aller Flüge sind Umsteigeflüge, Nahverbindungen und Fracht. Für die Fluggäste in der Region muss der Flughafen nicht ausgebaut werden. Wir müssen die Nahverbindungen auf die Schiene legen. Das ist unsere politische Forderung. Wir sollten die Schiene als Beitrag zum Klimaschutz fördern.
Der Hessische Landtag hat bereits beschlossen, dass wir eine Gesamtbelastungsstudie für die Umweltbelastungen im Großraum Rhein-Main brauchen. Das brauchen wir für alle Neu- und Ausbauvorhaben in der Region. Bevor wir überhaupt über neue Großprojekte reden, muss diese Studie vorliegen. Sie muss auch über einen längeren Zeitraum erstellt werden.
Jetzt möchte ich etwas zum Widerstand gegen den Ausbau des Rhein-Main-Flughafens sagen. Dieser Widerstand geht seit vielen Jahren quer durch alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen.
Er wird getragen von einer großen Zahl örtlicher Bürgerinitiativen, die sich in einem Bündnis zusammengeschlossen haben. Mitglieder der LINKEN sind in diesen Bürgerinitiativen aktiv und tragen ihren Teil zur Mobilisierung bei. DIE LINKE steht solidarisch an der Seite der Bürgerinitiativen und unterstützt deren Protest.
Dazu gehört auch das friedliche Protestdorf im Kelsterbacher Wald. Als sichtbaren Ausdruck dieser Unterstützung wird die Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag am kommenden Sonntag ein Fraktionsbüro im Hüttendorf eröffnen.
Dieser Widerstand ist mitnichten gewalttätig. Er ist ein Ausdruck der massenhaften Ablehnung des Flughafenausbaus durch die Menschen in der Region. Mit unserem neuen Fraktionsbüro wollen wir einen Beitrag zu einer gewaltfreien und engagierten Protestkultur leisten.
Sie wollen eine neue Landebahn in Zement gießen, wir stellen eine Holzhütte auf. Wir werden nicht einmal das Fundament in Beton gießen.
Herr Boddenberg, das möchte ich ganz klar sagen, wenn Sie meine Fraktion oder mich als Person beschuldigen, zu Gewalt aufzurufen, dann ist das eine ungeheuerliche Unterstellung. Die haben Sie entweder zu belegen, oder Sie haben sich dafür zu entschuldigen. Herr Boddenberg, weisen Sie mir nach, wo ich zu Gewalt aufgerufen habe.
Ein Plakat des Jugendverbandes, auf dem steht: „Kapitalismus kaputt machen“ als Aufruf zur Gewalt zu sehen, das ist nun wirklich sehr abenteuerlich.
Ich frage mich, ob Sie nichts Besseres zu tun haben, als diese Art der Showanträge zu stellen. Herr Boddenberg, manchmal frage ich mich, mit was sich Ihre Fraktion eigentlich beschäftigt hat, als DIE LINKE noch nicht im Hessischen Landtag war.
Wir wollen durch diese Hütte unsere Solidarität mit den Aktivisten zeigen. Wir wollen klarstellen, dass die Region den Menschen und nicht der Fraport und der Lufthansa gehört.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Rechtsstaat gehört auch das Recht auf Widerstand. Das Recht nehmen wir uns, das verteidigen wir. Wir fordern Sie auf, das ebenfalls zu tun.
– Vielen Dank.