Zum Sparkassengesetz: öffentlich-rechtlichen Bankensektor erhalten

Rede zur 2. Lesung zur Novellierung des Sparkassengesetzes
23. Sep. 2008


Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Die aktuelle Bankenkrise zeigt deutlich, wie wichtig ein starker und stabiler öffentlich-rechtlicher Bankensektor ist. Wir brauchen daher keine weitere Liberalisierung der Finanzmärkte, sondern mehr Regulierung und eine Stärkung der öffentlich-rechtlichen Banken, die der Gemeinwohlorientierung verpflichtet sind und eben nicht der Profitmaximierung.
Die Sparkassen haben in der Vergangenheit immer gezeigt, dass sie während Finanzkrisen ein stabilisierender Faktor sein können. Deshalb geht der Gesetzentwurf, der heute vorliegt, in eine ganz falsche Richtung. DGB und ver.di bezeichnen ihn zu Recht als die Vorstufe zur Zerstörung der Sparkassenstrukturen.
Ich möchte gern noch etwas zu dem sagen, was Herr Posch gesagt hat, ich habe ihm genau zugehört. An einer Stelle habe ich aufgehorcht, und ich hätte mir gewünscht, dass dies die GRÜNEN auch getan hätte, da er nämlich auf Italien hingewiesen hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dieser Hinweis hat Sie entlarvt. Wenn Sie auf Italien anspielen, dann wird deutlich, wohin Sie wirklich wollen. Was ist in Italien passiert? – In Italien sind Sparkassen in Aktiengesellschaften überführt worden, die sich in dem Besitz von Stiftungen befanden. Die große Mailänder Sparkasse befand sich nach kurzer Zeit unter dem Dach der französischen Crédit Agricole. Es gibt in Italien also keinen Sparkassensektor mehr, der einen öffentlichen Auftrag erfüllt. Die Leistungen der Banken sind heute in Deutschland um einiges besser und preiswerter, als dies in Italien der Fall ist – gerade weil wir einen starken öffentlich-rechtlichen Bankensektor haben.
Das sollte die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN misstrauisch machen. Sie sollten sich fragen, ob sie die gleichen Ziele wie die FDP verfolgen wollen, da Herr Posch derart eindeutig auf Italien verwiesen hat. Da können Sie sich noch einmal abstimmen.
Die öffentliche Anhörung der vergangenen Woche hat ganz klar ergeben, dass das Stiftungsmodell auf breite Ablehnung stößt. Der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen, der Hessische Städtetag, der Hessische Landkreistag, die Gewerkschaft ver.di sowie die Personal- und Betriebsräte der Sparkassen in Hessen lehnen diese Option ab. Ich kritisiere, dass dies nicht ernst genommen wird. Es werden gegen die breite Mehrheit der Expertinnen und Experten sowie gegen den Willen der unmittelbar Betroffenen Fakten geschaffen.
Im Schnellverfahren wird ein Gesetzentwurf vorgelegt, der zur Entmachtung der Kommunen führt, der viele Fragen offen lässt und der auch von den direkt Betroffenen nicht gewollt ist. DIE LINKE teilt die Bedenken der Betroffenen. Das Stiftungsmodell führt zu einem Einflussverlust der Kommunen. Es gefährdet den Regionalbezug der Sparkassen. Auch der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen kommt zu der Einschätzung, dass das Stiftungsmodell „kein Schutz vor, sondern ein Schritt hin zur Privatisierung der Sparkassen“ sei. Beim Sparkassen- und Giroverband heißt es weiter, „die Verfolgung des öffentlichen Auftrags und die Bedienung der Interessen von Investoren sind und bleiben unvereinbare Gegensätze.“
Der Gesamtvorstand der Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände hat sich bereits im Juni des Jahres 2005 sehr eindeutig zum Stiftungsmodell positioniert. Es ist die Befürchtung geäußert worden, das Stiftungsmodell beeinträchtige erheblich die Einflussmöglichkeiten der kommunalen Träger. Auch vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrechts sei das Stiftungsmodell abzulehnen.
Wir sehen in Bezug auf das Stiftungsmodell weitere Punkte sehr kritisch. Das Hessische Stiftungsgesetz läuft am 31.12.2012 aus. Längerfristige Auswirkungen sind also gar nicht einschätzbar. Das Stiftungsmodell, insbesondere in der Variante der stillen Beteiligung, führt zu einer Entfernung von den Trägern, also von den Kommunen. Das gefährdet den Regionalbezug.
Wir kritisieren, dass als stille Beteiligung übertragene Sparkassen zu Renditeprojekten werden. Das lehnen wir ab. Es besteht zudem die Gefahr, dass es zu einem Konzentrationsprozess kommt, bis hin zu einer Landessparkasse. Das hätte verheerende Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und auf das Filialennetz.
Das Ansinnen, die Sparkassen zukunftssicher zu machen, den öffentlichen Auftrag zu festigen und das Regionalprinzip zu erhalten, wird durch die Schaffung einer Stiftung nicht erreicht. DIE LINKE tritt dafür ein, dass die Trägerschaft für die Sparkassen bei den Kommunen bleibt und damit der Kontrolle der kommunalen Parlamente unterliegt. Die Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts und die kommunale Trägerschaft bieten die beste Gewähr für die Erfüllung des öffentlichen Auftrags.
Wir wissen, dass die öffentliche Trägerschaft kein Garant für eine gemeinwohlorientierte Geschäftspolitik ist; aber sie ist notwendige Voraussetzung dafür. Nur mit dieser Rechts- und Eigentumsform kann ein effizientes, gemeinwohlorientiertes Geschäftsmodell sichergestellt werden. Denn nur bei öffentlichen Banken kann das Spar- und Kreditgeschäft zumindest in einem gewissen Ausmaß von den Renditeerwartungen der Finanzmärkte abgekoppelt werden.
Zudem – auch das ist schon angesprochen worden – haben auch wir Zweifel, ob der Gesetzentwurf europafest ist. Wir wollen verhindern, dass private Investoren vor dem Europäischen Gerichtshof auf den Erwerb von Anteilen an hessischen Sparkassen klagen können. Die GRÜNEN haben sich in ihrem eigenen Änderungsantrag auch gegen die Stammkapitaloptionen ausgesprochen. Im Gesetzentwurf ist nun anstelle von Stammkapital von Trägeranteilen die Rede. Auf dem Weg zwischen Stammkapital und Trägeranteilen lag noch das Trägerkapital. In der Tat war auch mein Eindruck, dass es verschiedene Positionen gibt, was denn nun darunter zu verstehen ist.
Ob nun aber von Stammkapital, von Trägerkapital oder von Trägeranteilen die Rede ist – die Gefahren, die aus einer Übertragung von Sparkassenanteilen resultieren, bestehen fort. Wenn der erste private Investor vor dem EuGH geklagt hat und Recht bekommen hat, ist es zu spät.
Dann steht die Tür zur Privatisierung der Sparkassen weit offen. Wir wollen es eben nicht darauf ankommen lassen, ob die vorgeschlagene Regelung europafest ist. Die Aussagen der EU-Kommission in diesem Zusammenhang sind wertlos, da die Kommission gar nicht befugt ist, das Gemeinschaftsrecht in irgendeiner Art und Weise verbindlich auszulegen. Das kann nur der Europäische Gerichtshof, aber das wissen Sie sicher.
Erst nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gibt es Rechtssicherheit. Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zeigen eine Tradition, den Interessen und Freiheiten der Unternehmer konsequent Vorrang vor allen anderen Belangen einzuräumen. Dass es Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof geben wird, ist sicher. Der öffentlich-rechtliche Bankensektor stellt ein Hindernis für alle diejenigen dar, die einen noch ungezügelteren Kapitalismus und noch weniger regulierte Finanzmärkte wollen. Die privaten Großbanken haben natürlich ein handfestes ökonomisches Interesse an der Abschaffung und der Übernahme ihres Hauptkonkurrenten, nämlich der Sparkassen und der öffentlich-rechtlichen Banken. Die privaten Großbanken kommen derzeit in Deutschland nur auf einen Marktanteil von rund einem Viertel der bundesdeutschen Spar- und Kreditgeschäfte. Daher stellen öffentliche und genossenschaftliche Banken natürlich eine Gewinnbremse für den privaten Bankensektor dar.
Schützenhilfe kam schon in der Vergangenheit von der Europäischen Union, die den öffentlichen Bankensektor schwächen will. Wir haben den Streit um die Sparkassenbezeichnung erlebt. Wir haben die Drohung mit einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren gegen die Sparkassen erlebt. Mit diesem Gesetz wird der EU-Kommission die Vorlage geliefert, die sie für weitere Eingriffe in den öffentlich-rechtlichen Bankensektor braucht.
Deshalb lehnt DIE LINKE die Übertragung von Sparkassenanteilen, in welcher Form auch immer, ab. Wir wollen nicht, dass sich die Ausrichtung des Trägers weg vom öffentlichen Auftrag hin zum Renditedenken entwickelt.
Die Folgen wären absehbar, nämlich ein Verlust der Gemeinwohlorientierung und des Regionalitätsprinzips.
In dem Gesetzentwurf ist ein Girokonto für alle vorgesehen. Das ist ein Anliegen, das wir teilen, das geht in eine richtige Richtung. Deswegen werden wir diesen Punkt mittragen, es gibt auch bisher schon eine freiwillige Selbstverpflichtung der Sparkassen dazu.
Wir sehen keinen Anlass, in einem Eilverfahren eine Neustrukturierung der hessischen Sparkassen zu beschließen, auch nicht im Rhein-Main-Gebiet. Keine der hessischen Sparkassen steht vor akuten Problemen, keine muss dringend übernommen, fusioniert oder umstrukturiert werden.
Das hat auch die überwiegende Mehrheit der Anzuhörenden bestätigt. Deshalb wollen wir, dass die Belange der Kundinnen und Kunden, der Mitarbeiter sowie der Kommunalen Spitzenverbände berücksichtigt werden, dass die Bedenken gehört werden.
Deshalb möchten auch wir eine dritte Lesung, damit die antragstellenden Fraktionen noch zwei Tage Zeit haben, darüber nachzudenken, was sie mit dem Gesetzentwurf anrichten können. – Vielen Dank.

Kurzintervention als Reaktion auf Abg. Posch (FDP):
Ich finde es schon beeindruckend, mit welcher Arroganz hier gesagt wird, dass Menschen, die Ihren Gesetzentwurf ablehnen, ihn nicht gelesen oder nicht verstanden hätten.
Ich möchte nur einmal darauf hinweisen – und da mögen Sie mir widersprechen, wenn ich falsch liege –: Es gibt mit Sicherheit 400 Seiten Unterlagen im Rahmen der Anhörung. Ich habe sie alle gelesen.
Ich habe eine Stellungnahme gefunden, die sich eindeutig und klar für Ihr Modell positioniert. Wer ist das? Der Bundesverband Deutscher Stiftungen. Das ist die einzige Stellungnahme in dem ganzen 400-seitigen Block gewesen, die klipp und klar gesagt hat, das ist ein gutes Modell.
Sie können hier behaupten, die Kommunalen Spitzenverbände, der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen, die Gewerkschaften und die Personalräte haben das alles nicht gelesen und nicht verstanden.
Das finde ich aber einen sehr zweifelhaften Umgang mit Menschen, die man zu einer Anhörung einlädt und um Stellungnahmen bittet. Ich habe mich in meinem Beitrag unter anderem auf die Stellungnahmen gestützt, die zur Anhörung vorlagen.
Wie gesagt, ich halte das für einen arroganten Umgang mit dieser Anhörung, mit dem Instrument einer Anhörung. Das ist nicht mein Demokratieverständnis, aber wohl Ihres.