Rede zur Regierungserklärung zum Ausbau der hessischen Flughäfen

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

Ich bin dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten sehr dankbar für diese Regierungserklärung, weil sie uns noch mal die Möglichkeit gibt, unsere Ablehnung zu begründen und die Argumente der Ausbaugegner vorzubringen.
Naturzerstörung, Landschaftsverbrauch, Zunahme von Lärm, Abgasen, Gesundheitsgefahren und ein erhöhtes Risiko von Abstürzen und Unfällen – das sind einige Argumente gegen den Flughafenausbau.
Fraport, Hessische Landesregierung und Lufthansa behaupten dagegen, die Flughafenerweiterung sei unbedingt notwendig für die Rhein-Main-Region – auch gegen den Willen der Menschen in der Region.

Zunächst will ich etwas zu den Nebelkerzen sagen, die hier geworfen werden:

Nebelkerze: mehr Arbeitsplätze?
Hauptargument für den Ausbau des Flughafens sind die angeblich zu erwartenden Arbeitsplätze. Laut Fraport sollen 100.000 Arbeitsplätze entstehen durch den Ausbau, 40.000 – 50.000 direkt am Flughafen, weitere 50.000 im Umfeld. Es handelt sich hierbei wohlgemerkt um Prognosen. Sie verpflichten zu nichts, nichts wird garantiert. Treffen die Voraussagen nicht ein, drohen für Fraport auch keine Nachteile.
Schauen wir uns die Zahlen mal genauer an:
Die Gutachter der Fraport berechnen Arbeitsplatzprognosen auf der Grundlage der Passagierzahlen. Sie unterstellen also eine Korrelation zwischen Zuwachs an Passagieren und Beschäftigten. Die Zahl der Direktbeschäftigten sollte 1998 - zum Zeitpunkt der Mediation - pro Zuwachs von einer Million Flugpassagieren um jeweils 1.450 zunehmen. Seit 1999 hat sich die Zahl der Flugpassagiere um 5,2 Millionen erhöht, die Zahl der Arbeitsplätze hätte also um 7.500 zunehmen sollen. Hat sie aber nicht. Tatsächlich ist die Zahl der am Flughafen Beschäftigten mit ca. 63.000 nahezu konstant geblieben und hat nur minimal zugenommen.
Dabei handelt es sich vor allem um Sicherheitskräfte, die eingestellt werden mussten aufgrund von neuen EU-Bestimmungen, die mehr Sicherheitskontrollen vorschreiben. Viele auf dem Flughafen als "neu" gezählte Arbeitsplätze sind nur dorthin verlagert worden. Speditionen, die früher im Umland angesiedelt waren, sind in die Cargo-City umgezogen.
Die Berechnungsmethode ist also bereits durch die Wirklichkeit widerlegt.

Aus dem Geschäftsbericht 2004 der Fraport AG:
"Bei gleichbleibend hoher Qualität der Dienstleistungen wurden die Geschäftsprozesse optimiert, sodass eine etwas geringere Zahl von Beschäftigten das deutlich höhere Verkehrsaufkommen bewältigte. Der Personalaufwand – die größte Position im operativen Aufwand dieses besonders personalintensiven Segments – ging leicht zurück. ... Als personalintensives Unternehmen können wir nur dann die bestehenden Arbeitsplätze sichern, wenn wir unsere Personalkostenquote verbessern. Geplant sind unter anderem bedarfsorientierte und flexiblere Arbeitszeiten, längere Wochenarbeitszeiten ohne Lohnausgleich, ein verstärkter Einsatz von Fremdpersonal, keine Tarifsteigerungen in den nächsten Jahren sowie eine Überprüfung der betrieblichen Sozialleistungen."

Statt massenhafter Neueinstellungen sucht man bei Fraport also eher nach Einsparpotentialen beim Personal.
Für 650 Millionen Euro Steuergelder wurde die Ticona verlagert. 1000 Arbeitsplätze sind davon betroffen, Steuergelder wurden missbraucht.

Nun zu den so genannten katalytischen Effekten, die angeblich 50.000 Arbeitsplätze bringen sollen:
Es geht um die Effekte, die entstehen, weil Unternehmen sich wegen des ausgebauten Flughafens hier ansiedeln sollen. Ob solche Effekte überhaupt bestehen oder nachweisbar sind, ist in der Fachwelt höchst umstritten. Das Gutachten W3 „Rheinisch-Westfälisches-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen“ aus der Mediation kommt zu dem vernichtenden Urteil: „Eine Hypothese, dass der Arbeitsmarkt in Relation zur Größe eines Flughafens positiv beeinflusst wird, lässt sich nicht bestätigen. Ein Einfluss einer Flughafeninfrastruktur auf den Arbeitsmarkt ist statistisch nicht nachweisbar.“
Es ist auch völlig unklar, warum ein Unternehmen im Ausbau eines internationalen Flughafens, der jetzt schon zu den größten Europas zählt, noch zusätzliche Anreize für eine Ansiedlung entdecken sollte.
Die angekündigten 50.000 Arbeitsplätze sind also reine Spekulation, leere Versprechen, mit denen den anliegenden Gemeinden ihr Widerstand abgekauft werden soll.

Es stellt sich auch die Frage nach der Qualität der Arbeitsplätze, die geschaffen werden.
Die Fraport rationalisiert, wo es nur geht. Wo Automatisierung nicht möglich ist, wird das Personal stärker belastet, geringer bezahlt und zu erniedrigenden Arbeits- und Lohnbedingungen außertariflich ausgelagert. So sieht die Mehrzahl der "neuen" Arbeitsplätze aus: Minijobs, Teilzeit oder Schichtarbeit mit harter körperlicher Arbeit und derart geringen Löhnen, dass viele einen zweiten Job brauchen, um mit ihren Familien leben zu können. Nur 22% der Arbeit am Flughafen wird in Regelarbeitszeiten geleistet. Hilft diese Art neuer Arbeitsplätze der Region und den hier lebenden Menschen?

2005 wurde mit dem Fraport-Betriebsrat eine Vereinbarung "Sichere Zukunft" geschlossen. Den erheblichen Zugeständnissen der Mitarbeiter für längere Arbeitszeiten, Verzicht auf Urlaubstage und Lohnerhöhungen steht lediglich die Zusage gegenüber, dass es bis 2010 keine betriebsbedingten Kündigungen geben soll. Wie soll es da neue Arbeitsplätze geben? Wenn Einstellungen nicht zu vermeiden sind, werden sie bei den Billiglohntöchtern erfolgen, die bis zu 30 % weniger zahlen.

Fazit
Das Arbeitsplatzversprechen dient ausschließlich der Rechtfertigung des Ausbaus und den betriebswirtschaftlichen Zielen von zwei Großunternehmen, der Fraport und der Lufthansa. Die von Fraport propagierte Jobmaschine entpuppt sich bei näherer Betrachtung als leeres Versprechen.
Die Gesamtkosten des Ausbaus werden inzwischen auf 5 bis 6 Mrd. Euro geschätzt. Da sich Fraport zum größten Teil in öffentlichem Besitz befindet, wird der Ausbau indirekt aus Steuergeldern finanziert. Mit so viel Geld könnte man zukunftsträchtigere, nachhaltigere Arbeitsplätze schaffen, wenn man nur wollte.

Jetzt weg von den Nebelkerzen und zu den Fakten:

Fakt 1: Der Flughafen ist ein Klimakiller
Angesichts der drohenden Klimakatastrophe ist ein weiterer Anstieg des Luftverkehrs nicht zu verantworten. Es hilft nichts in Sonntagsreden von Nachhaltigkeit und Energiewende zu schwadronieren, wenn man gleichzeitig den Ausbau des Flughafens fordert.
Das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum wie auch die NASA haben in den vergangenen Jahrzehnten viele Daten über die Klimaschädlichkeit des Fliegens zusammen getragen. Das Umweltbundesamt hat im März diesen Jahres ein Papier veröffentlicht: „Aktueller wissenschaftlicher Kenntnisstand über die Klimawirksamkeit des Flugverkehrs“, darin sind die durch den Flugverkehr verursachten Emissionen und atmosphärische Prozesse, die klimawirksam sind, aufgeführt.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse belegen: Die in großen Höhen ausgestoßenen Verbrennungsprodukte von Kerosin, aber auch Wasserdampf sind eine ernst zu nehmende Bedrohung für unser Klima.
Der CO2-Ausstoß pro Passagier auf der Strecke München-Hamburg beträgt bei der Bahn 36kg, bei einem Mittelklassewagen 77 kg und beim Flugzeug sage und schreibe 170 kg. 10,5 Tonnen Kohlendioxid pro Person verursachen die Deutschen zurzeit jährlich. Um den Klimawandel auf einem noch „beherrschbaren“ Niveau zu halten, müssen wir unsere Emissionen auf 2 Tonnen CO2 pro Person im Jahr senken. Mit nur einem Flug auf die Kanaren ist dieses Budget aufgebraucht.
Die Lufthansa will ihren Passagieren ein Klimaschutz-Ticket anbieten. Mit dem freiwilligen Aufpreis sollen Umweltschäden repariert werden. Das ist genau so faul wie abgasabhängige Flughafengebühren oder die Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel, die aber "keine Wettbewerbsverzerrungen bringen dürfe". Es ist höchste Zeit, den Luftverkehr mit den tatsächlichen Umweltkosten zu belasten oder ihn anderweitig zu reduzieren. Klima- und Umweltschutz werden niemals gelingen, solange sie nur „wirtschaftlich neutral" erfolgen dürfen. Ressourcenverbrauch und Umweltentwertung sind kostenintensiv, und das müssen die Verursacher zu spüren bekommen.

Fakt 2: Der Flughafen zerstört die Umwelt im Rhein-Main-Gebiet
350 Hektar Wald – überwiegend besonders wertvoller und schützenswerter Bannwald – wurde für den Ausbau zur Abholzung freigegeben. Bannwald, der von der Landesregierung als unersetzlich im Interesse des Allgemeinwohls unter besonderen Schutz gestellt worden war. Die Region verliert damit einen überlebenswichtigen Schadstofffilter und Klimaregulator. Wald ist Überlebensraum für Tiere und Pflanzen, er reguliert Grund- und Oberflächenwasser, gleicht Temperaturschwankungen aus, schützt vor Bodenabtragung durch Wind und Wasser, speichert das Treibhausgas Kohlendioxid und produziert Sauerstoff. Für die Lebensqualität seiner Anwohner ist er von hohem Wert. Eine gesetzlich vorgesehene Ersatzaufforstung ist mangels ausreichend großer Flächen in der Region nicht möglich. Die geplante Waldanpflanzung als Fleckenteppich und teilweise weit weg vom Flughafenumfeld ist kein Ersatz für eine über Jahrhunderte gewachsene, ökologisch wertvolle Kulturlandschaft.

Fakt 3: Der Flughafen gefährdet die Gesundheit der Menschen
Die Grenze der Belastbarkeit ist schon jetzt überschritten: Am Rhein-Main-Airport starten und landen aktuell jährlich eine halbe Million Flugzeuge. Laut Planfeststellungsverfahren will die Fraport AG ihre Kapazitäten auf 700.000 Flugbewegungen Jahr steigern. Im Durchschnitt bedeutet das ganzjährig und rund um die Uhr alle 45 Sekunden einen Start oder eine Landung. Faktisch wäre bei der jetzigen Planung aber fast eine Verdopplung der Flugbewegungen auf eine Millionen Flugbewegungen im Jahr möglich.
Die mit dem Ausbau einhergehenden gesundheitlichen Belastungen Hunderttausender Menschen durch Lärm und Schadstoffe werden billigend in Kauf genommen.
Lärm macht krank. Die Ergebnisse einer multinationalen Untersuchung an Schulkindern, die in der Umgebung von Flughäfen leben, belegen die Minderung kognitiver Fähigkeiten aufgrund der Fluglärmbelastung. Gerade frühzeitige Belastungen der Atemwege führen zu diversen langfristigen Schädigungen, zu denen auch vermindertes Wachstum, Herzkreislaufbeschwerden und letztlich eine kürzere Lebenszeit gehören. Das Risiko einer gesundheitlichen Gefährdung von Kindern durch den Flughafenausbau fand im Planfeststellungsverfahren jedoch keine adäquate Berücksichtigung.
Zusätzlich werden die Lebensbedingungen erschwert durch erhöhte Mengen an Luftschadstoffen: Feinstäube, Stickoxide, Ozon, Kohlendioxid, krebserregende Kohlenwasserstoffe infolge vermehrten Flug- und Bodenverkehrs.
In den Verbrennungsrückständen der Triebwerke wurden bereits mehr als 200 Schadstoffe identifiziert, darunter einige klar krebserregende. Heute schon muss das Rhein-Main-Gebiet eine Schadstoffbelastung aus rund 450 Millionen Litern Kerosin jährlich verkraften, die bei den Starts und Landungen verbrennen. Bei voller Nutzung der Kapazität im Falle des Ausbaus verdoppelt sich die Zahl der Flugbewegungen und somit der Schadstoffausstoß.


Fakt 4: Der Flughafen ist ein Sicherheitsrisiko
Im Gefahrenbereich des Landeanflugs liegen die hoch explosiven Shell-Tanklager. Weitere Sicherheitsrisiken drohen von den dicht befahrenen Autobahnen und den Hochgeschwindigkeitszügen. Die Zunahme der Flugbewegungen und die daraus resultierende Verdichtung im Luftraum erhöhen das Risiko von Abstürzen.
Und man stelle sich vor, ein abstürzendes Flugzeug fällt in einen der dichtest besiedelten Ballungsräume Deutschlands. Ich habe noch keinen Aufschrei von Herrn Bouffier gehört. Darüber sollte er sich Gedanken machen, wo ihm doch die „Sicherheit“ der Menschen in Hessen so sehr am Herzen liegt.


Fakt 5: Es gibt keine Notwendigkeit für den Ausbau
Die Hessische Landesregierung und Fraport behaupten, der Ausbau sei "notwendig“. Von Not kann keine Rede sein. Deutschland hat die größte Flughafendichte Europas: 18 internationale Flughäfen sind regional günstig über die ganze Republik verteilt, mit reichlich Kapazitätsreserven.
Die Rhein-Main-Region ist mit dem größten deutschen Flughafen eindeutig überversorgt. Nur etwa ein Viertel der Benutzer wohnt hier. Die beklagten Engpässe haben ihre Ursachen darin, dass mehr als die Hälfte der Kapazität für Passagiere genutzt wird, die auf dem Frankfurter Flughafen nur umsteigen. Das ist für Fraport ein gutes Geschäft auf Kosten der Menschen in der Region.
Mehr als die Hälfte aller Flugbewegungen in Frankfurt bestehen aus Nahverbindungen. Mit dem Bau leistungsfähiger Netze für Hochgeschwindigkeitszüge könnte der Kurz- und Mittelstreckenverkehr stärker auf die umweltfreundliche Schiene verlegt werden. Stattdessen privatisiert man die Bahn und nimmt sich in der Verkehrspolitik weiteren Einflusses. Die Privatisierung der Bahn ist unter Umwelt- und Klimaschutzaspekten ein völlig falscher Schritt.
Es ist weder verkehrstechnisch noch wirtschaftlich notwendig, das internationale Drehkreuz Frankfurt noch weiter auszubauen. Es geht dabei nur um wirtschaftliche Interessen der Fraport und der Lufthansa.
Zu den Ausführungen des geschäftsführenden Ministerpräsidenten: Der Vergleich mit Dubai hinkt. Es gibt schon einen Unterschied, ob man einen Flughafen in die Wüste oder in eines der dichtesten Ballungsgebiete baut.

DIE LINKE steht an der Seite der Menschen in der Region und wir werden alles tun, um die gesellschaftliche Mobilisierung gegen den Ausbau zu unterstützen.
Wir fordern:

  • Keinen weiteren Ausbau des Flughafens
    Nach dem Ausbau ist vor dem Ausbau – Die neue Bahn ist noch nicht einmal genehmigt, da spricht man schon über einen weiteren Ausbau. Deshalb muss jetzt Schluss sein.
  • Klimaschutz vorne anstellen
    Nicht nur darüber reden. Es gibt keine wirksame Klimapolitik ohne eine Verminderung des Flugverkehrs. Jede ernst gemeinte Energiewende muss an der Verkehrspolitik ansetzen.
  • Ein Nachtflugverbot, das den Namen verdient
    Weltweit gilt die Zeit von 22.00 bis 06.00 als Nacht. Für Rhein-Main hat die so genannte Mediation auf Drängen der Fraport die Nachtruhe auf 23.00 bis 05.00 Uhr verkürzt. Die gültige Nachtflugbeschränkung wird systematisch unterlaufen. Die dafür gesetzlich notwendigen Ausnahmegenehmigungen darf Fraport sich selbst erteilen. Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht. Auch im Landesentwicklungsplan ist das Nachtflugverbot nur unverbindlich aufgeführt. Der faule Kompromiss, der den Bürgern zum Schluss als Nachtflugverbot verkauft werden wird, ist de facto keines.

DIE LINKE war vor Ort bei den BI’s und bei den Waldbesetzern im Kelsterbacher Wald. Wir fühlen uns den Menschen verbunden, die sich seit Jahren und Jahrzehnten zur Wehr setzen gegen den Flughafenausbau, für eine lebenswerte Umwelt und die Lebensqualität in den Kommunen.
DIE LINKE steht an Eurer Seite. In diesem Sinne: Menschen vor Profite – die Region gehört den Menschen und nicht Fraport und Lufthansa.