Anwohner schützen - Verkehr von der Straße auf die Schiene verlegen!

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Das Lkw-Verbot auf den Bundesstraßen B 3, 7, 27, 252, 254 und 400 wurde 2006 erlassen, um die Belastung der Anwohner an den Bundesstraßen in sechs nordhessischen Landkreisen durch Lärm, Feinstaub und Erschütterungen und natürlich durch die erhöhte Unfallgefahr zu verringern.
Das Verwaltungsgericht Kassel ist am 29. Mai einer Klage von Speditionsunternehmern nachgekommen und hat das Fahrverbot gekippt.

Das ist nicht der richtige Moment für Häme. Die Anwohner der betreffenden Bundesstraßen haben unter dieser Entscheidung zu leiden, und dagegen muss etwas getan werden. Wenn der Verkehrsminister gegen das Urteil in Revision gehen will, dann ist das ein richtiger Schritt.

Das Problem, vor dem die Menschen der Region stehen, lässt sich aber nicht durch den Bau neuer Autobahnen und Umgehungsstrassen lösen. Solche Neubauten würden nur weitere Landschaftsteile verschandeln und das Problem verlagern, statt es zu lösen. Das Grundproblem ist nämlich das wachsende Aufkommen an Güterverkehr und ganz besonders dessen immer weitere Verlagerung von der Schiene auf die Straße.
So ist der Anteil der Bahn am deutschen Güterverkehr von 1990-2005 von 18 auf 12 Prozent gesunken. Die Logistik-Tochter der Bahn, Schenker, steuert mittlerweile die Hälfte des Bahnumsatzes bei – und zwar mit Lkw-Transporten. Wir wissen alle, dass die Umweltbelastung durch Lkw pro Tonnenkilometer sehr viel höher ist als bei der Bahn.
Zwei Drittel aller Deutschen fühlen sich durch Verkehrslärm belästigt. Nötig ist ein massives Umsteuern auf allen Ebenen staatlicher Politik, zumal die Prognosen von einer weiteren Verdopplung des Güterverkehraufkommens schon im kommenden Jahr vorhersagen, um verstärkt Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlegen.

Eine Prognose, die sich als falsch erwiesen hat, ist die der Bundesregierung, dass die Erhebung der Lkw-Maut auf Autobahnen den Straßengüterverkehr begrenzen würde.
Tatsächlich hat sich der Güterverkehr auf der Straße seit Einführung der Maut noch einmal um 30 Prozent erhöht.
Auch die Tatsache, dass die Mauterhebung zu so genanntem Ausweichverkehr auf nicht mautpflichtige Straßen führt, ist seit Jahren bekannt.
Die schwarz-rote Bundesregierung hat nun neben einer Spreizung der Mautgebühren auch ihre Senkung von 15 auf 12,4 Cent pro Kilometer beschlossen. Das wird das Problem des Ausweichverkehrs nicht lösen, aber die Attraktivität der Straße gegenüber der Schiene weiter erhöhen.


Nur an drei Stellen in Deutschland, in Hamburg, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz, sind seither Bundesstraßen mautpflichtig gemacht worden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass es weiterhin viel mehr Autoverkehr gibt, als Mensch und Umwelt vertragen können und wollen. Marktmechanismen führen oft eben nicht dazu, dass gesellschaftlich wünschenswerte Ziele erreicht werden, deshalb sind Regulierungen nötig.


Wir erleben derzeit die Umstrukturierung und die nun beschlossene Teilprivatisierung der Bahn AG. Sie wird die Probleme mittelfristig noch verschärfen. Denn Aufgabe dieses nun profitorientierten Unternehmens ist nicht mehr in erster Linie eine ausgewogene und an den Interessen der Menschen in diesem Land ausgerichtete Politik, sondern das Erwirtschaften von Profit.


Nun werden wir das Problem in Hessen allein nicht lösen, weil das alles Bundesentscheidungen sind. Deshalb sollten sie ihren Kollegen in Berlin umgehend das Problem schildern und eine Bundesratsinitiative starten, die es Ländern und Kommunen ermöglicht, Straßen, die durch ihr Gebiet führen, für bestimmten Verkehr zu sperren. Die Bevorzugung der Straße vor der Schiene muss ein Ende haben, sonst verschieben wir den Verkehrskollaps nur weiter von einer Straße auf die andere.


Frau Pfaff (SPD) hat in ihrer Rede gesagt, die Interessen der Wirtschaft und der Anwohner müssten gleich gewichtet werden. Das sehe ich anders. Die Anwohner stehen für mich an erster Stelle und müssen geschützt werden.
Denn auch in der Verkehrspolitik gilt: Menschen vor Profite!


Ein Wort noch zur CDU: Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing. Ihre Partei bekommt jedes Jahr 300.000 € von Daimler und 100.000 € von BMW. Dass Sie für neue Autobahnen sind, verwundert niemanden.