Zur Abschaffung der Studiengebühren: Wer kämpft, kann gewinnen!

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Ich hoffe, das ist eine der letzten Reden, die zum Thema Studiengebühren in diesem Haus gehalten werden, und dass das Thema nach heute endgültig vom Tisch ist.
Nach einigen Jahren der hochschulpolitischen Irrfahrt von CDU und FDP wird ein zentrales bildungspolitisches Grundrecht wieder allgemein zugänglich – nämlich das Recht auf den kostenfreien Hochschulzugang. Ab dem kommenden Semester müssen keine Studiengebühren an hessischen Hochschulen mehr gezahlt werden. Wir freuen uns mit allen Studentinnen und Studenten in Hessen – es werden sicher zahlreiche Studentenpartys in dieser Woche stattfinden -  und wir hoffen, dass das ein Startschuss für ganz Deutschland ist, damit Bildung generell und überall kostenfrei wird von der KITA bis zur Uni.

DIE LINKE hat einen eigenen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Studiengebühren in den Hessischen Landtag eingebracht. Dieser beinhaltet die Abschaffung der allgemeinen Studiengebühren, der Langzeit- und Zweitstudiengebühren sowie die Abschaffung des Verwaltungskostenbeitrags und die Rückzahlung der bisher gezahlten Studienbeiträge.

Unser Gesetzentwurf wurde im Ausschuss mit den Stimmen  a l l e r  anderen Fraktionen abgelehnt. Wir bedauern sehr, dass SPD und Grüne mit CDU und FDP gestimmt haben und der Forderung der Studierenden nach Rückzahlung nicht nachgekommen sind.

DIE LINKE bleibt dabei: Wir fordern die Rückzahlung der bereits gezahlten Studienbeiträge und werden das spätestens in der Haushaltsdebatte wieder einbringen. Wenn Studiengebühren abgeschafft werden, dann auch für alle. Viele Studierende mussten sich verschulden, Familien mussten sich an anderer Stelle einschränken um die Gebühren zu zahlen. Ihnen muss das Geld zurückgegeben werden.

In einem weiteren Punkt hatten wir Kritik am Gesetzentwurf von SPD und Grünen: Wir sehen keine Notwendigkeit im Zusammenhang mit der Abschaffung von Studiengebühren die Zwangsexmatrikulation zu verschärfen..

In Artikel 3 des Gesetzentwurfs wollten SPD und Grüne Paragraph 68 des Hessischen Hochschulgesetzes modifizieren und Zwangsexmatrikulationen nach drei statt bisher nach vier Semestern ermöglichen.

SPD und Grüne wollen die Hochschulen dazu verpflichten gegen so genannte Langzeitstudierende vorzugehen: "von Amts wegen“ habe in Zukunft „eine Überprüfung der Leistungsnachweise zu erfolgen.“

Die jetzige Fassung des Paragraph 68 ist hingegen eine Kann-Formulierung.
Hiermit wird deutlich, dass es nicht um eine Verhinderung von Zwangsexmatrikulationen geht, wie SPD und Grüne es darstellen, sondern um eine Beschleunigung.

Wie in anderen Bereichen auch, ist nicht hinnehmbar, dass alle für einen möglichen Missbrauch Weniger bestraft werden.

Deshalb haben wir Artikel 3 im Ausschuss nicht zugestimmt und deshalb wir das jetzt nicht Gesetz.
Damit tragen wir auch den Aussagen der Betroffenen in der öffentlichen Anhörung am 19. Mai Rechnung. Sowohl die Studierendenvertretungen als auch die Hochschulen lehnten die vorgeschlagene Neuregelung des Paragraph 68 ab. Schlechte Voraussetzungen, um den Artikel ins Gesetz zu schreiben.

Fazit:

  1. Wir wollen Studiengebühren abschaffen und nicht den Druck auf die Studierenden erhöhen. Die Frage der Zwangsexmatrikulationen steht für DIE LINKE nicht auf der Tagesordnung. Es geht jetzt um die Abschaffung der Studiengebühren. Wir wollen nicht, dass im Windschatten der Abschaffung so ganz nebenbei im Kleingedruckten Änderungen im HHG vorgenommen werden mit der Hoffnung, vielleicht merkt’s ja keiner.
  2. Gespräche zur Unterstützung der Studierenden halten wir für eine gute Idee, aber nicht als Drohung sondern als Hilfe. Die Studierenden brauchen eine allgemeine vernünftige Studienberatung, die den Studierenden bei seiner Studienorganisation ohne drohende Exmatrikulation unter die Arme greift.
  3. Gespräche allein werden die Probleme vieler Studierenden nicht lösen. Zwei Drittel aller Studierenden arbeiten, die Zeit fehlt zum Studieren. Zudem sind die Studienbedingungen schlecht. Wer Studierenden einen schnelleren Abschluss ermöglichen will, muss sich für eine BAföG-Erhöhung einsetzen, das Kindergeld wieder bis 27 Jahren zahlen und die Hochschulen besser ausstatten. Die beste Beratung hilft nichts, wenn Studierende mehr Wochenstunden im Betrieb als an der Hochschule verbringen.
  4. Das HHG muss im nächsten Jahr novelliert werden. Für DIE LINKE steht dabei die Demokratisierung der Hochschulen im Vordergrund. Wir wollen die Einbeziehung der Studierenden in diesen Prozess. Auch über Paragraph 68 kann man diskutieren. Für uns steht dabei der Schutz von Studierenden vor Zwangsexmatrikulationen an erster Stelle. Der umfangreichen Novellierung sollte jetzt nicht durch Stückwerk an nicht dringlich zu ändernden Stellen vorgegriffen werden. So wollten mich Thomas Spies und Sarah Sorge belehren, als wir eine Ziffer zur Stiftungsuni im Gesetz streichen wollten, dass es nicht sinnvoll sei, jede kleinere Regelung einzeln zu ändern, sondern eine umfangreiche Novellierung vorzunehmen. Dann greifen Sie dem jetzt doch auch nicht vor, sondern lassen Sie uns nur das im HHG ändern, was unmittelbar mit der Abschaffung von Studiengebühren zusammenhängt und alles weitere später.  



Der Studierendenbewegung und ihrer breiten Unterstützung in der Bevölkerung ist es zu verdanken, dass Studiengebühren ab heute in Hessen Geschichte sind. Das kann nur der Anfang sein. Eine grundsätzliche Veränderung der Hochschulpolitik ist nötig und ist auch möglich. Bildung muss für alle kostenfrei zugänglich sein.

Die Abschaffung der Studiengebühren setzt ein Zeichen über Hessen hinaus: Wer kämpft, kann auch gewinnen. Es lohnt sich aktiv zu werden und für seine Rechte zu kämpfen. Ich hoffe, das kann Motivation und Inspiration sein für andere soziale Bewegungen in ganz Deutschland und diese stärken für ihre eigenen Kämpfe.

Die Studierenden in Hessen waren ausdauernd und hartnäckig, über zwei Jahre hinweg haben wir uns nicht einfach damit abgefunden, was die Landesregierung uns vorsetzte, sondern haben uns organisiert und sind aktiv geworden.
Ich erinnere mich noch an die erste Vollversammlung an der Frankfurter Uni vor zwei Jahren fast auf den Tag genau, zu der tausende Studierende kamen. Im Anschluss zogen wir als Demonstrationszug durch die Innenstadt. Das war der Auftakt für einen Protestsommer, wie ihn Hessen lange nicht erlebt hat. Kreuzungen wurden blockiert, Bahnhöfe besetzt und Autobahnen lahmgelegt. Das Wissenschaftsministerium wurde besetzt, mehrere bundesweite Studierendendemonstrationen fanden in Hessen statt. Es gab Versuche die Bewegung zu kriminalisieren durch Massenverhaftungen, Drohungen und unverhältnismäßig harte Urteile. Für uns ist klar: Protest ein Grundrecht und muss geschützt werden.
Die Studierendenbewegung 2006 hat viele junge Menschen politisiert und aktiviert. Nicht nur Studierende, auch Schülerinnen und Schüler streikten und gingen auf die Straße. Gemeinsam mit den Gewerkschaften wurden über 80.000 Unterschriften im Rahmen der Verfassungsklage gesammelt. Was mich fast am meisten in dieser Bewegung beeindruckt hat, war die Solidarität und die Sympathie der Passanten und der Rückhalt in der Bevölkerung. All das hat schließlich zum Erfolg geführt. Trotz aller angeblichen Sachzwänge und leerer Kassen: der größte Sachzwang sind noch immer die Menschen auf der Straße, wenn sie aufstehen und sich wehren.
   
Nun muss Roland Koch als geschäftsführender Ministerpräsident die Studienbeiträge wieder abschaffen. Es ist eine Genugtuung für die Gebührengegner in Hessen, dass Koch, auf der Regierungsbank sitzend, die Abschaffung seines Gesetzes nicht verhindern kann. Der Antrag heute ist ein hilfloser Versuch etwas aufzuhalten, was nicht aufzuhalten ist.
Nach dem Abgang des zuständigen Ministers, ist jetzt auch das Gesetz passé. Das ist der Erfolg der Studierenden in Hessen und das kann nur ein Anfang sein. Und den Studierenden in den Bundesländern, in denen es noch Studiengebühren gibt, sei gesagt: Was in Hessen möglich ist, ist anderswo genauso möglich – für Solidarität und freie Bildung.