Aktuelle Stunde - Hamburger Modell

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Ich stelle zunächst einmal fest: Die Landesregierung ist in der Frage Studiengebühren auf dem Rückzug, und das ist schon einmal sehr erfreulich, weil es zeigt, dass sich die Ausdauer der Studierendenbewegung gelohnt hat, wenn die Landesregierung jetzt selber nicht mehr an ihrem Gesetz festhält.

Studiengebühren sind und bleiben sozial ungerecht – in welcher Form und Ausprägung auch immer – und sind nicht vereinbar mit der Hessischen Verfassung,  Art. 59.

Deshalb hält DIE LINKE an ihrer Forderung fest, dass die verfassungswidrig gezahlten Studiengebühren zurückgezahlt werden müssen.
DIE LINKE meint: Jeder Mensch hat ein Recht auf eine gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Uni. Frau Beer (FDP), da bin ich ganz bei Ihnen. Auch ich finde es ungerecht, dass für Kindergartenplätze bezahlt werden muss, dass die etwas kosten. Deshalb hat DIE LINKE auch in ihrem Wahlprogramm gefordert, dass Kindergartenplätze kostenlos sein müssen. Vielleicht kriegen wir gemeinsam einen Antrag dazu hin.

Das Argument für das Hamburger Modell ist, dass Menschen, die nach oder aufgrund ihres Studiums einen guten Job haben, der Gesellschaft etwas zurückgeben sollen. Auch wir, DIE LINKE, sind durchaus der Meinung, dass Menschen, die nach oder aufgrund ihres Studiums besser verdienen, an die Gesellschaft etwas zurückgeben sollen.

Deshalb fordern wir eine stärkere Besteuerung von hohen Einkommen. Deshalb fordern wir die Wiedereinführung der Vermögensteuer.
Das ist doch eine schöne Möglichkeit, Danke zu sagen. Das ist die Möglichkeit für Menschen, die gut verdienen, sagen zu können: Jetzt geben wir der Gesellschaft etwas zurück.

Die Wiedereinführung der Vermögensteuer würde dem Land Hessen 1,2 Milliarden € pro Jahr bringen. Das ist das Zehnfache von den derzeitigen Einnahmen, die aus Studiengebühren erzielt werden.
Herr Boddenberg (CDU): Es ist immer die Frage, wer der Leistungsträger ist. Leistungsträger sind nicht nur Manager. Auch die Krankenschwestern sind Leistungsträgerinnen.

Der Unterschied zwischen Gebühren und Steuern ist nämlich, dass man zumindest im Prinzip – ich will nicht behaupten, dass wir in Deutschland eine gerechte Steuergesetzgebung hätten – über Steuern unterschiedliche Einkommen auch unterschiedlich besteuert. Gebühren sind für alle gleich. Und weil Gebühren für alle gleich sind, treffen sie niedrige Einkommen und Menschen aus sozial schwachen Schichten unverhältnismäßig härter als andere.

Meine Vorrednerin hat die Frage Australien angesprochen. Der „hervorragende“ Erfolg von Australien, wo es genau dieses Gebührenmodell gibt, ist nämlich, dass die Studiengebühren permanent erhöht wurden und dass die Jahreseinkommensgrenze in all den Jahren gesenkt wurde. Das heißt also, der Einstieg war relativ niedrig und klang sozialverträglich.
Aber es war eben nur der Einstieg, und die Gebühren wurden erhöht und erhöht. Am Ende mussten die Leute mit sehr viel geringerem Einkommen das alles zurückzahlen.

Deshalb: Die LINKE lehnt jede Form von Studiengebühren ab, auch wenn sie nachgelagert sind. Bildung ist für uns keine Ware, sonder muss den Menschen kostenfrei zur Verfügung stehen. Das Hamburger Modell sieht vor, ab 30.000 € Jahresgehalt sollen Gebühren nachgelagert gezahlt werden. Ich möchte einmal festhalten, 30.000 € brutto im Jahr sind kein Spitzenverdienst.
Gerade dann, wenn junge Menschen in das Berufsleben einsteigen, wenn sie anfangen, eine Existenz aufzubauen, wenn sie anfangen, eine Familie zu gründen, wenn dann die Menschen immer stärker belastet und zur Verschuldung gezwungen werden, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn sich die Leute drei- oder fünfmal überlegen, ob sie überhaupt Kinder bekommen wollen.
Da braucht man auch gar nicht Sonntagsreden zur Stärkung der Familie zu halten, wenn man nämlich junge Menschen immer mehr die materielle Basis nimmt, überhaupt in der Lage zu sein, eine Familie zu gründen.

Man soll nicht so tun, als ob man automatisch einen sicheren und gut bezahlten Arbeitsjob nach dem Studium bekommt. Gerade Akademiker sind auch immer stärker von prekären Arbeitsverhältnissen betroffen. Es ist eben nicht so, dass die automatisch in hohe Einkommensklassen einsteigen.

Ich denke, dass es ein Dammbruch ist, dass die GRÜNEN in Hamburg eine Studiengebühren erhebende Landesregierung eintreten. Da gibt es auch keine Augenwischerei. Diese Gebühren gelten in Hamburg ab dem ersten Semester und sind somit allgemeine Studiengebühren. Das ist auch ein Novum für die GRÜNEN. Nun sind die hessischen GRÜNEN keine Hamburger. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass hier in Hessen auch kein Hamburger Modell installiert wird, wie sich das der Ministerpräsident wünscht, sondern dass wir das hessische Modell installieren, nämlich den gebührenfreien Hochschulzugang wiederherzustellen.