OPEL

Herr/Frau Präsident/in, meine Damen und Herren,

Es ist gerade mal zwei Monaten her, als hier im Landtag der Magna-Deal bejubelt wurde, als sei bereits alles in trockenen Tüchern. Der Ministerpräsident und die SPD dankten sich gegenseitig, Mahnungen wurden in den Wind geschlagen, um Punkte für die Bundestagswahl zu sammeln. Heute wissen wir, dass der Jubel und die Danksagungen völlig unangebracht und verfrüht waren.

Denn die Befürchtung hat sich bestätigt, dass die vermeintliche Rettung von Opel die Bundestagswahl nur knapp überlebt. Einer der größten Arbeitgeber Hessens kann seinen Beschäftigten nicht sagen, wie das Geschäft im kommenden halben Jahr weitergehen soll.

Der Magna-Deal ist geplatzt, GM wollte Opel nie verkaufen, man konnte sich nur die Sanierung nicht leisten. Anzeichen dafür gab es: GM stellte Bedingungen, die Zündstoff bargen und darauf angelegt waren, die Verhandlungen scheitern zu lassen. Vier von acht Vorstandsposten verlangte GM, ein Rückkaufsrecht und die Beschränkung der Absatzmärkte von Opel, der wachsende asiatische und der nordamerikanische Markt sollten GM vorbehalten sein. Das sind Bedingungen, die weder Magna noch ein anderer Investor unter normalen Umständen akzeptiert hätte - wären da nicht die Staatshilfen gewesen. Daran und am technischen Know-how war das Magna-Konsortium interessiert, denn Magna steckt selbst in Schwierigkeiten.
Nach Ihrem Konzept sollten ein angeschlagener Zulieferer und eine angeschlagene Bank einen angeschlagenen Autohersteller übernehmen und mit Staatshilfen ein Fünftel der Arbeitsplätze abbauen.
Wie Opel so eine gute Zukunft haben sollte, konnte ich schon im Sommer nicht nachvollziehen.

Die Hängepartie für die Beschäftigten und ihre Familien geht weiter. Tausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Opel droht der Verlust ihrer Arbeitsplätze.
Da geben sich Magna und GM wenig. Magna hatte einen Arbeitsplatzabbau von 10.500 Stellen angekündigt, bei GM sollen es 11.000 werden. Zudem erwartete Magna 1,5 Milliarden Euro Lohnverzicht von Seiten der Beschäftigten für eine Belegschaftsbeteiligung von 10 %, mit der man wenig Einfluss nehmen kann, aber das Risiko des Verlustes trägt.

Dass GM wieder in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen und Opel jetzt doch behalten kann, verdankt das Unternehmen der Tatsache, dass es mittlerweile ein de facto verstaatlichter Konzern ist - und dass die deutsche Regierung den Brückenkredit gewährt hat ohne Bedingungen und ohne Mitspracherechte.

SPD
Zu einer richtigen Einschätzung kommt der Gewerkschaftsrat der hessischen SPD. Unter der Überschrift „Opel an Ideologie der Wespen-Koalitionäre gescheitert“ wird festgestellt:

„Leider konnte das offene Zeitfenster im Frühjahr nicht für eine Entscheidung zu Gunsten einer Eigenständigkeit gegenüber GM genutzt werden. Hätte man die Gewährung von Bürgschaften an die Übertragung von Anteilen geknüpft (Geld für Eigentum) und damit mehr Mitsprache erhalten, dann hätte Opel heute eine klare Perspektive.“

Das habe an einer ideologischen statt einer pragmatischen Wirtschaftspolitik bei Teilen der handelnden Politikerinnen und Politiker gelegen.
Ich habe mit Erstaunen festgestellt, dass die SPD-Fraktion das Wort für Wort in Ihren Antrag übernommen hat. Nun, vor Erkenntnisgewinn ist keiner gefeit, es ist nur schade, dass Sie nicht auf die Gewerkschafter in Ihrer Partei gehört haben, als Sie noch etwas zu sagen hatten auf Bundesebene. Denn eines verschweigt die Überschrift: nicht nur die Wespe, auch die SPD war gegen den Staatseinstieg bei Opel, den wir als LINKE immer gefordert haben. Wer waren denn die ‚handelnden Politiker’, wie es in Ihrem Antrag heißt? Herr Schäfer-Gümbel hat in seiner verfrühten Dankesrede im September als erstes Frank-Walter Steinmeier gedankt, der den Magna-Deal eingefädelt habe. Nun finde ich es nicht falsch Steinmeier eine ideologische Wirtschaftspolitik vorzuwerfen, wie Sie das nun offensichtlich in Ihrem Antrag tun. Wir freuen uns, wenn sich die Hessen-SPD vom Schröder-Flügel distanziert.

Aber noch im September verwahrte sich Herr Schäfer-Gümbel gegen den Vorwurf, die SPD wolle einen Staatseinstieg bei Opel - VEB Opel nannten Sie das - und stellte fest, dass CDU und SPD auf Landesebene eng zusammen stünden und Sie dem Ministerpräsidenten dankbar seien.

Es war der SPD sehr wichtig klar zu stellen, dass sie Teil des großen Konsenses hier im Hause ist, der Kredite ohne Bedingungen befürwortete.
Der stellvertretende Ministerpräsident Hahn hat wieder eindrucksvoll bewiesen, dass das Wort der FDP nichts gilt. Er war an allen Entscheidungen beteiligt, die er später öffentlichkeitswirksam kritisierte.

Zu Guttenberg fand eine Pleite des Unternehmens die beste Lösung und der neue FDP-Wirtschaftsminister Brüderle will das Werk offensichtlich beenden. Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle warnte, dass „die Opferbereitschaft“ bei den Arbeitnehmern zurückginge, wenn sie wüssten, dass im Zweifelsfall der Staat mit seinem Geld bereitsteht. Im Klartext heißt das, nur wenn die Beschäftigten Angst vor der Pleite haben, sind sie erpressbar.
Jetzt lehnt Brüderle alle weiteren Staatshilfen ab, wenn die Länder Opel retten wollten, dann sei das ihr Privatvergnügen und ginge zu ihren Lasten.

Das ist unverantwortlich gegenüber 50.000 Beschäftigten und ihren Familien. Opel den Kräften des freien Marktes zu überlassen, heißt in Kauf zu nehmen, dass Opel kaputt geht, nichts anderes. Das mag dann andere konkurrierende Automobilhersteller freuen, denen sich zu Guttenberg und Brüderle offensichtlich stärker verbunden fühlen, für die betroffenen Menschen und Gemeinden wäre es eine Katastrophe.

Die SPD und auch Teile der Union, allen voran der Ministerpräsident, empören sich nun über die Entscheidung von GM, Opel doch nicht zu verkaufen.
Aber was hier gerade passiert, ist nichts anderes, als dass die Eigentümer von ihren Rechten Gebrauch machen und frei entscheiden, ob und zu welchen Bedingungen sie sich von ihrem Eigentum trennen wollen. Diese Freiheit haben Sie GM gelassen. Wenn Sie das hätten verhindern wollen, hätten Sie Mitspracherechte verlangen müssen. Das würde ebenso bedeuten, bei Opel und vergleichbaren Unternehmen aktiv einzusteigen, um die Geschäftspolitik zu beeinflussen und um die Arbeitsplätze und Standorte zu sichern statt nur Geld zur Verfügung zu stellen - und dann öffentlich darüber zu klagen, was damit geschieht.

Was hat denn die Regierungen davon abgehalten, Bedingungen zu stellen, wenn sie Staatsgarantien in Höhe von 1,5 bzw. von 4,5 Milliarden Euro bereitstellt?
Die Große Koalition hat erklärt, Bedingungen hätten gegen EU-Wettbewerbsrecht widersprochen. Es ist so einfach wie billig die Verantwortung nach Brüssel abzuschieben.
Warum hat man nicht versucht, auf EU-Ebene alle Standorte und alle Arbeitsplätze europaweit zu erhalten? Hier wurde Standortnationalismus betrieben. Andere europäische Regierungen sind nun erleichtert, dass der Magna-Deal geplatzt ist.
Die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften haben Recht, wenn sie über die Grenzen und Standorte hinweg gemeinsam Druck machen und sich nicht gegeneinander ausspielen lassen beim Kampf um die Arbeitsplätze.

Alternativen
Wer die Arbeitsplätze bei Opel retten will, darf nicht auf private Investoren setzen, denn angesichts der Überkapazitäten in der Automobilindustrie weltweit und angesichts der Wirtschaftskrise, die noch lange nicht vorbei ist, wird Opel als reiner Pkw-Hersteller größte Probleme haben. Bei 20 Prozent Überkapazitäten auf dem Automobilmarkt wird es eine „Bereinigung“ des Marktes geben. Sie wollten bei Opel nie einsteigen, denn Ihre Vorstellungskraft reicht über die betriebswirtschaftliche Perspektive nicht hinaus. Deswegen haben Sie die ungerechtfertigte Hoffnung auf Magna geschürt und schieben die Schuld jetzt auf das andere Atlantikufer.

Für DIE LINKE ist klar: wir wollen Opel retten, die Standorte erhalten und die Arbeitsplätze sichern. Dafür sollte der Staat Geld bereitstellen.
Das gilt für GM, genauso wie für Magna, denn es ist weniger wichtig auf welches Firmenkonto das Geld überwiesen wird, als vielmehr was Bedingungen dafür sind.
Als Gegenleistung für Steuergelder müssen Bund und Länder reale Einflussmöglichkeiten erhalten und die Beschäftigten müssen beteiligt werden. Das war auch die Forderung des Opel-Betriebsrates. Keine öffentlichen Mittel ohne öffentliche Kontrolle und keine staatliche Subventionierung von Arbeitsplatzabbau.
Das VW-Gesetz in Niedersachsen zeigt, dass eine staatliche Beteiligung an Automobilherstellern möglich ist und funktioniert, sogar mit einer schwarz-gelben Regierung. Warum sollte das in Hessen nicht funktionieren?
Erst dann kann es ein dauerhaftes Konzept geben, das Opel nicht auf dem Rücken der Beschäftigten saniert, sondern ein neues Geschäftsmodell entwickelt.
Eine richtige Reaktion auf die Überproduktion auf den Weltmärkten ist eine Arbeitszeitverkürzung. Das ist sinnvoller und langfristig billiger, als wenn tausende Opelaner ihre Arbeitsplätze.

Ein Staatseinstieg bietet die Möglichkeit Einfluss auf die Geschäftspolitik zu nehmen. Wer die Produktionsmittel besitzt, bestimmt auch, was damit produziert wird, z.B. umweltfreundlichere Autos oder eben eine Alternativen zum Auto und zum Individualverkehr.
Opel könnte zu einem umweltfreundlichen Verkehrskonzern umgebaut und Vorreiter für den sozial-ökologischen Umbau der gesamten Verkehrsbranche werden. Diese Chance will die Bundesregierung nicht nutzen.

Die Regierungen haben versagt bei der Rettung von Opel. Jetzt sind die Beschäftigten gefragt sowie ihre Familien, Gewerkschaften und Gemeinden. Protest und Widerstand ist nötig gegen Arbeitsplatzabbau. Ich hoffe, dass in Rüsselsheim eine ganze Stadt aufsteht, für Rüsselsheim und alle anderen Standorte. Wir werden die Aktionen der Opelaner nach Kräften unterstützen, denn es kann nicht sein, dass die Arbeitnehmer jetzt wieder die Zeche zahlen müssen und dass die Sanierung auf dem Rücken der Beschäftigten vonstatten geht, die schon in den letzten Jahren enorme Einschnitte bei Opel hingenommen haben.