Für Demokratie und freie Bildung an Hessens Hochschulen!

Rede zur 2. Lesung des Hessischen Hochschulgesetzes

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

In der Anhörung zum Gesetzentwurf der Landesregierung wurde von allen Betroffenen Kritik geäußert, vor allem aber vonseiten der Studierenden und der Mitarbeiter. Herr Reißer und Herr Büger, wenn Sie heute sagen, es hätte keine Kritik vonseiten der Hochschulen gegeben, dann ist das Realitätsverleugnung, was Sie hier betreiben. Dann habe ich das Gefühl, Sie haben überhaupt nicht zugehört, was Ihnen die Menschen in dieser Anhörung gesagt haben.

Die Beschäftigten der TU Darmstadt, die vor dem Gebäude standen, waren nicht dazu da, um Sie zum TU-Darmstadt-Gesetz zu beglückwünschen. Es waren Beschäftigte, die demonstriert haben, die gegen das Gesetz waren. Die Studierenden, die vor zwei Tagen hier in der Bannmeile waren und zu denen Sie über Megafon gesprochen haben, Herr Reißer, waren auch – falls Sie es nicht mitbekommen haben – gegen das Gesetz. Das war keine Jubelveranstaltung für die Landesregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer wollte, konnte sich anhören, was die Studierenden zu sagen hatten und was ihre Forderungen sind. Die zuständige Ministerin wollte es nicht.

Schon in der ersten Lesung habe ich darauf hingewiesen, dass mit dem Gesetzentwurf die Entdemokratisierung und die Kommerzialisierung der Hochschulen vorangetrieben wird. Deswegen haben wir auch einen Änderungsantrag vorgelegt, der zur dritten Lesung eingebracht wird und der sich am Leitbild einer demokratischen Hochschule mit guten Lern-, Lehr-, Forschungs- und Arbeitsbedingungen orientiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu hat der Kollege Reißer eine Pressemeldung mit einem, wie ich finde, sehr denkwürdigen Titel für einen CDUler gemacht. Der Titel lautet: „Sommer, Sonne, Sozialismus – das reicht nicht“. – Damit haben Sie natürlich absolut recht, Herr Reißer, aber es ist doch ein Anfang, oder?

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir dachten uns, es müssen ja nicht immer Maximalforderungen sein. „Sommer, Sonne, Sozialismus“ – wir hören selten vonseiten der CDU, dass das, was wir fordern, nicht ausreicht.

Ich will zu einigen Punkten des Hessischen Hochschulgesetzes kommen. Unter dem Deckmantel der Autonomie – es wurde schon gesagt – wird die Entdemokratisierung der Hochschulen vorangetrieben. Im Gesetzentwurf werden die Kompetenzen des Hochschulrates wieder erweitert. Das lehnen wir ab, und das lehnt im Übrigen auch ein Großteil der Hochschulen ab. Das haben wir bei der Anhörung gehört.

Die Hochschulräte sind demokratisch nicht legitimiert. Sie sind niemandem rechenschaftspflichtig, und deshalb dürfen sie auch keine Entscheidungskompetenzen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Hochschulräte als Schnittstelle zwischen Hochschule und Gesellschaft sollen beratende Funktion haben, und deshalb müssen die Hochschulräte die Gesellschaft im Ganzen abbilden und dürfen nicht einseitig mit Wirtschaftsvertretern besetzt sein.

Wir lehnen es ab, dass das Ministerium seine Kompetenzen direkt an die Hochschulräte und damit an die Wirtschaft abgibt. Das ist nicht sinnvoll. Es ist sinnvoll, dass die Politik Einfluss auf das nimmt, was an den Hochschulen passiert. Wir wollen die Rechte der Studierenden stärken. Das bedeutet: Weg mit der 25-%-Klausel. Es ist ein völliger Irrsinn, die Mittel für die Studierendenvertretungen an die Wahlbeteiligung bei den Wahlen zum Studierendenparlament zu knüpfen. Man stelle sich einmal vor, das würden wir bei einer Bürgermeisterwahl machen. Wir haben in vielen Kommunen eine Wahlbeteiligung, die um und unter 25 % liegt. – Die Regelung im Gesetz ist irrsinnig. Natürlich müssen die Mittel an die gesetzlichen Aufgaben gebunden sein.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Ordnungsparagraf muss abgeschafft werden, weil er es den Präsidien ermöglicht, den politisch aktiven Studierenden mit Exmatrikulation zu drohen, wenn sie streiken oder Besetzungen machen. Das ist ein Einschüchterungsparagraf. Der muss gestrichen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich brauchen wir die gesetzliche Verankerung der ASten im Hochschulgesetz. Das ist überhaupt keine Frage. Das wollen die Studierenden auch so. Es ist wichtig, dass das da geregelt bleibt.

Keine Kommerzialisierung und Privatisierung an den Hochschulen. Wir lehnen den Drittmittelzwang ab, den Sie in das Gesetz geschrieben haben. Private Sponsoren dürfen keinen Einfluss auf Forschung und Lehre haben.

Wir wollen eine vollständige Gebührenfreiheit. Das gilt auch für den Verwaltungskostenbeitrag. Das ist nichts anderes als eine Studiengebühr. Das gilt auch für Gebühren für Gasthörer und für die Weiterbildung.

Gute Lehre braucht gute Arbeitsbedingungen an den Hochschulen. Ich bin der Meinung, dass die Übertragung der Dienstherren- und Tariffähigkeit auf die TU Darmstadt dazu nicht beitragen wird. Was soll das bringen, wenn die Technische Universität Darmstadt selbst Tarifverträge aushandeln soll? Das bringt Unruhe an den Hochschulen, die Sie sonst unbedingt immer verhindern wollen.

Die TUD hat auch gar keinen Spielraum, ernsthaft zu verhandeln, weil Sie ins Gesetz geschrieben haben: Auch wenn eine Tariferhöhung vereinbart wird, gibt es nicht mehr Geld. Das heißt also: Wenn die Technische Universität Darmstadt höhere Tarife abschließt, hat sie kein Geld und bekommt ein Problem mit dem Land; denn das Land sagt, es kann doch nicht sein, dass ihr den Mitarbeitern an eurer Hochschule mehr gebt als wir bei den Hochschulen des Landes. Wenn sie ihnen weniger geben will, hat sie ein Problem mit den Beschäftigten.

Das sehen wir gerade an der Stiftungsuniversität Frankfurt. Drei Jahre gibt es Verhandlungen, und drei Jahre gibt es keinen Tarifvertrag, – ein wirklich erfolgreiches Konzept, das Sie hier vorschlagen.

Und wenn die TUD ihren Beschäftigten genau das gleiche zahlt wie an den staatlichen Hochschulen, dann brauchen wir die Tariffähigkeit an der Technischen Universität überhaupt nicht.

Deshalb wollen wir – das fordert auch der Personalrat, das fordern die Gewerkschaften und die Beschäftigten – keinen Häuserkampf an den Hochschulen um Tarifverträge, sondern eine einheitliche Regelung. Deswegen sollen die Beschäftigten der Technischen Universität Darmstadt und auch die Beschäftigten der Stiftungsuniversität Beschäftigte des Landes sein und bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Sonderstellung der TUD und der Stiftungsuniversität Frankfurt führen zu einer weiteren Zersplitterung der Hochschullandschaft. Das ist nicht sinnvoll. Nehmen Sie deshalb die Proteste ernst, handeln Sie, und überarbeiten Sie den Gesetzentwurf. Nehmen Sie die Änderungsvorschläge in Ihren Gesetzentwurf auf. Da gibt es die Umstellung auf Bachelor und Master, mit Studiengängen, die hochproblematisch sind. Ich will Ihnen auch einmal sagen, dass sich die Zahl der Studierenden mit Depressionen in den letzten Jahren stark erhöht hat. Dazu gibt es Untersuchungen. Das liegt daran, dass sie jetzt mehr Wochenstunden haben.

Wir wissen auch, dass zwei Drittel aller Studierenden nebenher arbeiten müssen, um ihr Studium zu finanzieren.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb müssen die Studiengänge auf ihre Studierbarkeit überprüft werden. Wir fordern das Recht für alle Absolventen, ein Masterstudiengang anzufangen, wenn sie das möchten.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Hochschulgesetz wollen wir festlegen, dass private Hochschulen, die Studiengebühren erheben, nicht mit staatlichen Mitteln gefördert werden. Denn es ist absurd, dass die Hochschulen des Landes keine Studiengebühren erheben und man dann mit öffentlichen Mitteln Hochschulen fördert, die Studiengebühren von 10.000 € oder höher, erheben.

Wir wollen, dass zur Forschung auch die Verantwortung für Folgewirkungen gehört. Deswegen wollen wir im HHG festlegen, dass die Hochschulen dem Frieden und der Abrüstung verpflichtet werden und dass es keine Rüstungsforschung an hessischen Hochschulen gibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss, meine Redezeit ist auch abgelaufen.

Unser Antrag greift Forderungen der Studierenden auf. Er greift auch Forderungen der Gewerkschaften auf. Er kann vielleicht als eine Orientierungshilfe für die Frau Ministerin dienen. Deswegen bitte ich Sie: Nehmen Sie die Studierenden ernst. Nehmen Sie die Forderungen ernst, und tun Sie nicht so, als sei hier alles in Butter. Es ist nicht in Butter. Das haben die Proteste diese Woche gezeigt.

(Beifall bei der LINKEN)


Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Frau Ministerin, Sie haben ausgeführt, dass ich gesagt hätte, von allen Beteiligten habe es Kritik gegeben, und Sie meinten, da hätte ich mich versprochen. Frau Ministerin, das habe ich nicht. Ich habe in der Anhörung sehr genau zugehört. Vielleicht nehmen Sie Dinge, die Menschen sagen, nicht als Kritik wahr; Sie haben aber sicher gehört, dass beispielsweise alle Präsidenten, sowohl der Fachhochschulen als auch der Universitäten, gesagt haben, dass sie die Möglichkeit der Schaffung von Zwei-Klassen-Professuren – ich sage es einmal in meinen Worten – falsch finden, die Sie durch das Gesetz ermöglichen wollen. Nach Ihren Vorstellungen gibt es künftig Professoren, die Forschung und Lehre betreiben, und Professoren, die nur forschen. Das ist z. B. auch vom Präsidenten der Universität Frankfurt kritisiert worden, der klar gesagt hat, es gebe überhaupt keine Notwendigkeit, das zu tun, und Sie gebeten hat, das zu ändern. Er hat gesagt, es sei in der Praxis überhaupt nicht sinnvoll, Forschung und Lehre zu trennen.

Zum Thema Hochschulräte wurden von den Präsidenten ebenfalls sehr kritische Stimmen laut. Sie haben gesagt, sie arbeiten gern mit dem Hochschulrat zusammen, solange das ein Beratungsgremium sei, und sie möchten nicht, dass er eine Entscheidungskompetenz bekomme.

Frau Kühne-Hörmann, als Drittes möchte ich darauf hinweisen, dass die Hochschulen mehr sind als die Präsidenten.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann natürlich sagen, dass der Präsident für die Hochschule spricht, aber die Hochschulen bestehen aus vier Statusgruppen, und deshalb sollten Sie auch dann sehr genau hinhören, wenn die Studierenden etwas sagen, wenn die Professoren etwas sagen, wenn die wissenschaftlichen Mitarbeiter etwas sagen und wenn das administrativ-technische Personal etwas sagt. Frau Ministerin, die Kritik der Personalräte, der Gewerkschaften und der Studierendenvertretungen können Sie nicht einfach wegreden.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)