Rede zum Chaos bei der Hochschulzulassung
Es ist nicht ungeschickt vonseiten der Landesregierung, im Windschatten des Hochschulgesetzes diesen Staatsvertrag samt Begleitgesetz durch den Landtag zu bringen – in der Hoffnung, damit ohne großes Aufsehen die Regelungen zur Hochschulzulassung massiv zu verändern.
Herr Büger, ich will Ihnen auch einmal sagen: Wir sind im Gegensatz zu Ihnen der Meinung, dass sich die Studenten die Hochschule aussuchen sollten und nicht umgekehrt.
(Beifall bei der LINKEN)
Ja, es gibt Handlungsbedarf. Wir erleben derzeit ein Chaos bei der Studienplatzvergabe. Angehende Studierende bewerben sich an immer mehr Hochschulen für immer mehr Fächer, damit sie überhaupt irgendwo unterkommen. Das führt zum Chaos, weil die Hochschulen Bewerbern absagen, aber andere Bewerber, die für das Hochschulstudium zugelassen sind, an dieser Uni nicht anfangen, weil sie eben nur einen Studienplatz annehmen können. Das führt dazu, dass Plätze frei bleiben und trotzdem Bewerberinnen und Bewerbern abgesagt wird, weil es eben keine koordinierte Vergabe von Studienplätzen gibt.
Eine Internetbörse, die es jetzt geben soll, kann dieses Chaos nicht im Geringsten beheben. Denn der Kern des Problems ist doch, dass zu wenige Studienplätze zu vielen Bewerbern gegenüberstehen. Das ist doch das Problem, das wir ändern müssen, und nicht, möglichst effektiv den Mangel zu verwalten.
Ich will noch einmal feststellen, dass die Beschränkung des Hochschulzugangs ein Eingriff in das Grundrecht auf freie Berufswahl ist. Das Bundesverfassungsgericht hat 1972 in seinem Urteil festgestellt, dass zum Grundrecht auf freie Berufswahl eben auch das Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium gehört. Das ist ein Recht, das man eben nicht beliebig einschränken kann, schon gar nicht per Satzung der Hochschule.
Die Landesregierung hat im Begleitgesetz festgelegt, dass die hessischen Hochschulen neben der Abiturnote ein weiteres Auswahlkriterium bei der Zulassung berücksichtigen müssen – so viel zur Autonomie. Das ist wohl eher Zwangsbeglückung. Das weitere Kriterium können Auswahlgespräche sein, es können Studierfähigkeitstests sein. Das wurde in der Anhörung kritisiert, und es ist auch hoch problematisch. Denn es stellt sich die Frage: Wie soll das denn, bitte schön, bei gleichbleibendem Personal zu leisten sein? Wer soll denn Auswahlgespräche führen? Das können doch nur die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder sogar die Professoren. Wer soll solche Gespräche führen? Wer soll die ganzen Daten denn verarbeiten, wenn es nicht mehr Personal an der Hochschule gibt? Es kann nicht in unserem Sinne sein, dass das Personal an den Hochschulen, statt sich um Forschung und Lehre zu kümmern, mit der Zulassung und Bürokratie beschäftigt ist, wo Sie doch sonst immer Bürokratie abbauen wollen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Solche Gespräche bergen die Gefahr von Willkür – Angela Dorn hat darauf hingewiesen –, weil es keine Transparenz gibt. Es gibt keine bundesweite Vergleichbarkeit. Alles beruht auf der subjektiven Einschätzung des Menschen, der das Gespräch mit dem Bewerber führt, und das ist ein Problem.
Die Frage ist: Was heißt das eigentlich für die Schulen, und was sind die Auswirkungen auf die Schulen? Wenn sich die Schüler im Abschlussjahr Auswahltests und Studierfähigkeitstests unterziehen müssen, dann heißt das, dass sie in der ganzen Bundesrepublik hin- und herreisen müssen. Sie brauchen zwei Wochen schulfrei, oder die Schulen müssen sie dafür freistellen. Wer trägt die Kosten für den ganzen Testtourismus? Das ist auch nicht geklärt. In der Anhörung wurde das Vorhaben deswegen treffend als „Konjunkturprogramm für die Testindustrie“ bezeichnet.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, es ist absolut absurd: Sie wollen viel Geld für unsinnige und zweifelhafte Testverfahren ausgeben, um Menschen vom Studium abzuhalten, statt das Geld zu nehmen, um die Kapazitäten auszuweiten und Studienplätze zu schaffen. Damit wäre das Geld nämlich sehr viel besser angelegt als darin, Menschen vom Studium abzuhalten.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Zahl der Studienplätze muss sich an den Bedürfnissen orientieren. Der Bund hätte die
Möglichkeit, hier aktiv zu werden – nicht durch einen Staatsvertrag, sondern durch ein bundesweites Hochschulzulassungsgesetz. Damit könnte das Zulassungschaos beendet werden. Damit könnte man auch die Öffnung der Hochschulen für Menschen mit beruflichen Qualitäten – die immer wieder von der Industrie- und Handelskammer gefordert werden – durchaus in einem Bundesgesetz regeln.
Meine Damen und Herren, daher wird DIE LINKE diesen Staatsvertrag und auch das Begleitgesetz ablehnen. Unserer Meinung nach ist das auch nicht irgendwie zu verschlimmbessern. Es ist im Kern völlig falsch. Wir sind der Meinung, man muss die Kapazitäten ausweiten, statt den Mangel zu verwalten. – Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)