Rede zum Streit um den Hessischen Kulturpreis

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

der Streit um die Verleihung des Hessischen Kulturpreises 2009 war peinlich und unwürdig. Da will Ministerpräsident Koch einen Preis für religiöse Toleranz vergeben und scheitert an seiner eigenen Intoleranz.

Noch immer schweigt sich die Landesregierung darüber aus, wie es zu der Aberkennung des Preises an Navid Kermani kommen konnte. Die Landesregierung allen voran der Ministerpräsident stiehlt sich aus der Verantwortung und das ist erbärmlich.
Der Hessische Kulturpreis ist ein Preis des Landes Hessen, deshalb muss Roland Koch, als Vorsitzender des Kuratoriums, die Verantwortung übernehmen anstatt sich feige wegzuducken. Geben Sie den Fehler zu und entschuldigen Sie sich endlich.
Der Streit ist nicht nur peinlich, er hat Schaden angerichtet, allen voran bei den
Musliminnen und Muslimen, die das Gefühl bekommen mussten, sie werden nicht gleichberechtigt auf Augenhöhe behandelt.
An die Muslime, die seit dem 11. September 2001 vielerorts unter Generalverdacht stehen, die im Zuge von vermeintlicher Terrorismusbekämpfung in Rasterfahndungen geraten und verstärkt religiösen und rassistischen Vorurteilen ausgesetzt sind, muss ein anderes Signal gesendet werden.
Der Preis ist missbraucht worden ist als Sanktion gegen missliebige Meinungsäußerung und das schadet dem Preis nachhaltig.

Es ist zudem der Eindruck entstanden, es seien Kardinal Lehmann und Dr. Steinacker gewesen, die den Ministerpräsidenten zur Aberkennung des Preises bewegt haben, weil sie Vorbehalte gegen Kermani als Preisträger hatten. Kardinal Lehmann hat mittlerweile mehrmals erklärt, dass er nicht auf eine Aberkennung des Preises hingewirkt hat. Aber der Verdacht steht weiterhin im Raum, deshalb muss die Landesregierung aufklären und klarstellen, wie es zu der Abererkennung des Preises kam.
Auch das Kuratorium, das entweder völlig überfordert war oder die fatale Entscheidung mitgetragen hat, muss hinterfragt werden.

Aufgrund der Unfähigkeit der Landesregierung mussten die Preisträger selbst das Problem lösen und die Preisverleihung retten, ein Armutszeugnis. Die vier designierten Preisträger haben sich zusammengesetzt und in einem zweistündigen Gespräch konnten die Missverständnisse ausgeräumt werden. In zwei Stunden konnten die Preisträger ausräumen, was die Hessische Landesregierung in drei Monaten nicht schaffte. Da stellt sich die Frage, wer das größte Hindernis für den interreligiösen Dialog in diesem Land ist.
Dieses Missverständnis auszuräumen wäre die Aufgabe des Ministerpräsidenten und der Staatskanzlei gewesen.
Stattdessen haben Sie es vorgezogen, den Vertreter der Muslime kurzerhand von der Liste zu streichen – ohne ihn für würdig zu befinden, ihn über diese Entscheidung rechtzeitig in Kenntnis zu setzen!
Die Form, in der Kermani der ihm verliehene Kulturpreis entzogen wurde, spottet nicht nur jeder Form von Höflichkeit, sie ist eine beispiellose politische Dummheit und auch integrationspolitisch ein Desaster.
Auch der stellvertretende Ministerpräsident und Integrationsminister erklärte, er halte die Entscheidung „für nicht klug“, sie habe „der Integration in unserem Land geschadet.“ Da hat er ja mal Recht.

Es bleibt schwer vorstellbar, wie der Ministerpräsident Navid Kermani den Kulturpreis überreicht, nach allem, was passiert ist. Die Frankfurter Rundschau gab ihm den Rat, eine Bußrede als Laudatio zu halten. Buße wäre in der Tat angebracht. Aber vielleicht hofft der Ministerpräsident darauf, dass ihm die unangenehme Preisverleihung erspart bleibt und er sich doch noch vorher nach Berlin absetzen kann, auf zu neuen Peinlichkeiten.

Sie haben die Gelegenheit vertan, ihrem Image einen neuen toleranten Anstrich zu verpassen. Navid Kermani sagte dazu „Kochs Versuch, sich durch die Vermittlerrolle im interreligiösen Dialog von früheren 'schmutzigen Wahlkämpfen reinzuwaschen' [...] sei 'gründlich in die Hose gegangen'“.
Die hessische CDU bleibt verbunden mit dem Kampf für die Leitkultur, ausländerfeindlichen Wahlkämpfen und dem Anheizen gefährlicher Stimmungen. Sie schüren immer wieder ganz bewusst Ängste und Vorurteile.

Deutschland und Hessen sind multikulturell und multireligiös. Sie täten gut daran, sich dieser Realität zu stellen und am offenen und toleranten Miteinander der Kulturen zu arbeiten.
Sonst verkommen Integrationskonferenzen nur zu aufwendigen PR Inszenierungen, denn die schönsten Ehrungen und Konferenzen helfen nichts, wenn dem keine Taten folgen, um den Dialog zwischen den Religionen und die Integration voranzubringen