Für ein Hessisches FAIRgabegesetz
Herr/Frau Präsident/in, meine Damen und Herren,
die öffentliche Hand ist der wichtigste Auftraggeber der Privatwirtschaft. Bundesweit vergeben öffentliche Stellen Aufträge mit einem Gesamtwert von über 300 Milliarden Euro jährlich, das sind 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Die Krise und die Konjunkturprogramme verstärken die wirtschaftspolitische Bedeutung des Staates. Deshalb ist es gerade jetzt nötig, die Vergabe öffentlicher Aufträge an klare Anreize zu koppeln und die Vergabepraxis an sozialen und ökologischen Standards auszurichten. Das haben wir als LINKE schon anlässlich des hessischen Konjunkturpaketes gefordert. Wir dürfen nicht zulassen, dass mit öffentlichen Geldern Lohndumping, Kinderarbeit oder vermeidbare Umweltzerstörung finanziert werden.
Das bestehende Hessische Vergabegesetz ist unverbindlich, ist bestimmt von Kann- und Soll-Vorgaben, die weder die Auftragnehmer noch die öffentlichen Auftraggeber verpflichten.
Das fängt schon damit an, dass ein Schwellenwert von 50.000 Euro festgesetzt wird, der sicherstellt, dass ein Großteil der öffentlichen Aufträge von dem Gesetz gar nicht erst erfasst wird.
Wir schlagen10.000 Euro als Schwellenwert vor, damit nicht jede Bleistiftanschaffung überprüft werden muss, aber auf jeden Fall alle bedeutenden Aufträge, insbesondere Bauaufträge in den Anwendungsbereich fallen.
Unser Gesetzentwurf orientiert sich an Kriterien für eine faire Vergabe: fair gegenüber Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Löhne erhalten sollen, die zum Leben reichen. Fair gegenüber den Sozialversicherungen, die vom Anwachsen des Niedriglohnsektors überfordert werden. Fair gegenüber den Produzenten importierter Waren. Der Import und die Verwendung von Waren, die unter Missachtung der ILO-Kernarbeitsnormen hergestellt wurden, soll ausgeschlossen werden. Diese Normen der Internationalen Arbeitsorganisation beziehen sich auf das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit und auf grundlegende gewerkschaftliche Rechte. Die Bundesrepublik hat sich verpflichtet, diese Regelungen durchzusetzen.
Und wir wollen eine Vergabepraxis, die fair gegenüber den kommenden Generationen und unserer natürlichen Umwelt ist, indem sie ökologische Mindeststandards festsetzt. Das sind die zentralen Punkte, es wird Zeit, sie in Hessen in die Praxis umzusetzen.
Rüffert
Voriges Jahr hat der Europäische Gerichtshof das so genannte Rüffert-Urteil ausgesprochen und das Vergabegesetz des Landes Niedersachsen gekippt, weil dessen Tariftreueklausel nicht mit dem Wettbewerbsrecht der Europäischen Union in Übereinklang zu bringen sei. Der EuGH hat damit ein skandalöses Urteil gefällt und die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern - aber auch der öffentlichen Hand - an Existenz sichernden Löhnen der europäischen Dienstleistungsfreiheit untergeordnet. Letztlich ist Rüffert eine Aufforderung an die Bundesregierung, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Aber auch nach Rüffert gibt es Spielräume, um der schleichenden Unterhöhlung der Flächentarifverträge entgegenzuwirken und das Abrutschen der Löhne zu bremsen. Hamburg und Niedersachsen, zwei Länder, in denen die CDU mitregiert, haben neue, EU-konforme Vergabegesetze verabschiedet.
Nach bestehender Rechtslage können Tariftreueerklärungen nur noch für Betriebe gelten, die durch das Arbeitnehmerentsendegesetz erfasst sind, oder für allgemeingültig erklärte Tarifverträge. Unsere Formulierung lässt ausdrücklich Raum für einen kommenden gesetzlichen Mindestlohn – der als Untergrenze gelten soll und dann Bestandteil des Gesetzes werden würde.
ÖPNV
Der Verkehrsbereich wird von den europäischen Regeln für einen liberalisierten Wettbewerb ausdrücklich ausgenommen, um ihn nicht den Risiken einer deregulierten Konkurrenz auszusetzen. Verkehr ist für einen offenen Markt unerlässlich. Die Erfahrungen mit der Privatisierung zum Beispiel der britischen Eisenbahnen haben gezeigt, dass es katastrophale Folgen haben kann, wenn man die staatliche Verantwortung für diesen wirtschaftlich bedeutsamen Bereich an Private abtritt. Daher sind auch die Deregulierungen bei den Lohnstandards im Verkehrsbereich begrenzt, und es ist – auch nach Rüffert – möglich, die Einhaltung ortsüblicher Tarife zu fordern. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der immer härter werdende Wettbewerb im öffentlichen Nahverkehr nicht über das Absenken der Löhne und damit auf dem Rücken der Arbeitnehmer geführt wird.
Mittelstand
Wir wollen Regelungen zur Mittelstandsförderung einführen, denn kleine und mittelständische Unternehmen sind für die meisten Arbeits- und Ausbildungsplätze verantwortlich und ein wichtiger Faktor für die gesamte Volkswirtschaft. Bei öffentlichen Ausschreibungen ziehen sie oft den Kürzeren, weil die Verfahren zu kompliziert und die Aufträge zu groß sind.
Deshalb sollen öffentliche Aufträge grundsätzlich aufgestückelt werden, statt Großaufträge nur en bloc zu vergeben, so dass sich nur Unternehmen einer entsprechenden Größe an der Ausschreibung beteiligen können. Und wir wollen die Verfahren transparenter machen unter anderem durch einen jährlichen Vergabebericht.
Die Stellungnahme des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks zum Entwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Vergaberechts zeigt, welche Bedeutung das Handwerk einer solchen Novellierung beimisst. Es gibt wohl niemanden im Raum, der nicht schon erklärt hätte, wie sehr ihm der Mittelstand am Herzen liege. Im Hessischen Vergabegesetz von 2007 hat sich diese Zuneigung nicht niedergeschlagen. In unserem Entwurf schon.
Ausbildung
Die hessischen Unternehmen kommen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nach, genügend Ausbildungsplätze anzubieten, um allen Bewerberinnen und Bewerbern gerecht zu werden und eine Auswahlmöglichkeit zu bieten, wie sie das Grundrecht auf freie Berufswahl vorschreibt. Deshalb wollen wir die Unternehmen durch einen positiven Anreiz an ihre Verantwortung für die nächste Generation erinnern. Betriebe, die sich an der volkswirtschaftlich notwendigen Ausbildungsquote von sieben Prozent orientieren, müssen bei der Vergabe bevorzugt werden. Die bisherige Regelung formuliert lediglich eine freundliche Aufforderung und bleibt daher unverbindlich.
Kontrolle
Es ist ein Widerspruch, sich einerseits als Law and Order-Partei zu präsentieren, andererseits aber die Einhaltung von Gesetzen nur halbherzig zu überwachen, wenn sie Unternehmen betreffen.
Es ist klar, dass eine durchgängige oder flächendeckende Kontrolle nicht möglich ist. Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen aber, dass auch durchgeführte Stichproben Wirkung zeigen, diese Erfahrungen wollen wir berücksichtigen.
Die Regeln, nach denen öffentliche Aufträge vergeben werden, haben Auswirkungen auf das gesamte Wirtschaftsleben. Wenn wir hier ansetzen, können wir Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bemühen, dazu bringen, soziale und ökologische Mindeststandards einzuhalten. Wir können gezielt Betriebe bevorzugen, die Ausbildungsplätze anbieten und die Gleichstellung von Frauen und Männern voranbringen. Und die öffentliche Hand soll nur Produkte einkaufen, die nach ökologischen Standards hergestellt und entsorgt werden. So könnte das Land einen greifbaren Beitrag zum Umweltschutz leisten, ein Anliegen zahlreicher Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisationen.
Sie sind in den Wahlkampf gezogen, um für jeden Arbeitsplatz zu kämpfen. Hier ist eine Gelegenheit, den Plakaten Taten folgen zu lassen und Lohndumping und der Verdrängung mittelständischer Betriebe durch Billigkonkurrenz entgegenzuwirken. Unterstützen Sie faire Vergaberegeln in Hessen.