Kita-Streik - Arbeitsbedingungen bei der sozialen Arbeit verbessern!
Herr/Frau Präsident/in, meine Damen und Herren,
seit sechs Wochen streiken die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst für besseren Gesundheitsschutz und eine angemessene Bezahlung.
Sie setzen sich dabei nicht nur für die Anliegen von 220.000 Beschäftigten bundesweit ein, sondern auch für die Interessen der Eltern und natürlich der Kinder, die in Kindertagesstätten und Kindergärten versorgt werden. Deshalb gibt es trotz erheblicher Einschränkungen Verständnis von Seiten der Eltern und große Sympathien für die Streikenden in der Öffentlichkeit.
Am Montag kamen in Köln über 30.000 Erzieherinnen, Sozialarbeiter und Sozialpädagogen zu einer Kundgebung zusammen.
Die Forderungen der Streikenden sind richtig und berechtigt. Es geht ihnen um eine Höhergruppierung der Erzieherinnen und Erzieher, die dem veränderten Leistungsprofil entsprechen soll. Seit der letzten Festlegung der Eingruppierungen im Jahr 1990 sind fast 20 Jahre vergangen. Seither haben sich der Arbeitsalltag und die Anforderungen an die vorschulische Bildung und Betreuung enorm verändert. Das lebenslange Lernen, das von den Regierungen seit Jahren eingefordert wird, soll schon im Kleinkindalter beginnen. Aber das Verständnis des Erzieherberufes, dem die kommunalen Arbeitgeber weiterhin anhängen, ist geprägt vom Bild einer „Basteltante", wie Sybille Lust, von ver.di Hessen, es formulierte. Es handelt sich um einen typischen Frauenberuf, und dementsprechend sieht auch die Entlohnung aus. Als Einstiegsgehalt winken den Berufanfängerinnen etwas über 2.000 Euro brutto. Auch langjährig Beschäftigte gelangen nicht über ein Bruttogehalt von unter 2.500 Euro brutto hinaus. Und dieses Vollzeitgehalt erhalten nur Wenige, denn über 60% arbeiten in Teilzeit für weit weniger Geld.
Und das nach einer bis zu fünfjährigen Ausbildung, in einem Beruf, der erhebliche Anforderungen und Belastungen mit sich bringt.
Die zweite Forderung der Streikenden gilt dem Gesundheitsschutz. Untersuchungen in Kindertagesstätten haben ergeben, dass der Geräuschpegel in den Arbeitsräumen bis zu über 100 Dezibel betragen kann. Das ist die Lautstärke, die man wahrnimmt, wenn ein Flugzeug in hundert Meter Entfernung abhebt. Erzieherinnen und Erzieher müssen den Lärm täglich acht Stunden und mehr ertragen, er gehört zu ihrem Arbeitsalltag - und zum Alltag der heranwachsenden Kinder, die sie betreuen. Dieser Lärmpegel steht im Zusammenhang mit den großen Gruppengrößen in Kitas, die auch durch den Personalmangel bedingt sind. Die Kommunalen Arbeitgeber stellen zu wenig qualifiziertes Personal in dem Bereich ein, um Geld zu sparen. Und wenn Stellen ausgeschrieben werden, ist es zum Teil schwierig, sie zu besetzen, weil die zu erwartenden Gehälter so niedrig sind, dass nur wenige junge Menschen im sozialen Bereich seine Zukunft sehen wollen.
Diese Politik kann nicht die Zukunft weisen. Man zehrt derzeit von der Substanz - auf Kosten der Beschäftigten, von denen 85 Prozent bereits an stressbedingten Gesundheitseinschränkungen leiden, und auf Kosten der Kinder, der heranwachsenden Generation, die immer gern herangezogen wird, um soziale Einsparungen und Schuldenbremsen durchzusetzen. Ihre Betreuung und die Förderung ihrer Fähigkeiten überlässt man aber einer zu geringen Zahl schlecht bezahlter und in wachsendem Maße überarbeiteter Fachkräfte. Hier sollten wir mal von Generationengerechtigkeit sprechen.
Die Leiterin eines Kindergartens beschreibt die Situation in einem Presseinterview so:
„Ich mache mir große Sorgen, wo wir unter diesen schlechten Arbeitsbedingungen und der schlechten Bezahlung den Nachwuchs herbekommen sollen. Dabei ist der Beruf wunderbar. Auch nach all den Jahren gibt es nichts Spannenderes als ein Kind ein Stück auf seinem Lebensweg zu begleiten. Das ist ein unglaublicher Reichtum."
Sie erzählt, dass der Streik und die große Solidarität Mut gemacht hat:
„Jetzt endlich bewegen wir etwas. Es muss sich was bewegen. Und wir Frauen kriegen das jetzt hin. Ich möchte vor allem den jungen Kolleginnen zeigen: Wir können etwas tun für unsere Zukunft."
Die Beschäftigten im Erziehungsdienst - größtenteils Frauen - sollten für ihre Arbeit mehr Wertschätzung erfahren, durch mehr Geld und durch bessere Bedingungen, denn sie sind Leistungsträger in dieser Gesellschaft und zwar in sehr viel höheren Maße als die Menschen, die die FDP normalerweise darunter versteht.
Ähnliches gilt für die anderen sozialen Bereiche, die sich im Arbeitskampf befinden. Zunehmende soziale Not, Mängel in der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, Arbeits- und Perspektivlosigkeit in den Wohnbezirken, die sich zu so genannten sozialen Brennpunkten entwickelt haben die Anforderungen und die Verantwortung der Beschäftigten enorm erhöht.
„Auch wenn ich 16 Stunden am Tag arbeiten würde, könnte ich nicht fertig werden", hat es eine Kollegin formuliert. Jugendämter und Sozialstationen sind hoffnungslos überfordert, gerade angesichts der enorm gestiegenen Armut durch Hartz IV. Auch diese Einrichtungen und die dort arbeitenden Menschen müssen besser gewürdigt und entsprechend personell ausstattet und entlohnt werden.
Die kommunalen Arbeitgeber haben in den laufenden Verhandlungen eine Gelegenheit, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Berufe im Sozial- und Erziehungsdienst aufgewertet und somit attraktiver werden. Wir wissen alle um die finanzielle Situation der Kommunen. Sie ist Resultat einer ungerechten Steuerpolitik. Auch im Interesse eines verbesserten Sozial- und Erziehungsdienstes ist daher ein Umlenken in der Steuerpolitik dringend geboten, damit die Kommunen handlungsfähiger werden und ihre kommunalen Beschäftigten besser entlohnen können.
Wie die Schüler und Studierenden gestern auf einer der hessischen Demonstrationen zum Bildungsstreik richtig festgestellt haben: Wenn der Staat Milliarden für die Banken bereitstellt, muss auch für die junge Generation, für Bildung und Kinderbetreuung, Geld da sein.