Gegen die Rente ab 67 - Wiederherstellung der gesetzlichen Rentenversicherung

Rede zur aktuellen Stunde der SPD „Deutsche Sozialversicherung sicher in der Krise - der Generationenvertrag für die Rente hält!"

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,

Kurz vor der Bundestagswahl entdeckt die SPD die Rente wieder. Im letzten Wahlkampf lautete das Versprechen – ich zitiere aus Ihrem Wahlprogramm –: „Unser Ziel ist es, das faktische Renteneintrittsalter an das gesetzliche Eintrittsalter von 65 Jahren heranzuführen.“

(Demonstrativer Beifall bei der SPD)

Herr Spies, daraus wurde nach der Wahl die Rente mit 67 Jahren. Diesmal verspricht die SPD, dass die Renten nicht gekürzt werden, und es gibt, nach jahrelangen Nullrunden, noch vor der Wahl eine Rentenerhöhung. Allerdings ist das in der SPD nicht unumstritten, was die Einhaltung des Versprechens nicht wahrscheinlicher macht. Thilo Sarrazin, der immerhin bis vor zwei Wochen SPD Finanzsenator war,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In welcher Koalition eigentlich, Frau Kollegin? Wer hat denn den Herrn Sarrazin gewählt? – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): DIE LINKE hat ihn gewählt!)

äußerte im „Stern“, die Deutschen müssten sich auf sinkende Renten einstellen. Langfristig müssten die Renten – ich zitiere – „auf das Niveau einer Grundsicherung sinken“. Die bevorstehenden Rentenerhöhungen im Juli beurteilt er als eine „völlig unsinnige Maßnahme“. Dadurch würden die Altersbezüge übermäßig erhöht. Das sagt ein Mann, der als Senator 46 Nebentätigkeiten ausübte.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gewählt von der Linkspartei!)

Heute beklatschen Sie eine Rentenpolitik, die für die Menschen größere finanzielle Belastungen und ein höheres Risiko der Altersarmut bedeutet. Weder in den Gewerkschaften noch im Rest der Bevölkerung hat sich die Zustimmung zu Ihren Rentenkürzungen der vergangenen Jahre erhöht. Gerade in der Finanzkrise zeigt sich, es ist eben irrsinnig, dass die Menschen ihre Vorsorge für das Alter an den internationalen Finanzmärkten treffen müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Viele Riester-Sparer, viele Rentner und viele Kleinanleger haben im Zuge des Zusammenbruchs des Finanzsystems ihre Ersparnisse verloren. Die Teilprivatisierung der Rente verstärkt das Risiko der Altersarmut. Der DGB und die Wohlfahrtsverbände sind dieser Meinung. Die Deutsche Rentenversicherung hat vorgerechnet, dass das Riestern der Mehrzahl der heutigen Sparer nichts einbringen wird. Herr Spies, ich freue mich sehr, dass die hessische SPD – offensichtlich in Opposition zur Bundes-SPD – das genauso sieht.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach Angaben des Paritätischen Wohlfahrtsverbands wird das Durchschnittsrentenniveau im Jahr 2022 unter das Niveau der Grundsicherung fallen. Anhaltende Massenarbeitslosigkeit, die Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse und sinkende Löhne führen bei immer mehr Erwerbstätigen zu wachsenden Lücken in ihrer Erwerbsbiografie und zu fehlenden Beitragszeiten.

(Unruhe)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:
Frau Kollegin Wissler, entschuldigen Sie bitte kurz. – Ich darf Sie bitten, sich im Saal etwas ruhiger zu verhalten und Ihre Gespräche einzustellen. Das ist gerade sehr störend für die Rednerin. Vielen Dank. Die Rednerin hat das Wort.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das können wir in der nächsten Runde besprechen, Frau Wissler!)

Janine Wissler (DIE LINKE):
Die Versicherten sollen diese Kürzungen bei den gesetzlichen Renten durch mehr private Vorsorge, also durch das Riestern, ausgleichen. Aber ich frage Sie: Was ist mit den Erwerbslosen? Was ist mit den Geringverdienern? Wie sollen die das denn machen?

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es droht eine massenhafte Wiederkehr der Altersarmut. Hartz IV verschärft das noch; denn durch Hartz IV werden die Menschen gezwungen – völliger Irrsinn –, ihre private Altersvorsorge aufzulösen, bevor sie einen Antrag auf Arbeitslosengeld II stellen können.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Was schlagen Sie denn konkret vor?)

Sie begründen das immer mit der demografischen Entwicklung. Die sagt aber über die finanzielle Tragfähigkeit der Sozialversicherung gar nichts aus. Die Beiträge werden nämlich nicht nach der Zahl der Köpfe erhoben, sondern auf der Grundlage sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Arbeitsproduktivität, Beschäftigungsstand und Lohnentwicklung sind die maßgeblichen Faktoren. Im Jahr 1800 ernährten drei Bauern einen Städter. – Schade, dass Herr Heidel nicht anwesend ist. – Heute ernährt ein Bauer mindestens 70 Menschen. Das hat etwas mit der steigenden Produktivität zu tun. Deutschland hat eine der höchsten Produktivitätsraten. Die Produktivität steigt weiter, sogar schneller als Löhne und Gehälter. Es werden also immer weniger Menschen gebraucht, um immer mehr Güter herzustellen, und deshalb muss es möglich sein, die wöchentliche und die Lebensarbeitszeit zu verringern und gleichzeitig den Lebensstandard zu halten.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei 4 Millionen Arbeitslosen, hoher Jugendarbeitslosigkeit und angesichts der Tatsache, dass viele Menschen über 50 Jahre leider kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, erhöhen Sie das Renteneintrittsalter. Was für ein Irrsinn. Die Rente mit 67 Jahren stellt eine weitere Rentenkürzung dar. Ein Arbeitnehmer, der mit 63 Jahren nicht mehr arbeiten kann und in Rente geht, muss heute einen Abschlag in Höhe von 7,2 % hinnehmen. Künftig müsste er einen Rentenabschlag von 14,4 % hinnehmen. Ihr Ziel ist es offensichtlich, die gesetzliche Rente so weit zu kürzen, dass die Menschen gezwungen sind, privat vorzusorgen. Sie machen eine Politik zugunsten der Versicherungskonzerne und der Unternehmer.

(Beifall bei der LINKEN – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo ist der Vorschlag der LINKEN?)

Jetzt loben Sie einen Generationenvertrag, den Ihre Bundesregierung nach Kräften zermürbt hat. Wer ein Leben lang gearbeitet hat, muss im Alter in Würde leben können. Deshalb müssen die Renten wieder steigen. Eine gesetzliche Rente könnte funktionieren. Wir brauchen endlich wieder eine Reallohnsteigerung und damit höhere Beiträge. Wir brauchen eine gesetzliche Rente, die sich auf alle Erwerbstätigen erstreckt, auch auf die Selbstständigen, auf die Beamten sowie auf die Politikerinnen und Politiker; denn wir sind nicht von dem betroffen, was hier beschlossen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:
Frau Kollegin Wissler, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.


Janine Wissler (DIE LINKE):
Frau Präsidentin, ich komme zum letzten Satz. – Auf diese Weise würde mehr Geld in die Rentenversicherung eingezahlt werden. Das könnte gerechter verteilt werden, damit kein Mensch im Alter gezwungen ist, von weniger als 800 Euro im Monat zu leben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:
Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Banzer das Wort.


(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Woher kommt das Geld, das ihr verteilen wollt? Auch von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern!)