Bildung ist Menschenrecht - mehr Geld für Hochschulen

Rede zum Haushaltseinzelplan Wissenschaft und Kunst 

Herr Präsident, meine Damen und Herren!


Bevor ich zu den schnöden Zahlen komme, möchte ich ein Zitat anbringen, das meiner Meinung nach das Leitmotiv der Bildungspolitik sein sollte.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

– Herr Reif, Sie müssen nicht hyperventilieren. Es handelt sich nur um Konfuzius. Er hat lange vor Marx gelebt.

(Clemens Reif (CDU): Er ist also kein Marxist?)

– Herr Reif, es ist eine hochphilosophische Frage, ob Konfuzius Marxist war.

(Clemens Reif (CDU): So etwas könnte man ausdiskutieren!)

– Man hat mir gesagt, ich hätte noch 23 Minuten Redezeit. Provozieren Sie mich also nicht. Ich hätte große Lust, zu dieser Frage einige philosophische Ausführungen zu machen.

(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Ich werde Ihnen demnächst im Ausschuss das Wort geben! Dann können wir weiter darüber sprechen!)

Konfuzius sagte – es ist schon eine Weile her –:
„Bildung soll allen zugänglich sein. Man darf keine Standesunterschiede machen.“

Kommen wir jetzt zur bundesdeutschen Realität. Ich habe ein weiteres Zitat:
„Ich habe das Gefühl, dass sich das deutsche Bildungssystem nicht darauf konzentriert, alle einzubeziehen, sondern dass es eher Trennungen schafft.“
Dieses Zitat stammt vom UN-Sonderberichterstatter und Bildungsexperten Villalobos. Das sagte er – sehr treffend, wie ich finde – über das deutsche Bildungssystem. Das deutsche Bildungssystem ist nämlich selektiver als die Bildungssysteme vieler anderer Industriestaaten. Kinder aus reichen Familien haben ungleich bessere Chancen als Kinder aus armen Familien. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat diese Bildungspolitik einmal sehr treffend mit dem Schlagwort „Fördern statt Auslesen“ umschrieben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Land Hessen hat im letzten Jahr einen großen Schritt zu mehr Chancengerechtigkeit gemacht.
Sie müssen nicht erschrecken; Sie haben nichts dazu beigetragen. Hessen hat nämlich als erstes Bundesland die Studiengebühren wieder abgeschafft.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das ist ein großer Erfolg der Studierendenbewegung und ihrer gesellschaftlichen Verankerung sowie der breiten gesellschaftlichen Unterstützung, die sich in über 80.000 Unterschriften zur Volksklage ausgedrückt hat. Studiengebühren, egal in welcher Form, sind zutiefst ungerecht,
auch nachgelagerte Studiengebühren, wie wir sie in anderen Bundesländern haben. Sie schrecken die Menschen vom Studium ab. Sie treffen nicht nur die Studierenden, sondern vor allem die Familien, die sich finanziell einschränken müssen, um ihren Kindern ein Studium zu
ermöglichen.
Deshalb sage ich: Der Zugang zur Bildung muss vom Status und vom Geldbeutel der Eltern unabhängig sein. Die Tochter des Bankdirektors darf aufgrund ihrer Herkunft keine schlechteren Bildungschancen haben als das Kind einer alleinerziehenden Teilzeitangestellten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn es richtig war, allgemeine Studiengebühren abzuschaffen, ist und bleibt es auch richtig, sie denjenigen zurückzuzahlen, die zufälligerweise in den beiden Semestern studiert haben, als es hier die hochschulpolitischen Verirrungen der CDU-Alleinregierung gab. Viele Menschen haben sich verschuldet, um diese Studiengebühren zahlen zu können. Ich denke, es ist und bleibt richtig, den Studierenden und ihren Eltern das Geld zurückzugeben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Hochschulen in Deutschland – auch in Hessen – sind seit Langem unterfinanziert. Sie reden immer von der Stärkung der Forschung und der Lehre. Ich will eine Zahl nennen, die exemplarisch ist: In Hessen fließen nur 2,7 % des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung. Bei dem kleinsten Teil davon handelt es sich um öffentliche Mittel. Auch wenn sich Bund und Länder jetzt auf eine Fortsetzung des Hochschulpakts 2020 verständigt haben, muss man doch sagen, dass dies nicht ausreicht. Die 275.000 zusätzlichen Studienplätze sind dringend notwendig. Wenn wir aber die im internationalen Vergleich sehr niedrige Studienanfängerquote von derzeit unter 40 % erhöhen wollen, brauchen wir mindestens 370.000 zusätzliche Studienplätze. Zudem wird zu wenig Geld bereitgestellt. Pro Studienplatz steht ein Betrag von 26.000 Euro zur Verfügung. Das sind 6.500 Euro pro Studienjahr. Das wird aber zur Finanzierung dieser 275.000 Studienplätze nicht ausreichen; denn die durchschnittlichen Kosten eines Studienplatzes sind sehr viel höher. Für ein komplettes Bachelor- und Masterstudium
braucht man nämlich 36.500 Euro.
Der Hochschulpakt schreibt die miserablen Betreuungsverhältnisse an den Hochschulen fort. Wir haben derzeit die Situation, dass an vielen Hochschulen auf eine Hochschullehrerstelle 60 Studierende kommen, teilweise sogar 80, 100 oder 140.

(Unruhe bei der FDP)

– Kollegen von der FDP, ich möchte Ihre Unterhaltung ungern stören. Aber es könnte Ihr Weltbild erschüttern, wenn Sie einmal eine hessische Universität besuchten und sich vor Ort anschauten, unter welchen Bedingungen beispielsweise Lehramtsstudierende lernen müssen.
Die Verbesserung der Qualität der Lehre und die Studienreformen setzen eine sehr viel intensivere Beratung und Betreuung der Studierenden voraus. Dazu brauchen wir eben nicht nur mehr Studienplätze, sondern auch bessere Studienbedingungen und deutlich mehr Personal.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür könnte sich Ministerpräsident Koch – wie ich merke, ist er bei dieser Debatte nicht anwesend; das scheint nicht sein Lieblingsthema zu sein – auf der Bundesebene einsetzen. Das wäre wichtig und sinnvoll. Das Problem ist, dass zwar ein Sonderprogramm nach dem anderen aufgelegt wird, die Hochschulen aber keine zeitlich befristeten Sonderprogramme brauchen, sondern eine bedarfsgerechte, langfristige Finanzierung, auf die sie sich verlassen können. Die kurzfristigen Investitionshäppchen führen dazu, dass nur in Beton und immer weniger in
Köpfe investiert wird. Nur über ein höheres Grundbudget können unbefristete Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen geschaffen und gesichert und somit Forschung
und Lehre dauerhaft verbessert werden. Herr Reißer, wie erfolgreich Sie waren, zeigt sich an dem
Verschleiß von Wissenschaftsministern, den Sie in den letzten Jahren hatten.
Ich glaube, dass die Zahl der Wissenschaftsminister, die innerhalb möglichst kurzer Zeit im Amt waren, keine Kennzahl für politischen Erfolg ist.

(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Bitte nicht hyperventilieren!)

DIE LINKE fordert eine am wachsenden Bedarf orientierte öffentliche Finanzierung von Hochschule und Forschung. Statt die Differenzierung in Elite- und Massenhochschulen voranzutreiben, muss eine regional ausgewogene Hochschulfinanzierung in der Fläche gewährleistet sein.
Wir brauchen auch keine staatliche Förderung von elitären Parallelgesellschaften, wie es z. B. bei der European Business School – kurz EBS – in Oestrich-Winkel der Fall ist.

(Florian Rentsch (FDP): Sehr schönes Projekt!)

– Herr Rentsch, ich weiß, Ihnen liegt das besonders am Herzen. Die EBS will jetzt eine weitere Fakultät gründen, für die sie eine Anschubfinanzierung in Höhe von 25 Millionen Euro braucht.

(Florian Rentsch (FDP): „Universität“ heißt das!)

Jetzt habe ich der Presse folgendes Zitat entnommen:
„Oberbürgermeister Helmut Müller (CDU) und FDP-Landtagsabgeordneter Florian Rentsch hatten
gesagt, sich die Anschubfinanzierung teilen zu wollen.“
Das hat mich ein bisschen verwundert.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der FDP)

Ich wusste nicht, dass Ihnen das Projekt so am Herzen liegt.

(Florian Rentsch (FDP): Ich habe das nicht geschrieben!)

Ich gehe einmal davon aus, dass das Land Hessen und die Stadt Wiesbaden gemeint sind – und damit die Steuerzahler, die sich das teilen sollen. Das wollte ich nur einmal anmerken – nicht, dass wir hier über die falsche Kostenstelle diskutieren.

(Clemens Reif (CDU): Bitte nicht hyperventilieren!)

Im Grundgesetz ist festgelegt, dass auch in Privatschulen „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“. Die EBS kann sich selbst finanzieren. Hessen hat die Studiengebühren an den staatlichen Hochschulen abgeschafft und lässt jährlich etwa eine halbe Million Euro einer Universität zukommen, die von ihren Studierenden pro Jahr 12.000 Euro an Studiengebühren verlangt. Das finde ich absurd.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf)

– Ich hab nichts gegen Pluralismus. Sie können das gerne machen. Sie können gerne in Schlössern am Rhein lernen. Das ist überhaupt nicht die Frage. Herr Reif, sie sollen dies aber nicht auf Kosten der Steuerzahler tun können. Das ist der Punkt. Es kann doch nicht hingenommen werden, dass die Mehrheit in überfüllten Hörsälen sitzt und ein schlechtes Betreuungsverhältnis hat – –

Vizepräsident Frank Lortz:
Meine Damen und Herren, ich darf das noch einmal klären, weil hier einige erregte Gesichter zu sehen sind.

(Günter Rudolph (SPD): Erregt sind wir gar nicht!)

– Herr Kollege Rudolph, ich weiß nicht, ob oder wann Sie erregt sind.

(Heiterkeit)

Nach 18:30 Uhr sollte man das zumindest in diesem Raum etwas kontrollieren.

(Heiterkeit)

Von der Fraktion DIE LINKE waren für diesen Einzelplan neun Minuten Redezeit angemeldet. Aber die Fraktion DIE LINKE hat in der Gesamtbilanz natürlich noch weitere 13 Minuten. Ich weise Sie einfach nur darauf hin, dass das so ist, und bitte Sie alle, sich wieder zu beruhigen. Wir hören dann Frau Kollegin Wissler gerne weiterhin zu, wie lange auch immer.

Janine Wissler (DIE LINKE):
Das ist jetzt das seltene Gefühl von Macht, das man im Leben haben kann, dass Sie nämlich nach Hause wollen. Okay, ich werde das nicht mehr in die Länge ziehen. Herr Reif, lassen Sie uns das irgendwann anders klären.
Ich habe ausgeführt, dass wir dieser Förderung der European Business School sehr kritisch gegenüberstehen. Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass die Bildung in die öffentliche
Hand gehört. Deswegen stehen wir der Förderung privater Schulen und Hochschulen grundsätzlich sehr kritisch gegenüber.

(Beifall bei der LINKEN)

Es darf aber auch nicht sein, dass ausgerechnet die Evangelische Fachhochschule Darmstadt, die eine Hochschule ist, die im Gegensatz zu den anderen privaten Universitäten durchlässig, sozial und gut ausbildet, gezwungen ist, Studiengebühren zu erheben und dadurch selektiver zu
werden. Das Land Hessen sollte die Evangelische Fachhochschule Darmstadt dabei unterstützen, Menschen weiterhin in sozialen Berufen auszubilden, und zwar ohne Studiengebühren. Ich denke, hier muss schnell gehandelt werden, und zwar mit dem Landeshaushalt des Jahres 2009 und nicht irgendwann, nächstes oder übernächstes Jahr, wenn die Menschen schon gezwungen wurden, ihr Studium abzubrechen.
Auch die Studentenwerke sind seit Langem unterfinanziert. Der Anteil der Zuschüsse des Landes bei den Studentenwerken liegt bei nur noch 10 %. Der Rest wird über die Sozialbeiträge der Studierenden und über andere Einnahmen gedeckt. Das heißt also: Faktisch fördern sich die Studierenden selbst. – Das führt die Einrichtung Studentenwerke
ad absurdum.

(Beifall der Abg. Willi van Ooyen und Hermann Schaus (DIE LINKE))

Die Erfüllung der Kernaufgaben ist in Gefahr. Das gilt für die Wohnheime, die nicht renoviert werden können, aber auch hinsichtlich der Aufgaben bei Kultur, Sport und Gesundheit.
Deswegen hielten wir es für richtig, die Zuschüsse an die Studentenwerke um ein Sechstel zu erhöhen.
Ich komme zum Schluss meiner Rede. DIE LINKE steht für einen grundsätzlich anderen Bildungsbegriff, der sich eben nicht an dem Anspruch des Marktes auf Verwertbarkeit
orientiert, sondern an den Menschen mit ihren Fähigkeiten und Interessen. Bildung muss mehr als Ausbildung sein. Bildung darf vor allem keine Ware sein, die man sich kaufen kann, wenn man es sich leisten kann – oder eben auch nicht.
Wir wollen keine Zweiklassengesellschaft haben, weder bei der Bildung noch beim Zugang zur Kultur. Der Zugang zu Kultur und Bildung darf nicht zum Privileg der Reichen werden. Vielmehr müssen wir darauf achten, dass auch Menschen mit schwachen Einkommen Zugang dazu
haben.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Die Landesregierung hat mit der „Operation düstere Zukunft“ massive Kürzungen im Kulturbereich eingeleitet. Auch diese Kürzungen müssen zurückgenommen werden,
weil das unter anderem den kleinen Theatern schadet. Ich denke, das kann nicht hingenommen werden.
Jetzt möchte ich zum Schluss meiner Rede kommen. Ich will Sie ja auch nicht quälen.

(Clemens Reif (CDU): Das ist aber nett!)

– Ich bin eigentlich ganz nett.

(Clemens Reif (CDU): Das wäre auch im Sinne des Konfuzius!)

Für uns gilt:
„Entfremdet und entwürdigt ist nicht nur der, der kein Brot hat, sondern auch der, der keinen Anteil an den großen Gütern der Menschheit hat.“

Dieser Satz stammt nicht von Konfuzius. Er stammt von Rosa Luxemburg. Ich finde ihn sehr treffend.
(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

 

Bildung ist Menschenrecht - mehr Geld für Hochschulen

Rede zum Haushaltseinzelplan Wissenschaft und Kunst

14. Mai 2009

Janine Wissler (DIE LINKE):

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Bevor ich zu den schnöden Zahlen komme, möchte ich ein Zitat anbringen, das meiner Meinung nach das Leitmotiv der Bildungspolitik sein sollte.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

– Herr Reif, Sie müssen nicht hyperventilieren. Es handelt sich nur um Konfuzius. Er hat lange vor Marx gelebt.

(Clemens Reif (CDU): Er ist also kein Marxist?)

– Herr Reif, es ist eine hochphilosophische Frage, ob Konfuzius Marxist war.

(Clemens Reif (CDU): So etwas könnte man ausdiskutieren!)

– Man hat mir gesagt, ich hätte noch 23 Minuten Redezeit. Provozieren Sie mich also nicht. Ich hätte große Lust, zu dieser Frage einige philosophische Ausführungen zu machen.

(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Ich werde Ihnen demnächst im Ausschuss das Wort geben! Dann können wir weiter darüber sprechen!)

Konfuzius sagte – es ist schon eine Weile her –:

„Bildung soll allen zugänglich sein. Man darf keine Standesunterschiede machen.“

Kommen wir jetzt zur bundesdeutschen Realität. Ich habe ein weiteres Zitat:

„Ich habe das Gefühl, dass sich das deutsche Bildungssystem nicht darauf konzentriert, alle einzubeziehen, sondern dass es eher Trennungen schafft.“

Dieses Zitat stammt vom UN-Sonderberichterstatter und Bildungsexperten Villalobos. Das sagte er – sehr treffend, wie ich finde – über das deutsche Bildungssystem. Das deutsche Bildungssystem ist nämlich selektiver als die Bildungssysteme vieler anderer Industriestaaten. Kinder aus reichen Familien haben ungleich bessere Chancen als Kinder aus armen Familien. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat diese Bildungspolitik einmal sehr treffend mit dem Schlagwort „Fördern statt Auslesen“ umschrieben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Land Hessen hat im letzten Jahr einen großen Schritt zu mehr Chancengerechtigkeit gemacht.

Sie müssen nicht erschrecken; Sie haben nichts dazu beigetragen. Hessen hat nämlich als erstes Bundesland die Studiengebühren wieder abgeschafft.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das ist ein großer Erfolg der Studierendenbewegung und ihrer gesellschaftlichen Verankerung sowie der breiten gesellschaftlichen Unterstützung, die sich in über 80.000 Unterschriften zur Volksklage ausgedrückt hat. Studiengebühren, egal in welcher Form, sind zutiefst ungerecht,

auch nachgelagerte Studiengebühren, wie wir sie in anderen Bundesländern haben. Sie schrecken die Menschen vom Studium ab. Sie treffen nicht nur die Studierenden, sondern vor allem die Familien, die sich finanziell einschränken müssen, um ihren Kindern ein Studium zu

ermöglichen.

Deshalb sage ich: Der Zugang zur Bildung muss vom Status und vom Geldbeutel der Eltern unabhängig sein. Die Tochter des Bankdirektors darf aufgrund ihrer Herkunft keine schlechteren Bildungschancen haben als das Kind einer alleinerziehenden Teilzeitangestellten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn es richtig war, allgemeine Studiengebühren abzuschaffen, ist und bleibt es auch richtig, sie denjenigen zurückzuzahlen, die zufälligerweise in den beiden Semestern studiert haben, als es hier die hochschulpolitischen Verirrungen der CDU-Alleinregierung gab. Viele Menschen haben sich verschuldet, um diese Studiengebühren zahlen zu können. Ich denke, es ist und bleibt richtig, den Studierenden und ihren Eltern das Geld zurückzugeben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Hochschulen in Deutschland – auch in Hessen – sind seit Langem unterfinanziert. Sie reden immer von der Stärkung der Forschung und der Lehre. Ich will eine Zahl nennen, die exemplarisch ist: In Hessen fließen nur 2,7 % des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung. Bei dem kleinsten Teil davon handelt es sich um öffentliche Mittel. Auch wenn sich Bund und Länder jetzt auf eine Fortsetzung des Hochschulpakts 2020 verständigt haben, muss man doch sagen, dass dies nicht ausreicht. Die 275.000 zusätzlichen Studienplätze sind dringend notwendig. Wenn wir aber die im internationalen Vergleich sehr niedrige Studienanfängerquote von derzeit unter 40 % erhöhen wollen, brauchen wir mindestens 370.000 zusätzliche Studienplätze. Zudem wird zu wenig Geld bereitgestellt. Pro Studienplatz steht ein Betrag von 26.000 Euro zur Verfügung. Das sind 6.500 Euro pro Studienjahr. Das wird aber zur Finanzierung dieser 275.000 Studienplätze nicht ausreichen; denn die durchschnittlichen Kosten eines Studienplatzes sind sehr viel höher. Für ein komplettes Bachelor- und Masterstudium

braucht man nämlich 36.500 Euro.

Der Hochschulpakt schreibt die miserablen Betreuungsverhältnisse an den Hochschulen fort. Wir haben derzeit die Situation, dass an vielen Hochschulen auf eine Hochschullehrerstelle 60 Studierende kommen, teilweise sogar 80, 100 oder 140.

(Unruhe bei der FDP)

– Kollegen von der FDP, ich möchte Ihre Unterhaltung ungern stören. Aber es könnte Ihr Weltbild erschüttern, wenn Sie einmal eine hessische Universität besuchten und sich vor Ort anschauten, unter welchen Bedingungen beispielsweise Lehramtsstudierende lernen müssen.

Die Verbesserung der Qualität der Lehre und die Studienreformen setzen eine sehr viel intensivere Beratung und Betreuung der Studierenden voraus. Dazu brauchen wir eben nicht nur mehr Studienplätze, sondern auch bessere Studienbedingungen und deutlich mehr Personal.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür könnte sich Ministerpräsident Koch – wie ich merke, ist er bei dieser Debatte nicht anwesend; das scheint nicht sein Lieblingsthema zu sein – auf der Bundesebene einsetzen. Das wäre wichtig und sinnvoll. Das Problem ist, dass zwar ein Sonderprogramm nach dem anderen aufgelegt wird, die Hochschulen aber keine zeitlich befristeten Sonderprogramme brauchen, sondern eine bedarfsgerechte, langfristige Finanzierung, auf die sie sich verlassen können. Die kurzfristigen Investitionshäppchen führen dazu, dass nur in Beton und immer weniger in

Köpfe investiert wird. Nur über ein höheres Grundbudget können unbefristete Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen geschaffen und gesichert und somit Forschung

und Lehre dauerhaft verbessert werden. Herr Reißer, wie erfolgreich Sie waren, zeigt sich an dem

Verschleiß von Wissenschaftsministern, den Sie in den letzten Jahren hatten.

Ich glaube, dass die Zahl der Wissenschaftsminister, die innerhalb möglichst kurzer Zeit im Amt waren, keine Kennzahl für politischen Erfolg ist.

(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Bitte nicht hyperventilieren!)

DIE LINKE fordert eine am wachsenden Bedarf orientierte öffentliche Finanzierung von Hochschule und Forschung. Statt die Differenzierung in Elite- und Massenhochschulen voranzutreiben, muss eine regional ausgewogene Hochschulfinanzierung in der Fläche gewährleistet sein.

Wir brauchen auch keine staatliche Förderung von elitären Parallelgesellschaften, wie es z. B. bei der European Business School – kurz EBS – in Oestrich-Winkel der Fall ist.

(Florian Rentsch (FDP): Sehr schönes Projekt!)

– Herr Rentsch, ich weiß, Ihnen liegt das besonders am Herzen. Die EBS will jetzt eine weitere Fakultät gründen, für die sie eine Anschubfinanzierung in Höhe von 25 Millionen Euro braucht.

(Florian Rentsch (FDP): „Universität“ heißt das!)

Jetzt habe ich der Presse folgendes Zitat entnommen:

„Oberbürgermeister Helmut Müller (CDU) und FDP-Landtagsabgeordneter Florian Rentsch hatten

gesagt, sich die Anschubfinanzierung teilen zu wollen.“

Das hat mich ein bisschen verwundert.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der FDP)

Ich wusste nicht, dass Ihnen das Projekt so am Herzen liegt.

(Florian Rentsch (FDP): Ich habe das nicht geschrieben!)

Ich gehe einmal davon aus, dass das Land Hessen und die Stadt Wiesbaden gemeint sind – und damit die Steuerzahler, die sich das teilen sollen. Das wollte ich nur einmal anmerken – nicht, dass wir hier über die falsche Kostenstelle diskutieren.

(Clemens Reif (CDU): Bitte nicht hyperventilieren!)

Im Grundgesetz ist festgelegt, dass auch in Privatschulen „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“. Die EBS kann sich selbst finanzieren. Hessen hat die Studiengebühren an den staatlichen Hochschulen abgeschafft und lässt jährlich etwa eine halbe Million Euro einer Universität zukommen, die von ihren Studierenden pro Jahr 12.000 Euro an Studiengebühren verlangt. Das finde ich absurd.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf)

– Ich hab nichts gegen Pluralismus. Sie können das gerne machen. Sie können gerne in Schlössern am Rhein lernen. Das ist überhaupt nicht die Frage. Herr Reif, sie sollen dies aber nicht auf Kosten der Steuerzahler tun können. Das ist der Punkt. Es kann doch nicht hingenommen werden, dass die Mehrheit in überfüllten Hörsälen sitzt und ein schlechtes Betreuungsverhältnis hat – –

Vizepräsident Frank Lortz:

Meine Damen und Herren, ich darf das noch einmal klären, weil hier einige erregte Gesichter zu sehen sind.

(Günter Rudolph (SPD): Erregt sind wir gar nicht!)

– Herr Kollege Rudolph, ich weiß nicht, ob oder wann Sie erregt sind.

(Heiterkeit)

Nach 18:30 Uhr sollte man das zumindest in diesem Raum etwas kontrollieren.

(Heiterkeit)

Von der Fraktion DIE LINKE waren für diesen Einzelplan neun Minuten Redezeit angemeldet. Aber die Fraktion DIE LINKE hat in der Gesamtbilanz natürlich noch weitere 13 Minuten. Ich weise Sie einfach nur darauf hin, dass das so ist, und bitte Sie alle, sich wieder zu beruhigen. Wir hören dann Frau Kollegin Wissler gerne weiterhin zu, wie lange auch immer.

Janine Wissler (DIE LINKE):

Das ist jetzt das seltene Gefühl von Macht, das man im Leben haben kann, dass Sie nämlich nach Hause wollen. Okay, ich werde das nicht mehr in die Länge ziehen. Herr Reif, lassen Sie uns das irgendwann anders klären.

Ich habe ausgeführt, dass wir dieser Förderung der European Business School sehr kritisch gegenüberstehen. Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass die Bildung in die öffentliche

Hand gehört. Deswegen stehen wir der Förderung privater Schulen und Hochschulen grundsätzlich sehr kritisch gegenüber.

(Beifall bei der LINKEN)

Es darf aber auch nicht sein, dass ausgerechnet die Evangelische Fachhochschule Darmstadt, die eine Hochschule ist, die im Gegensatz zu den anderen privaten Universitäten durchlässig, sozial und gut ausbildet, gezwungen ist, Studiengebühren zu erheben und dadurch selektiver zu

werden. Das Land Hessen sollte die Evangelische Fachhochschule Darmstadt dabei unterstützen, Menschen weiterhin in sozialen Berufen auszubilden, und zwar ohne Studiengebühren. Ich denke, hier muss schnell gehandelt werden, und zwar mit dem Landeshaushalt des Jahres 2009 und nicht irgendwann, nächstes oder übernächstes Jahr, wenn die Menschen schon gezwungen wurden, ihr Studium abzubrechen.

Auch die Studentenwerke sind seit Langem unterfinanziert. Der Anteil der Zuschüsse des Landes bei den Studentenwerken liegt bei nur noch 10 %. Der Rest wird über die Sozialbeiträge der Studierenden und über andere Einnahmen gedeckt. Das heißt also: Faktisch fördern sich die Studierenden selbst. – Das führt die Einrichtung Studentenwerke

ad absurdum.

(Beifall der Abg. Willi van Ooyen und Hermann Schaus (DIE LINKE))

Die Erfüllung der Kernaufgaben ist in Gefahr. Das gilt für die Wohnheime, die nicht renoviert werden können, aber auch hinsichtlich der Aufgaben bei Kultur, Sport und Gesundheit.

Deswegen hielten wir es für richtig, die Zuschüsse an die Studentenwerke um ein Sechstel zu erhöhen.

Ich komme zum Schluss meiner Rede. DIE LINKE steht für einen grundsätzlich anderen Bildungsbegriff, der sich eben nicht an dem Anspruch des Marktes auf Verwertbarkeit

orientiert, sondern an den Menschen mit ihren Fähigkeiten und Interessen. Bildung muss mehr als Ausbildung sein. Bildung darf vor allem keine Ware sein, die man sich kaufen kann, wenn man es sich leisten kann – oder eben auch nicht.

Wir wollen keine Zweiklassengesellschaft haben, weder bei der Bildung noch beim Zugang zur Kultur. Der Zugang zu Kultur und Bildung darf nicht zum Privileg der Reichen werden. Vielmehr müssen wir darauf achten, dass auch Menschen mit schwachen Einkommen Zugang dazu