KLIMASCHUTZ VERPFLICHTET

REDE ZUM GESETZENTWURF FÜR EIN ERSTES HESSISCHES ZUKUNFTSENERGIE- UND KLIMASCHUTZGESETZ

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

die alarmierenden Klimaberichte der Vereinten Nationen und anderer machen seit Jahrzehnten deutlich, dass für den Klimaschutz mehr getan werden muss als das, wozu internationale Regierungskonferenzen und die führenden Wirtschaftsunternehmen bereit sind. Die Überhitzung des Klimas wird weit reichende Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Menschen haben, und zwar nicht nur in den Gegenden, die akut von Überschwemmungen und Verödung bedroht sind, sondern auch hier in Hessen. Dass die Landesregierung auf diese Bedrohungen, die mittlerweile auch von Militärstrategen und konservativen Innenpolitikern gezeichnet werden, nicht entschlossener reagiert, ist fahrlässig und geradezu erschreckend.

Ihre Nachhaltigkeitsstrategie legt die Mängel einer Politik offen, die sinnvolle Projekte mit jährlich zu bewilligenden Finanzierungen abspeist. Wirklich nachhaltig wirkt sie nur in der Enttäuschung der Menschen, die sich ernsthaft für den Klimaschutz einsetzen und von der Regierung erwarten, dass sie die Dringlichkeit des Themas endlich erkennt.

Diese Dringlichkeit wird aber nicht durch große Titel und Namen der nötige Nachdruck verliehen. Die Drucksache 247 aus der vergangenen Wahlperiode trug den schlichten und treffenden Titel „Änderung des Hessischen Nachbarschaftsgesetzes". Inhaltlich ging es dabei um dieselben Fragen wie in dem Gesetzentwurf, den die Kollegen von der Grünen Fraktion heute vorgelegt haben, mit dem großen Namen „Erstes Hessisches Zukunftsenergie- und Klimaschutzgesetz". Großer Name, kleines Gesetz. Sie wecken damit natürlich Neugierde auf Ihre weiteren Entwürfe.
Inhaltlich zielt der Entwurf in die richtige Richtung. Die Wärmedämmung an Altbauten hält gewaltige Potenziale zur Energieeinsparung.

Mehr als durch alle auf Bundes- und Landesebene beschlossenen Erleichterungen und Förderungen für den nachhaltigen Neubau könnte eine Umrüstung des Baubestandes dabei helfen, volkswirtschaftliche und individuelle Kosten sowie den CO2-Ausstoß zu senken.
Dass eine solche Sanierung der Bausubstanz erhebliche positive Auswirkungen auf Konjunktur und Arbeitsmarkt hätte, liegt auf der Hand.

Wie bei vergleichbaren Gesetzentwürfen der Grünen stolpern Sie aber immer wieder an der empfindlichen Stelle, wenn es um die Einschränkungen das Rechts auf Eigentum geht. Um tatsächliche Rechtssicherheit für Mieter oder Eigentümer zu schaffen, die die neue Freiheit des Gesetzes in Anspruch nehmen wollen, wären zwei Klarstellungen noch vorzunehmen: Was ist eine „unwesentliche Beeinträchtigung" bei der Nutzung des betroffenen Grundstücks? Darüber gibt es keine verlässliche Bestimmung, und mit ihrer vagen Formulierung provozieren Sie geradezu nachbarlichen Streit bis in die x-te Instanz. Zumal wenn Sie in der Begründung Ihres Antrags darauf verweisen, dass es zu „erheblichen Beeinträchtigungen" des Nachbargrundstückes kommen könnte. Wollen Sie solche Beeinträchtigungen nun gestatten oder nicht? Es klingt, als ob Sie vor den Konsequenzen Ihres Vorschlags doch wieder zurückschrecken, weil ja Eigentum nicht angerührt werden darf. Darauf zielt auch die Festlegung, dass der Nutzen der Wärmeisolierung nicht „außer Verhältnis" gegenüber den dadurch entstehenden Nachteilen stehen dürfe. Wie hoch bewerten Sie denn nun den Klimaschutz im Verhältnis zu den Eigentumsrechten?

Frau Wallmann, Herr Müller, Sie sprachen vom Schutz des Eigentums. Gilt das auch für die Menschen im Süden, denen die Häuser, also ihre Eigentümer, wegschwimmen wegen Überschwemmungen infolge der Klimaerwärmung? Gilt für die auch der Schutz des Eigentums?

In dieser zentralen Frage bleibt der Antrag zu unbestimmt, um den Weg in die Zukunft der Energie- und Klimapolitik zu weisen. Wir sind der Meinung: Klimaschutz verpflichtet.

Und weil der Landesregierung ja offensichtlich Inspirationen fehlen auf dem Weg zum Musterland der Erneuerbaren Energien, möchte ich Ihnen noch ein paar Anregungen geben.

Manchmal hilft ja ein Blick über den Atlantik, von Amerika können wir in der Tat lernen. Ich weiß, Sie denken da meistens an US-amerikanische Arbeitsmarktpolitik. Ich habe aber gerade etwas Interessantes über eine Initiative in Venezuela gelesen, das wird Sie interessieren.
Die Regierung unter Hugo Chávez hat die "Misión Revolución Energética" ins Leben gerufen - zu deutsch „Mission Energierevolution".

Damit soll die Energieversorgung dezentralisiert, Energie eingespart und Erneuerbare Energien ausgebaut werden.
Das wichtigste Projekt ist der Windpark auf der Halbinsel Paraguaná, weitere Windparks sind geplant, u.a. auf der Ferieninsel Margarita, da können sich die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen in ihrem nächsten Venezuela-Urlaub vor Ort informieren.
Auch die Solarenergie soll eine stärkere Rolle spielen, bisher wurden 550 Kommunen mit Solarkollektoren ausgestattet.

Seit 2006 wurden in Privathaushalten, Unternehmen und Regierungsgebäuden mehr als 53 Millionen Glühbirnen durch Energiesparlampen ersetzt - und das auf Staatskosten. Mehrere tausend jugendliche Helfer zogen durchs Land, gingen von Haushalt zu Haushalt und verteilten die Sparlampen. Die Regierung verspricht sich dadurch enorme Einsparungen von umgerechnet etwa 2 Mrd. US$.
Panama macht das jetzt nach, dort sollen sechs Millionen Birnen kostenlos ausgetauscht werden, um Stromverbrauchsspitzen zu kappen und Blackouts zu verhindern. Das wäre doch auch in Hessen denkbar.

Das Verschenken ist sicher die ansprechendste Art, eine neue Technik schnell zu verbreiten. Europa setzt bei der Glühbirne im Gegensatz zu Venezuela lieber auf Verbote, bis 2012 soll der Verkauf schrittweise untersagt werden.

Ich möchte die Mitglieder der Regierungsfraktionen ermutigen, sich ein Beispiel an der venezolanischen Energierevolution zu nehmen und auf positive Anreize zu setzen. Wem etwas geschenkt wird, der hat auch weniger Motivation, sich mit seinen Nachbarn um überstehende Isolierungsteile zu streiten.

Janine Wissler