Energiepolitik in Hessen

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

das Interesse der CDU an dieser „Überlebensfrage", wie Herr Rock es gerade nannte, scheint ja immens zu sein, wenn ich die gelichteten Reihen der CDU-Fraktion sehe.

Ihr Antrag könnte unter dem Motto stehen „Zu wenig und zu spät".
Die Landesregierung kündigt an ein Konzept zu erarbeiten, wie in den nächsten zehn Jahren 20 Prozent des Energiemix aus erneuerbaren Energien hergestellt werden kann.
Wir brauchen aber keine neuen Studien und Konzepte, sondern Aktionen. Denn gute Konzepte liegen seit langem vor. Die Probleme, über die wir hier einmal mehr reden, sind nicht neu. Dem Wachstum auf Grundlage fossiler Brennstoffe sind Grenzen gesetzt. Und wir haben nicht ewig Zeit, das Klima verändert sich dramatisch. Die Gesundheit der Menschen in den Industriestaaten leidet unter hoher Belastung der Luft mit Schadstoffen, die Menschen in anderen Teilen der Welt leiden schon jetzt unter Umweltkatastrophen infolge einer unverantwortlichen Energie- und Verkehrspolitik.
Die Aufgabe, die Energieversorgung „in ausreichender Menge, umweltverträglich und preiswert" zu sichern hätte längst angegangen werden müssen. Ich fürchte, nachdem die Landesregierung das Thema in der Vergangenheit hat schleifen lassen - oder besser gesagt, die Energiewende blockiert hat -, dass auch die jetzige Ankündigung wieder eine Ankündigung bleibt. Der klägliche Stand von 5 Prozent erneuerbarer Energien in Hessen spricht Bände. Frau Lautenschläger, wann immer sich die Gelegenheit bietet, präsentieren Sie sich als Verteidigerin der Atom- und Kohlelobby.

Atom
Wir wollen kein Comeback der Atomenergie. Dass die Atomenergie keine Antwort auf die drängenden Fragen der Energieversorgung bietet, wissen die meisten seit dem Reaktorunfall in Tschernobyl.
Dieser Unfall hat bis dato 70.000 Menschen das Leben gekostet und weite Teile in ganz Europas radioaktiv verseucht. Kleinere Unfälle, bei denen Radioaktivität freigesetzt wird, ereignen sich praktisch am laufenden Bande in den 440 Kernkraftwerken, die weltweit heute am Netz sind. Es ist unverantwortlich, sich auf geringe statistische Wahrscheinlichkeiten zu verlassen, denn sollte es einmal ernsthaft knallen in einem deutschen Kernreaktor, dann wären die Folgen von niemandem zu verantworten oder zu reparieren.
In der Frage der Abwehr terroristischer Gefahren argumentieren gerade die Innenpolitiker der CDU sehr viel gefahrenbewusster als in der Frage atomarer Katastrophen, die weit mehr Menschen treffen und schwer schädigen könnten als jeder Terroranschlag - es sei denn, er richtet sich gegen ein Atomkraftwerk.

Kernenergie ist nicht klimaneutral
Die Kernenergie ist der Werbekampagne der Kraftwerksbetreiber zum Trotz keine saubere Energiequelle. Und das nicht nur aufgrund des weiterhin ungelösten Problems der Endlagerung der 450 Tonnen radioaktiven Mülls, den allein die deutschen Kernkraftwerke pro Jahr produzieren. Wo dieser Abfall hin soll und wo er sicher zu lagern ist, bis seine Giftigkeit sich in hunderttausenden Jahren einmal abgebaut haben wird, darauf hat noch niemand eine Antwort gefunden.
Zu behaupten, Kernenergie sei klimafreundlich, da die Kraftwerke ja direkt kaum CO2 ausstoßen, ist so falsch wie die Annahme, der Strom komme einfach aus der Wand. In die Berechnung gehört nicht nur der Ressourcenverbrauch zum Bau und Erhalt der Werke, sondern auch die Energieaufwendungen zum Abbau und zur Anreicherung von Uran.

Die Vorkommen an hochwertigem und leicht zugänglichem Uran neigen sich dem Ende zu, und ähnlich wie im Falle des Erdöls müssen immer entlegenere Vorkommen erschlossen werden.
Die Kernenergie ist, wenn man die gesamte Produktionskette betrachtet, bei weitem keine „saubere" Technik, nicht einmal im Hinblick auf die Luftbelastung und natürlich schon gar nicht im Hinblick auf die atomaren Abfälle, die sie produziert. Nur in Kreisen der Atomlobby schweigt man sich über diese offensichtliche Tatsache aus.
Für die deutschen Betreiber ist die Kernkraft noch zusätzlich attraktiv, weil sie nicht unter den Emissionshandel fällt, denn die Emissionen, die für den Betrieb nötig sind, fallen ja hauptsächlich in den Uranfördergebieten an, also weit weg. Dem Klima und der Ozonschicht ist das leider egal.
Die Kernkraftwerksbetreiber verdienen 300 Millionen Euro jährlich an jedem abgeschriebenen Kraftwerk, also besonders viel an den alten und unsicheren Werken, deren Laufzeiten sie daher gern verlängern wollen. Im Verhältnis dazu sind die 150.000 Euro, die E.on Jahr für Jahr an CDU und FDP spendet, ziemlich wenig. Eine so konsequente Interessenvertretung sollte dem Unternehmen eigentlich mehr wert sein, wenn man sich Ihr Regierungshandeln ansieht.
Im Falle von Biblis A hat es nichts genützt, das Bundesverwaltungsgericht hat gegen die Atomlobby entschieden. Das begrüßen wir ausdrücklich.
Der Ausstieg aus der Atomenergie ist und bleibt richtig, daher bitte ich Sie unserem Antrag zuzustimmen.

Kohle / Staudinger
Im Falle der Kohle ist wenigstens leichter erkennbar, wer den Dreck in die Umgebung bläst und die Anwohner mit Ruß und Kohlenstoffdioxid belastet. Block 6 des Kraftwerkes Staudinger wird den CO2-Ausstoß der Anlage fast verdoppeln, so viel ist sicher. Da hilft es auch nichts, wenn der Bundesumweltminister Gabriel behauptet, dass der Neubau von Kraftwerken keine Erhöhung des CO2-Ausstoßes bewirke. Und auch wenn der Landtag in seiner Mehrheit dieser realitätsfremden Plattitüde zustimmt, haben die Menschen in der Umgebung von Staudinger das Problem, dass in Zukunft 9 statt 5 Millionen Tonnen CO2 jedes Jahr in die Luft entlassen werden.
Die chemischen Reaktionen bei Verbrennungen lassen sich leider nicht durch Landtagsbeschlüsse und auch nicht durch Reden eines Bundesministers beeindrucken.
Deshalb wird DIE LINKE auch weiterhin die Bürgerinitiative Stopp Staudinger unterstützen. In Berlin hat Vattenfall den ein solches Projekt fallen gelassen, das zeigt, genug Druck erzeugt auch Wirkung.
Der geplante Neubau konterkariert die von der Landesregierung verkündete Umorientierung zu Nachhaltigkeit und einer modernen, die Ressourcen schonenden Energiepolitik. Angesichts der dramatischen Entwicklung des weltweiten Klimas ist eine vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien notwendig und muss schnellstmöglich angegangen werden, stattdessen zementieren Sie auf Jahrzehnte eine veraltete und klimaschädliche Technik. Es ist unaufrichtig zu behaupten, dass ein vollständiger Umstieg technisch nicht zu machen sei. Machbarkeitsstudien hierzu liegen von verschiedenen Instituten und unabhängigen Wissenschaftler vor.

Energiekonzerne
Das Schreckensszenario, in Hessen oder in Deutschland könnten die Lichter ausgehen, ist reine Marketingpropaganda für die vier großen Energiekonzerne, die von Atom und Kohle reichlich profitieren. In den letzten Jahren stiegen die Strompreise in Höhen, die sowohl die EU-Kommission als auch die Bundesregierung für „volkswirtschaftlich bedenklich" halten. Der Hintergrund dafür waren Spekulationen an den Rohstoffmärkten. Auffällig ist aber auch, dass die Energiepreise in Deutschland unmittelbar nach Auflösung der Strom-Tarifaufsicht im Sommer 2007 sprunghaft anstiegen. Das ist kaum verwunderlich: monopolisierte Märkte funktionieren nicht nach Angebot und Nachfrage.
Staatliche Regulierung ist nötig, die Liberalisierung des Strommarktes hat bisher nur dazu geführt, dass sich die Energiekonzerne noch schamloser bereichern.

Die Energiemonopolisten gehören deshalb durch die Öffentlichkeit kontrolliert, sowohl im Hinblick auf die Preisbildung als auch auf den Ausbau ihrer Infrastruktur. Energieversorgung gehört als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge in die öffentliche Hand.
Was Sie und der Bundesumweltminister vorhaben, läuft auf die staatliche Protektion und Subventionierung privater Monopole hinaus. Und diese Monopole sind natürlich daran interessiert, dass sich der falsche Eindruck verbreitet, es gäbe keine Alternative zu ihren zentralistischen und kapitalintensiven Anlagen.

Erneuerbare Energien
Es gibt aber, wie meistens im Leben, sehr wohl Alternativen. Die optimistischsten Schätzungen gehen von der Möglichkeit aus durch Energieeinsparung, Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energien, in den kommenden Jahren 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien zu erzeugen.
Dass die Landesregierung sich trotzdem nur 20 Prozent zum Ziel setzen, zeugt von absoluter Verantwortungslosigkeit.
Indem Sie an Atom und Kohle festhalten, putzen Sie das Messing auf der Titanic. Der Eisberg naht und Sie nicht in der Lage sind, das Ruder herumzureißen. Leider sitzen Sie nicht alleine im Boot.

Arbeitsplätze
Bundesweit liegt der Anteil erneuerbarer Energien bei bereits mehr als 13 Prozent, in Hessen liegt er nicht mal halb so hoch.
Dabei sind die Bedingungen hier zum Beispiel im Hinblick auf die Nutzung der Geothermie weit besser als anderswo. Hier liegen Potentiale vor allem auch im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und für das Handwerk. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums waren 2007 in der herkömmlichen Stromwirtschaft noch 121.500 Menschen beschäftigt.
Seit Beginn der Strommarktliberalisierung im Jahr 1998 sind das 40.000 Arbeitsplätze weniger.
Für die CDU: Das ist soviel wie der ganze Flughafenausbau Ihrer Meinung nach bringen soll.
Bis 2020 werden hier noch einmal voraussichtlich 45.000 Stellen abgebaut werden.
Noch mal soviel wie der Flughafenausbau.

Die Branche der erneuerbaren Energien beschäftigt mittlerweile über 250 000 Menschen, den größten Teil im Strombereich. Allein in den letzten vier Jahren sind knapp 100.000 Arbeitsplätze hinzugekommen - also zweimal Flughafenausbau. Bis 2020 wird hier eine halbe Million Menschen Beschäftigung finden, dafür müssten wir den Flughafen schon zehnmal ausbauen.

Strom aus Wind, Wasser, Sonne, Biomasse und Erdwärme stehen für bezahlbare Energien und wirksamen Klimaschutz. Sie bergen kein Risiko eines katastrophalen Unfalls, der ganze Landstriche vergiften und veröden kann.

Erneuerbare Energien sichern die Stromversorgung der Zukunft. Sie sind in Zeiten weltweit knapper werdenden Rohstoffe und zunehmender militärischer Konflikte auch eine Investition in den Frieden.
In 10 Jahren Koch-Regierung wurde die Energiewende blockiert, das zeigt sich in Ihrem Kampf gegen jedes Windrad - oder Windkraftmonster, wie Sie das nennen. Hessen kann sich keine weiteren fünf vergeudete Jahre ohne echte Energiewende leisten, deshalb, schreiben Sie keine Anträge, deren Adressat Sie ja selbst sind, tun Sie was.