Rede zur Verstaatlichung der Hypo Real Estate

Zum Entschließungsantrag der SPD betreffend Gesamtverantwortung wahrnehmen - Politische Taktiererei beenden

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Wie Sie wissen, bin ich in unserer Fraktion zuständig für Sozialisierungsmaßnahmen, leider auch für die Schlechten, denn diese ist eine ganz Schlechte.

Krise
Die Weltwirtschaft befindet sich in der schwersten Krise seit 1929. Mit der wirtschaftlichen Krise geht ein massiver Vertrauensverlust in Politik und Wirtschaftsordnung einher.
Auch die Banken haben das erkannt: Die alljährlichen Schönhauser Gespräche des Bundesverbandes der Deutschen Banken standen diesmal unter der Überschrift „Politik ohne Mehrheit - Wirtschaft ohne Vertrauen". Wie treffend, kann man da nur sagen.
Die Märkte haben in dramatischer Art und Weise versagt. Die Banken und Finanzinstitute stehen im Zentrum des Sturmes, der weltweit mittlerweile mit geschätzten 5 bis 7 Billionen Dollar an Steuergeldern bekämpft wird und dem bereits unzählige Unternehmen und Beschäftigte zum Opfer fallen.

HRE
Die Hypo Real Estate ist nur eins von zahlreichen Kreditinstituten allein hier in Deutschland, die am Rande der Pleite stehen.
Ihr Marktwert liegt bei einem Aktienkurs von 1,14 Euro noch bei 250 Millionen Euro - das sind 5 Prozent ihres Wertes von vor einem Jahr. Der deutsche Staat bürgt also mit dem 400fachen des tatsächlichen Unternehmenswertes nämlich mit über 100 Milliarden Euro für die HRE. Und jetzt verhandelt Steinbrück mit dem verbliebenen Großaktionär J.C.Flowers, ob der Bund dafür mehr als drei Viertel des Unternehmens bekommt - wohlgemerkt nachdem der 400fache Wert an Steuergeldern bereitgestellt wurde, um die HRE zu stützen.
Die Regierung bezeichnet sich gern als Treuhänder der Steuereinnahmen. Was hier allerdings betrieben wird, ist eine Veruntreuung von Steuergeldern in einem Ausmaß, das seines Gleichen sucht.
Entweder wusste Peer Steinbrück wirklich nicht, auf was er sich und die Steuerzahler einließ. Oder er hat das Parlament und die Öffentlichkeit über das wahre Ausmaß der Probleme belogen.

Deshalb ist es ein richtiger Schritt, dass die Grünen und die FDP dem Vorschlag der LINKEN gefolgt sind und im Bundestag einen Untersuchungsausschuss zur HRE beantragt haben. Leider hat die SPD aus lauter Angst vor der Wahrheit die Einsetzung des Untersuchungsausschusses versucht zu verhindern, mit dem Erfolg, dass die Einrichtung auf April verschoben wurde. Es ist ja auch zu verständlich, immerhin wäre Steinbrück nach Steinmeier schon der zweite SPD-Vize, der vor einem Untersuchungsausschuss aussagen müsste. Ist ja auch nicht imageförderlich im Superwahljahr.

FDP
Wir begrüßen den Widerstand der Kollegen von der FDP gegen diese Lex HRE, ja man muss auch Gemeinsamkeiten aushalten können. Damit ist aber auch jetzt gleich wieder Schluss - mit den Gemeinsamkeiten.
Was die Kollegen von der FDP fürchten, ist ja nicht, dass hunderte Milliarden öffentlicher Gelder den Bankern hinterher geworfen werden, während alle anderen zu hören kriegen, dass die Kassen leer seien.
Ihre Furcht ist, dass Unternehmen nun von Managern geleitet werden könnten, die in letzter Konsequenz dem Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern und nicht den Aktionären rechenschaftspflichtig sind.

Rainer Brüderle sieht gar, dass sich mit dem Gesetz das Tor zum Sozialismus weiter öffnet. Man hat den Eindruck, für Sie steckt das Teufelswerk des Sozialismus schon in der kommunalen Organisation der Müllabfuhr.
Seherqualitäten hin oder her, nun scheint der Sozialismus nicht gerade Brüderles Spezialgebiet zu sein.
Verstaatlichung ist nämlich nicht gleich Sozialismus. DER LINKEN geht es vielmehr um die demokratische Kontrolle der Produktionsmittel und um die Emanzipation der Menschen.
Und Sozialismus hat etwas mit der gerechten Verteilung von Reichtümern zu tun, im Falle der HRE werden der Allgemeinheit gigantische Schulden aufgebürdet.

Das Problem ist nicht das staatliche Eigentum der HRE, sondern die Bedingungen.
Wir lehnen das Rettungsübernahmegesetz ab, weil es den staatlichen Einfluss auf die HRE auf den Zeitpunkt begrenzt, bis das Unternehmen „nachhaltig stabilisiert" ist, dann soll es wieder privatisiert werden und kann so weitermachen wie zuvor. Herr Kollege Reif, es ist ja schön, dass Sie hoffen, dass es dann nicht so weitergeht. Aber hoffen reicht nicht, das muss man dann schon ins Gesetz schreiben.
Also auf Steuerzahlerkosten wird saniert, die Profite werden dann wieder privat eingestrichen. Von einer Rückzahlung der gewaltigen Auslagen an Steuermitteln für ihre Rettung findet sich in dem Gesetz der Bundesregierung nämlich kein Wort.

Und jetzt fordert die FDP noch, dass der Bund J.C. Flowers ein - Zitat -„vernünftiges finanzielles Angebot" machen soll. Ja, was denn noch? Der Bund hat die HRE mit 100 Milliarden Euro gerettet, die gebe es sonst doch gar nicht mehr. Die Eigentümer wurden von allen Verpflichtungen befreit, jetzt haben sie auch keine Ansprüche mehr.

Aber liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD: Ich glaube nicht, dass Sie sich ernsthaft Sorgen machen müssen um Ihr Gesetz. Ob sich die hessische FDP in diesem Fall gegen ihren Koalitionspartner durchsetzt, ist fraglich. Rückgrat ist ja auch nicht das Spezialgebiet der FDP.

Verstaatlichung aller Banken
Nun ist das Misstrauen der Wirtschaftsliberalen gegen den Staat als Unternehmer nicht nur befremdlich, sondern zeugt auch von einer gewissen Erfahrungsresistenz.
Die Mär, durch Privatisierung würde alles besser, günstiger, serviceorientierter und effizienter, ist durch die Wirklichkeit schon lange widerlegt.


Unternehmen wie die Bahn, die Post und die Telekom sind jahrzehntelang gut unter staatlicher Führung gefahren - wenn sie die Menschen auf der Straße fragen, sogar weit besser als seit der Privatisierung.

Und Sie erwähnen nicht, dass der große Stabilitätsanker des deutschen Finanzwesens gerade die regional verankerten und in ihrem Tätigkeitsfeld begrenzten Sparkassen sind. Das wäre in der Tat ein Modell für den gesamten Bankensektor. Die Banken sollen sich auf ihr Kerngeschäft beschränken und dem Gemeinwohl verpflichtet sein. Dazu muss der gesamte Bankensektor in die öffentliche Hand überführt werden - und zwar dauerhaft.
So verschwindet das Geld, das sowieso zur Verfügung gestellt wird, nicht in einem Loch. Dann ist garantiert, dass nicht nur die Verluste von der Allgemeinheit getragen werden, sondern ihr auch die Gewinne zugute kommen.

Umverteilung
Was die Bundesregierung und das SPD-geführte Finanzministerium derzeit veranstalten, hat mit also Sozialismus nichts zu tun, sondern mit der Ausplünderung öffentlicher Kassen zugunsten des Finanzkapitals. Unter dem Deckmantel „Schutzschirm" oder „Rettungspaket" wird eine astronomische Umverteilung betrieben, die beispiellos ist in der Geschichte der Bundesrepublik. Milliarden Steuergelder werden mir nichts dir nichts über Nacht bereitgestellt. Und das, nachdem man den Menschen jahrelang erzählt hat, es sei wichtig, die Eigenverantwortung zu stärken weg von der Versicherungsmentalität der Deutschen.
Das ist der tatsächliche Enteignungsskandal, darüber sollten sich die Herren von der FDP empören, nicht über die Enteignung der Verluste bei der HRE. Sie sind nur gegen Enteignung, wenn es Ihre Klientel betrifft, Herr Rentsch. Bei der Allgemeinheit haben Sie dabei kein Problem.


Wer zahlt?

Die wichtigste Frage, die Sie sonst immer stellen, wenn es um Bildung oder Soziales geht, ist dabei nicht beantwortet: Wie soll das alles finanziert werden? Wer zahlt am Ende die Zeche?
Noch ist kein Ende abzusehen: Nach Schätzungen des Bundesfinanzministeriums liegt noch Bilanzschrott im »Wert« von bis zu 1.000 Milliarden Euro in den Tresoren der deutschen Banken. Man nehme an, was nicht unrealistisch ist, diese Papiere müssten ungefähr zur Hälfte abgeschrieben werden. Dann wäre das gesamte Kapital des deutschen Bankensektors aufgezehrt. Schon jetzt haftet jeder Bundesbürger mit 6.000 € für die Banken.
Es kann nicht sein, dass die Kosten dieser Krise wieder auf diejenigen abgewälzt werden, die schon vom Aufschwung nichts hatten: die Arbeitnehmer, die Rentner, die Arbeitslosen.
Trotz Krise sollten wir nicht vergessen: es gibt genug Reichtum in diesem Land.
Ein Vorstandschef eines DAX-Konzerns verdient durchschnittlich 4,7 Millionen Euro. Georg Funke von Hypo Real Estate war übrigens mit 1,9 Millionen Euro dabei und klagt jetzt 3,5 Millionen Euro Gehalt ein - wohlgemerkt von einem Arbeitgeber, den es schon gar nicht mehr gebe, wäre der Staat nicht mit Unsummen eingesprungen.
Und auch die Banken, die in Milliardenhöhe Steuergelder annehmen müssen, haben offensichtlich noch genug auf der hohen Kante für Bonus-Zahlungen und Dividenden-Ausschüttungen.
Hier wird der ganze Irrsinn offensichtlich und das stört das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen, das versteht keiner mehr.
Da brauchen Sie gar nicht von der deutschen Neidgesellschaft zu faseln, das ist eine Ungerechtigkeit, die schreit zum Himmel, wenn die Menschen das erkennen, hat das nichts mit Neid zu tun, sondern mit gesundem Gerechtigkeitsempfinden. Jetzt müssen ausnahmsweise mal die Profiteure der letzten Jahre zur Kasse gebeten werden. Eine Vermögensteuer und eine Millionärsabgabe würden 100 Milliarden zusätzlich bringen. Auf dieses Geld verzichten Sie freiwillig.

Demo
Am Wochenende haben über 50.000 Menschen in Berlin und Frankfurt demonstriert und klargestellt „Wir zahlen nicht für Eure Krise". Das kann nur der Anfang gewesen sein. Wir sollten von Frankreich lernen: dort haben sich über drei Millionen Menschen am Generalstreik beteiligt. Auch in Deutschland muss es jetzt darum gehen den gesellschaftlichen Druck zu erhöhen.


Kapitalismus

Sie glauben alle den Kapitalismus zähmen zu können. Das ist ein Irrglaube.
Ich sage Ihnen: eher wird ein Tiger zum Vegetarier als dass sich der Kapitalismus mäßigen oder zügeln lässt. Das Streben nach dem größtmöglichen Profit ist angelegt im Kapitalismus und seine Triebfeder. Das Kapital wird nicht nach Kriterien von Moral und Anstand handeln, wenn es auf Kosten seiner Expansion und seines Profits geht.
Deshalb stellt sich unweigerlich die Frage nach einer anderen demokratischen Wirtschaftsordnung.

Ein bekannter Sozialist hat einmal gesagt: „Wenn aber eine Wirtschaftsordnung nicht mehr um das ganze weiß, wenn sie das Gefühl der Verantwortung verkümmern lässt und nichts mehr von Nächstenliebe atmet, kann und darf sie nicht auf Resonanz und Anerkennung hoffen." Das war Ludwig Erhard und beschreibt treffend die Legitimationskrise des heutigen Wirtschaftssystems.
Wenn man der Anarchie des Marktes etwas entgegensetzen will, dann muss man über die Verfügungsgewalt bei Banken und Unternehmen reden. Es ist richtig Banken und Unternehmen im Sinne des Gemeinwohls zu verstaatlichen und unter demokratische Kontrolle zu stellen. Was die Bundesregierung derzeit tut, hat damit nichts zu tun. Sie macht sich einmal mehr zum Büttel der Reichen und der Konzerne auf Kosten der großen Mehrheit der Menschen in diesem Land.


Janine Wissler