Rede zum Ausbau des Frankfurter Flughafens


Präsident Norbert Kartmann:
Vielen Dank. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

(Leif Blum (FDP):
Heute hier und nicht im Wald!)

Janine Wissler (DIE LINKE):
Herr Präsident, meine Damen und Herren!

CDU und FDP haben hier offensichtlich noch eine ganze Menge Redebedarf zum Ausbau des Frankfurter Flughafens; denn er wird immer wieder von diesen Fraktionen zum Thema gemacht. Uns soll es recht sein. Dann können wir noch einmal unsere Argumente gegen den Ausbau und die Argumente der Flughafenausbaugegner vortragen. Das gibt noch einmal eine Möglichkeit, Öffentlichkeit für die Gegner des Flughafenausbaus zu schaffen. Naturzerstörung, Landschaftsverbrauch, Zunahme von Lärm und Abgasen, Gesundheitsgefahren, ein erhöhtes Risiko von Abstürzen – all das spricht gegen den Flughafenausbau.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Warum fliegen Sie dann von Frankfurt nach Caracas?)

– Lieber Herr Irmer, ich bin in meinem Leben keine Dutzend Mal geflogen. Wegen mir wird dieser Flughafen ganz sicherlich nicht ausgebaut.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Fraport, Hessische Landesregierung und die Lufthansa behaupten, diese Flughafenerweiterung sei dringend notwendig, auch gegen den Willen der Menschen in dieser Region. Hauptargument für den Ausbau des Flughafens – das ist auch wieder in Ihrem Antrag nachzulesen – ist das Argument der angeblich zu erwartenden Arbeitsplätze. Laut Fraport entstehen 100.000 Arbeitsplätze im direkten Umfeld und indirekt am Frankfurter Flughafen. In Ihrem Antrag heißt es jetzt:
„In den Gutachten der Experten wird der jetzt geplante Flughafenausbau im direkten und indirekten Umfeld weitere 40.000 Arbeitsplätze schaffen.“
Herr Arnold sprach jetzt wieder von 100.000 Arbeitsplätzen. Letztes Jahr sprach Herr Boddenberg immer von 60.000.

(Minister Michael Boddenberg: Nein, das stimmt nicht!)

Ich stelle fest, Sie scheinen sich selbst nicht ganz sicher zu sein; denn Ihre Zahlen variieren erheblich.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Haben Sie schon etwas von Saldorechnung gehört?)

Es mag sein, dass es in den Gutachten so steht. Den Beschluss können Sie auch gerne fassen. Es bestreitet niemand, dass das in den Gutachten so steht. Aber das sagt doch noch lange nichts über die Realität aus.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Doch!)

Es handelt sich hierbei um Prognosen, und die verpflichten zu gar nichts. Sie garantieren auch nichts. Wir stellen darüber hinaus die Methode infrage, wie die Anzahl der Arbeitsplätze in den Gutachten berechnet wurde. Die Gutachter der Fraport berechnen die Arbeitsplatzprognosen auf der Grundlage der Passagierzahlen. Sie unterstellen eine Korrelation zwischen Zuwachs an Passagieren und an Beschäftigten. Die Zahl der direkt Beschäftigten sollte pro Zuwachs von 1 Million Fluggästen um jeweils 1.450 zunehmen. Seit 1999 hat sich die Zahl der Flugpassagiere um 5,2 Millionen erhöht. Die Zahl der Arbeitsplätze hätte also um 7.500 zunehmen sollen – hat sie aber nicht.
Stattdessen ist die Zahl der Beschäftigten am Frankfurter Flughafen nahezu konstant geblieben. Die Berechnungsmethode, die dem Gutachten zugrunde liegt, ist also durch die Wirklichkeit der letzten Jahre widerlegt worden. Viele auf dem Flughafen als neu gezählte Arbeitsplätze sind nicht neu geschaffen, sondern nur dorthin verlagert worden. Damit bestätigt sich die Einschätzung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen, das in einem Gutachten zur Mediation gesagt hat – ich zitiere –:

„Die Hypothese, dass der Arbeitsmarkt in Relation zur Größe eines Flughafens positiv beeinflusst wird, lässt sich nicht bestätigen. Ein Einfluss einer Flughafeninfrastruktur auf den Arbeitsmarkt ist statistisch nicht nachweisbar.“

Warum sollte denn ein Unternehmen in dem Ausbau eines ohnehin schon internationalen Flughafens, der zu den großen Flughäfen Europas gehört, einen zusätzlichen Anreiz für die Ansiedlung von Arbeitsplätzen entdecken? Diese Frage können Sie nicht beantworten. Die Ankündigung der Schaffung von Arbeitsplätzen ist reine Spekulation. Das sind leere Versprechen, mit denen den umliegenden Gemeinden der Widerstand abgekauft werden soll.

(Beifall bei der LINKEN)

Stattdessen denkt der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport zurzeit darüber nach, seine bei der Frachtabfertigung Beschäftigten in Kurzarbeit zu schicken; das hänge davon ab, wie sich das Aufkommen beim Verkehr mit Gütern entwickle. Wenn wir uns die globale Entwicklung im Frachtverkehr ansehen, dann müssen wir davon ausgehen, dass wir auch am Frankfurter Flughafen eine Flaute erleben. In dieser Zeit den Flughafen auszubauen, ist auch ökonomisch nicht sinnvoll. Bereits vor dieser Krise wollte Fraport die Personalkosten senken. Ich zitiere aus dem Geschäftsbericht der Fraport AG von 2004. Dort heißt es – ich zitiere –:

„Bei gleichbleibend hoher Qualität der Dienstleistungen wurden die Geschäftsprozesse optimiert, sodass eine etwas geringere Zahl von Beschäftigten das deutlich höhere Verkehrsaufkommen bewältigte ... Der Personalaufwand ging leicht zurück. Als personalintensives Unternehmen können wir nur dann die bestehenden Arbeitsplätze sichern – es ist also nicht von neuen Arbeitsplätzen die Rede –, wenn wir unsere Personalkostenquote verbessern. Geplant sind unter anderem bedarfsorientierte und flexiblere Arbeitszeiten, längere Wochenarbeitszeiten ohne Lohnausgleich, ein verstärkter Einsatz von Fremdpersonal, keine Tarifsteigerungen in den nächsten Jahren sowie eine Überprüfung der betrieblichen
Sozialleistungen.“

Statt massenhafter Neueinstellungen sucht man bei Fraport eher nach Einsparpotenzialen beim Personal. Das Personal wird stärker belastet, geringer bezahlt und zu schlechteren Arbeits- und Lohnbedingungen außertariflich beschäftigt. Minijobs,Teilzeit- oder Schichtarbeit: nur 22 % der Arbeit am Flughafen wird in Regelarbeitszeit geleistet. Ich frage mich: Hilft diese Art neuer Arbeitsplätze der Region und den hier lebenden Menschen wirklich?

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Den erheblichen Zugeständnissen der Mitarbeiter hinsichtlich längerer Arbeitszeiten, Verzicht auf Urlaubstage und Lohnerhöhungen steht lediglich die Zusage gegenüber, dass es bis 2010 keine betriebsbedingten Kündigungen geben soll. Nun denkt das Management über Kurzarbeit nach. Ich frage Sie: Wie sollen denn da neue Arbeitsplätze entstehen? Das Arbeitsplatzargument dient ausschließlich der Rechtfertigung des Ausbaus, den betriebswirtschaftlichen Zielen von zwei Großunternehmen, nämlich Fraport und Lufthansa. Ihre „Jobmaschine“ entpuppt sich bei näherer Betrachtung als leeres Versprechen. Das ist reiner Populismus. Damit wollen Sie die Menschen in der Region kaufen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zu den Argumenten gegen den Ausbau.

Erstens. Der Flughafen ist ein Klimakiller. Angesichts der drohenden Klimakatastrophe ist ein weiterer Anstieg des Luftverkehrsaufkommens nicht zu verantworten. Es hilft auch nicht, in Sonntagsreden von Nachhaltigkeit und Energiewende zu schwadronieren, wenn man gleichzeitig den Ausbau des Frankfurter Flughafens forciert.

Zweitens. Der Flughafen zerstört die Umwelt im Rhein- Main-Gebiet. 350 ha besonders wertvollen und schützenswerten Bannwaldes wurde für den Ausbau zur Abholzung freigegeben. Im Kelsterbacher Wald wurde mit den Rodungen begonnen. Die Region verliert damit einen überlebensnotwendigen Schadstoffbinder und Klimaregulator.

Drittens. Der Flughafen gefährdet die Gesundheit der Menschen. Die mit dem Ausbau einhergehenden gesundheitlichen Belastungen Hunderttausender Menschen durch Lärm und Schadstoffe werden billigend in Kauf genommen.

Viertens. Der Frankfurter Flughafen ist ein Sicherheitsrisiko. Die Zunahme der Zahl der Flugbewegungen und die daraus resultierende Verdichtung im Luftraum erhöhen das Risiko von Abstürzen. Darüber sollte sich die Regierungsfraktionen einmal Gedanken machen. Ihnen liegt ja sonst die Sicherheit der Menschen angeblich so am Herzen.

Fünftens. Es gibt keine Notwendigkeit für den Ausbau. Deutschland hat die höchste Flughafendichte Europas. 18 internationale Flughäfen sind über die ganze Republik verteilt. Die Rhein-Main-Region ist mit dem größten deutschen Flughafen überversorgt. Mehr als die Hälfte der Passagiere nutzten den Flughafen zum Umsteigen oder für Nahverbindungen. Mit dem Bau leistungsfähiger Netze könnte der Verkehr stärker auf die umweltfreundliche Schiene verlegt werden. Wenn man die ausbauen würde, könnte man rund 24.000 Starts auf dem Flughafen Rhein-Main überflüssig machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Statt den Frankfurter Flughafen weiter aufzublähen, sollten wir die Schiene fördern – als umweltfreundlichen Beitrag zum Klimaschutz. Der Ausbau des Frankfurter Flughafens ist weder verkehrstechnisch noch wirtschaftlich sinnvoll. Die LINKE steht deshalb an der Seite der Menschen in der Region. Wir fordern: Kein weiterer Ausbau des Frankfurter Flughafens!

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen den Klimaschutz voranstellen, und wir fordern ein Nachtflugverbot, das diesen Namen verdient. Auf Drängen von Fraport ist die Nachtruhe auf 23 Uhr bis 5 Uhr verkürzt worden. Weltweit gilt die Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr als Nacht. Nach einer Vielzahl gebrochener Versprechen der verschiedenen Landesregierungen zum Thema Flughafenausbau – ich erinnere an: „Kein Baum wird mehr fallen“ – hat Ministerpräsident Roland Koch noch einen obendrauf gesetzt. Das reicht von „nicht verhandelbarem Nachtflugverbot ohne Interpretationsspielraum“ bis zu „regelmäßigen Nachtflügen im 20-Minuten-Takt“. Sie stehen nicht zu Ihren eigenen Zusagen. Das Nachtflugverbot war ein klares Versprechen gegenüber den Menschen in der Region, und Sie haben es gebrochen. Der Widerstand gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens geht quer durch alle Bevölkerungsschichten und alle Altersgruppen. Wir stehen auf der Seite der Bürgerinitiativen. Wir waren beim Widerstandscamp im Kelsterbacher Wald.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Wir waren in den Bürgerinitiativen aktiv. Wir stehen an der Seite der Menschen, die sich gegen den Flughafenausbau, für eine lebenswerte Umwelt und die Lebensqualität in den Kommunen einsetzen. DIE LINKE steht an der Seite dieser Menschen, weil für uns die Menschen wichtiger sind als Profite. Die Region gehört den Menschen – nicht Fraport und Lufthansa.

(Beifall bei der LINKEN)