A 49: Es geht nur mit Verkehrsvermeidung und den Ausbau des ÖPNV

Rede von Janine Wissler zum Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Weiterbau der A 49 über die Region hinaus von zentraler Bedeutung am 15 Dezember 2010

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

ich bin einigermaßen irritiert darüber, dass die Regierungsfraktionen uns heute vorschlagen, die Landesregierung dafür zu loben, dass sie mit dem Bau eines Autobahnabschnitts beginnt, ohne dass das dafür nötige Planfeststellungsverfahren beendet ist. Wir haben ja schon in anderem Zusammenhang vernommen, dass sich die Regierung an geltendes Recht nicht gebunden fühlt, wenn sie eben „eine andere Rechtsauffassung" vertritt.

Naturschutz

Es passt Ihnen nicht, aber es gibt das Naturschutzrecht. Trotz aller Sonntagsreden hört die Sympathie von CDU und FDP für den Natur- und Artenschutz immer dann auf, wenn konkrete Projekte betroffen sind.

Und im Fall des Weiterbaus der A49 geht es nicht nur um die viel zitierten Kammmolche, auch wenn der zuständige Minister versucht, die ökologischen Einwände gegen den geplanten Trassenverlauf auf eine kleine Population Kammmolche zu reduzieren.

Ein Bauunternehmer namens Roland Koch sprach einst von der Investitionsbremse "Kammmolch" und kritisierte den Schutz des Kammmolchs in FFH-Gebieten.

Es geht hierbei nicht um den Schutz einer Art, sondern um den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen für uns alle.

Sie stricken Ihre Molchstoßlegende, um davon abzulenken, dass eklatante Planungsfehler der Behörden und die Nichtbeachtung von Gesetzen die Ursache dafür sind, dass sich der Weiterbau verzögert und nicht die sogenannte Blockadementalität der Naturschützer und die fehlende Flexibilität der starrsinnigen Kammmolche. Aber denen wollen Sie die Verantwortung für das langwierige Verfahren und die hohen Kosten in die Schuhe schieben.

EU-Regelungen wie Natura 2000 dienen dazu, seltene Tier- und Pflanzenarten zu schützen. Wertvolle Naturräume, die es in Deutschland wegen der ständigen Planung und Genehmigung von immer mehr Straßen und sonstigen Bauvorhaben immer weniger gibt, sind zu erhalten. Aber die Landesregierung versucht diese Regelungen ins Lächerliche zu ziehen und zu umgehen, weil sie den Partikularinteressen einiger Lobbygruppen zuwiderlaufen.

Nach der Streichung der Verbandsklage im hessischen Naturschutzgesetz, wollen Sie jetzt mit den Schlagworten „übertriebener Artenschutz", „zu lange Planungszeiten", „Bürokratieabbau" und „zu lange Rechtswege" auf eine drastische Beschränkung der Beteiligungsrechte erreichen. Das ist nicht hinzunehmen.

Denn worüber wir reden und was die örtlichen Kritiker des Projektes seit Jahren vortragen ist die Zerstörung eines seltenen Biotops, das auch als Naherholungsgebiet für die Anwohner dient.

Solche Biotope sind nach langer Auseinandersetzung mit den Auto- und Betonlobbyisten unter den Schutz von Bundes- und Europarecht gestellt worden.

Außerhalb der hessischen Regierungsfraktionen hat sich nämlich vor Jahrzehnten herumgesprochen, dass unser Land nicht erst dann fertig entwickelt ist, wenn jedes Haus und jede Garage mit einem Autobahnzubringer verbunden ist.

Mit dem Weiterbau der A49 von Neuental bis Schwalmstadt würde eine hochbelastete Transitroute entstehen, die der Region erhebliche Nachteile brächte: Für einzelne Städte wie Treysa, aber auch für den gesamten Raum Schwalmstadt würde der Bau der Autobahn deutliche Verschlechterungen der Lebensqualität bringen, denn das Verkehrsaufkommen würde zunehmen und mehr Lärm, Schadstoffe und verstopfte Straßen wären die Folge.

Der Verweis auf mehr Arbeitsplätze und wirtschaftliche Entwicklung durch die A 49 sind bestenfalls Spekulation, vor allem aber eine Beruhigungspille für die Anwohner.

Kosten

Durch die betroffene Region verlaufen bereits zwei Autobahnen, mehrere Bundesstraßen und eine viel befahrene Bahntrasse. Von einer verkehrlichen Erschließung kann also keine Rede sein.

Dafür aber von erheblichen Kosten. 183 Millionen Euro sind veranschlagt worden, und alle wissen, dass die ersten Kostenanschläge in aller Regel zwei Drittel oder weniger der tatsächlichen Kosten abbilden, die dann im Laufe der Bauzeit entstehen.

Überträgt man die Baukosten von 183 Millionen Euro für dieses knapp 12 Kilometer lange Teilstück auf die gesamte Planung von 41 Kilometerlänge, ergeben sich Kosten von über 535 Millionen Euro.

Damit sind die noch im Bundesverkehrswegeplan 2003 kalkulierten Kosten um 60 Prozent angestiegen.

Diese Entwicklung bestätigt die volkswirtschaftliche Unsinnigkeit der Planung. Die Einstufung der A49 in den sogenannten „Vordringlichen Bedarf" des Bundesverkehrswegeplanes beruhte auf einem sehr viel günstigerem Nutzen-Kosten-Verhältnis.

Gleichzeitig kürzen Bund und Land ihre Zuschüsse für den Schienenverkehr und frieren die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs faktisch ein. Der geplante neue Abschnitt soll die Fahrstrecke von Nordhessen ins Rhein-Maingebiet um zwölf Kilometer verkürzen. Das scheint im Verhältnis zu den Kosten – den finanziellen wie den ökologischen und der Mehrbelastung der rund 5.000 Anwohner der neuen Trasse – unangemessen hoch.

Die Mitglieder der örtlichen Bürgerinitiative Schwalm ohne Autobahn, deren Brief Ihnen allen zugegangen ist, sind zum Teil seit vielen Jahren mit der Materie und den immer wieder gemachten Zusagen, Verzögerungen und unterschiedlichen Planungen vertraut.

Alternative

Es gibt Alternativen: Dabei sollte die Bewahrung der Lebens- und Wohnqualität in der Region Maßstab für alle Entscheidungen sein.

Bei der verkehrlichen Infrastruktur bedarf es einiger Verbesserungen.

Nach der Konzeption der Umweltverbände und Bürgerinitiativen soll statt der A 49, die hauptsächlich die Nachteile eines überregionalen Durchgangsverkehrs in die Region trägt, ein gleichrangiges Netz von Land- und Bundesstraßen ausgebaut werden. Wir müssen auch über Umgehungsstraßen und LKW-Fahrverbote reden, um die Anwohner zu entlasten.

Klima

Wir brauchen dringend eine Kehrtwende in der Verkehrspolitik. Die Landesregierung privilegiert den Straßenbau und die Luftfahrt. Während der verkehrsbedingte CO2-Ausstoß bundesweit sinkt, stieg er in Hessen.

Die Landesregierung geht in dem ganzen Verfahren nach einem schrecklich einfachen und starren Schema vor. Annahme eins ist: wenn wir ein Verkehrsproblem haben, bauen wir eine neue Straße. Annahme zwei ist ebenso schlicht und lautet: neue Straße verbessern die Infrastruktur stärken die „anliegenden Unternehmen im strengen Wettbewerb", wie das Wirtschaftsministerium in einem Schreiben zur A49 formulierte.

Nun ist die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte leider nicht, dass die stetige Landschaftsversiegelung durch den Straßenbau zu einer Reduzierung des Verkehrs oder auch nur zu einer Entlastung der einzelnen Straßen geführt hätte. Das Gegenteil ist der Fall. Straßenneubauten bringen immer nur kurzfristige Entlastungen.

Wenn wir als Transitland Hessen nachhaltig etwas gegen den „Verkehrskollaps" tun wollen, vor dem die Verkehrsverbände warnen, dann geht das nur durch Verkehrsvermeidung und den Ausbau des ÖPNV statt immer neuer Straßen.