Hessische Bauordnung: Die Kommunen sind die besseren Naturschützer

Rede von Janine Wissler zur Zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Bauordnung und des Hessischen Energiegesetzes

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

es wird Sie nicht überraschen, dass wir dem Gesetzentwurf zur Änderung der Hessischen Bauordnung nicht zustimmen werden. Es sollte Sie aber nachdenklich stimmen, dass auch die kommunalen Spitzenverbände die zentralen Neuregelungen ablehnen. In der Anhörung wurden vor allem zwei kritische Punkte genannt.

Das erste Problem ist, dass Sie mit Ihrem Gesetzentwurf den Kommunen ein Instrument aus der Hand schlagen, um ihre lokalen Klimaschutzziele zu erreichen. Sie wollen Paragraph 81 Absatz 2 streichen, der den Kommunen ermöglicht durch Energiesatzungen Vorgaben zu machen, z.B. zum Ausbau von Erneuerbaren Energien. Das ist in Zeiten des Klimawandels kontraproduktiv und rückwärtsgewandt. Um den CO2 Ausstoß zu reduzieren, muss auch und gerade beim Gebäudebestand angesetzt werden.

Die Landesregierung argumentiert, für Neubauten gelte inzwischen das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz des Bundes. Das ist richtig, aber die eigentliche Herausforderung sind nicht die Neubauten. Wenn Sie den Eindruck erwecken, das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz sei eine ausreichende Kompensation, dann geht das an der eigentlichen Fragestellung vorbei, nämlich: Was machen wir mit den Altbaubestand?

Hier liegt ein viel höheres Potential zum Einsparen von Energie und zur Reduktion von CO2 und hier müssen Regelungen geschaffen werden.

Marburger Solarsatzung

Die Stadt Marburg hat das angepackt und bereits 2008 die sogenannte Solarsatzung beschlossen. Sie sollte Bauherren dazu verpflichten, eine Solaranlage aufs Dach zu setzen, wenn sie ein Haus bauen, ein Dach sanieren, ein Gebäude erweitern oder auch nur eine Heizungsanlage austauschen.

Das Gießener Verwaltungsgericht kippte die Verordnung, aber nur wegen Details.

Jetzt hat die Stadt nachgebessert und eine neue Solarsatzung beschlossen. Die Übergangsfristen wurden verlängert und es gibt mehr Ausnahmen, z.B. für denkmalgeschützte Häuser und für Eigentümer, die Solarthermie nicht wirtschaftlich sinnvoll nutzen können. Dann sind Alternativen möglich.

Man könnte das Vorgehen der Stadt Marburg als vorbildlich und wegweisend bezeichnen, die Landesregierung aber will der Solarsatzung die rechtliche Grundlage entziehen und ich frage Sie: Was spricht denn dagegen den Kommunen diesen Spielraum zu lassen?

CDU und FDP stellen erneut unter Beweis, dass sie den Einsatz Erneuerbarer Energien nicht nur nicht fördern, sondern bekämpfen, wo immer sich die Gelegenheit bietet. Das ist eine verbohrte und interessensgeleitete Politik.

Und dann legen Sie sich widersprüchliche Begründungen zurecht, warum Paragraph 81 Absatz 2 nicht mehr gebraucht werde. Mal führen Sie die Bundesgesetzgebung an, die den Absatz angeblich kompensiert, was Ihnen die Experten in der Anhörung widerlegt haben. In der Begründung Ihres Gesetzentwurfs ist zu lesen, dass die Regelung nicht mehr nötig sei, weil sich der Schadstoffausstoß seit den 80er Jahren erheblich verringert habe. Mit der Begründung können wir auch die Katalysatorpflicht für Autos wieder aufheben.

Durch die geplante Änderung der hessischen Bauordnung greifen Sie einmal mehr ein in die kommunale Selbstverwaltung. Deshalb haben sich auch dutzende Kommunen in einem Aufruf gegen die Streichung gewandt.

Wir brauchen keine Showveranstaltungen und Nachhaltigkeitstage der Landesregierung, wenn Sie 364 Tage im Jahr auf Nachhaltigkeit pfeifen und jeden Fortschritt verhindern.

Stellplatzabgabe

Das zweite Problem ist die Neuregelung der Stellplatzabgabe. Das trifft vor allem die Stadt Frankfurt. Wer in Frankfurt beispielsweise ein Bürohaus baut, darf in der Regel weniger Parkplätze errichten, als in der Stellplatzsatzung festgelegt sind. Die Stadt will mit dieser Regelung eine Überlastung des Straßennetzes vermeiden.

Das wird auch künftig noch möglich sein, aber bisher kann die Stadt für jeden durch die Untersagung nicht gebauten Parkplatz eine Gebühr erheben. Mit diesem Geld werden Parkhäuser, U-Bahnen und Radwege finanziert, also die Verkehrsinfrastruktur, von der am Ende auch der Bauherr profitiert.

Diese Möglichkeit soll jetzt aus der Bauordnung gestrichen werden. Die sogenannte Stellplatzablöse erbringt in Frankfurt jährlich 10 Millionen, weshalb die Stadt jetzt befürchtet, dass sich Verkehrsprojekte in Zukunft kaum noch finanzieren lassen.

In der Begründung des Gesetzentwurfs ist die Rede davon, dass die Stellplatzablöse ein „spürbares Investitionshemmnis" darstelle und dass sie zu „zweifelhaften Verlagerungen" führe.

Die Industrie- und Handelskammer sprach in der Anhörung davon, dass sie wie „Mehltau über den Investitionsentscheidungen" liege.

Ich habe in der Anhörung mehrmals nachgefragt, ob diese angeblichen Investitionshemmnisse zu belegen oder zu quantifizieren sind und worauf man auf die Annahme zurückführt, dass für fehlende Investitionen tatsächlich das Instrument der Stellplatzabgabe verantwortlich sei.

Ich habe keine Antwort darauf bekommen.

Würden der IHK irgendwelche Belege vorliegen, dann wären diese genannt worden. In Frankfurt gibt es ein Handwerkerprivileg in der Satzung und kleinere Betriebe zahlen niedrigere Ablösesummen, damit sie nicht übermäßig belastet werden.

Es gibt also keine Statistiken und keine Zahlen, sondern nur das allgemeine Gejammer der Unternehmen: Löhne zu hoch, Steuern zu hoch, Abgaben zu hoch, Stellplatzablöse zu hoch.

Und wenn in einer Stellungnahme sogar noch der Weggang der Frankfurter Börse als Folge der Stellplatzablöse angeführt wird, dann ist das absurd. Die Frankfurter Börse hatte die Stellplatzabgabe schon lange gezahlt.

Und zuletzt: Wenn es tatsächlich verfassungsrechtliche Bedenken gibt, wie Sie argumentieren, dann frage ich mich, warum noch niemand dagegen geklagt hat. Dann würde das Verfahren gerichtlich geprüft. Dass dies nicht geschehen ist, kann ich nur darauf zurückführen, dass sich all die Anwälte, die in der Anhörung aufgeschlagen sind, doch nicht ganz sicher sind bei ihrer Behauptung.

Deshalb sind wir der Meinung, dass die Kommunen im Rahmen kommunaler Selbstverwaltung selbst entscheiden sollen, ob sie Stellplatzsatzungen als verkehrspolitisches Steuerungsargument nutzen.

Herr Fuhrmann wies für die Stadt Frankfurt in der Anhörung zu Recht darauf hin, dass die Stadt nicht nur Wirtschaftsstandort, sondern auch Wohnstandort ist. Deshalb sind die Vermeidung von Lärm und Schadstoffen durch hohes Verkehrsaufkommen ein legitimes Anliegen einer jeden Kommune. Deshalb lehnen wir auch hier die Neuregelung ab.

Zum Schluss noch etwas Positives. Wir begrüßen, dass die Fraktionen von CDU und FDP die Anregungen der Feuerwehr für einen besseren Brandschutz durch präzisere Regelungen in ihren Änderungsantrag aufgenommen haben. Und wir begrüßen auch den besseren Schutz vor Abstürzen insbesondere von Kindern. Die Landesregierung wollte mit ihrem Gesetzentwurf hier Schutzvorschriften bei Brüstungen und Geländern abbauen. Die Fraktionen von CDU und FDP wollen diese Schutzrechte erhalten und das finden wir gut. Bemerkenswert fand ich Ihre Begründung, in der Sie schreiben: „Der Kindersicherheit wird damit Vorrang vor Deregulierung und Handelserleichterungen eingeräumt." Wir teilen diese Ansicht, finden es aber schade, dass die Landesregierung nicht von alleine dieser einfachen Wahrheit gefolgt ist.