Korruption ist vor allem die Verselbstständigung von Macht

Rede von Jaine Wissler zur Ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Hessisches Gesetz zur Verbesserung der Korruptionsbekämpfung und zur Errichtung und Führung eines Korruptionsregisters (Hessisches Korruptionsbekämpfungsgesetz)

 

Herr/Frau Präsident/in, meine Damen und Herren,

der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat vor einiger Zeit eine Broschüre zur Korruptionsprävention bei der öffentlichen Vergabe herausgegeben. Darin ist nachzulesen, ZITAT „dass sich die Ausbreitung der Korruption insbesondere in den letzten Jahren zu einem gravierenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und auch politischen Problem entwickelt hat."

Und es wird empfohlen, dass die Städte und Gemeinden zur Verhinderung von Manipulationen und zur Bekämpfung von Korruption offensiv eigene Anti-Korruptionsstrategien entwickeln.

Die öffentliche Hand ist der größte Auftraggeber in Deutschland mit einem geschätzten Auftragsvolumen von 360 Milliarden Euro im Jahr oder 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Bei der öffentlichen Vergabe werden Standards gesetzt für das gesamte Wirtschaftsleben. Deshalb liegt hier eine besondere Verantwortung. Öffentlich Vergabepraxis muss berücksichtigen, ob Umweltstandards eingehalten und vernünftige Löhne gezahlt werden, vor allem aber muss das Verfahren transparent und nachvollziehbar sein. Wir haben bereits vor über einem Jahr ein Vergabegesetz in den Landtag eingebracht, dass die Landesregierung dazu verpflichten soll, soziale und ökologische Kriterien bei der Vergabe zu berücksichtigen.

Aber ehrlich gesagt, wären wir in den vergangen Wochen schon froh gewesen, wenn sich die Landesregierung bei der Vergabe an die bereits existierenden Regelungen gehalten hätte.

Dann müssten wir uns nicht mit Unregelmäßigkeiten bei der Beschaffung im IT-Bereich beschäftigen.

Deutschland nimmt auf dem aktuellen Korruptionsindex von transparency international den 15. Platz ein, im Jahr zuvor war es noch der 14. Korruption ist also auch in Deutschland und auch in Hessen ein Thema.

Und Korruption, da möchte ich die Kolleginnen und Kollegen von der SPD ergänzen, ist nicht nur ein Problem, weil sie den freien Wettbewerb einschränkt und das Ansehen staatlicher Institutionen schmälert. Korruption ist vor allem die Verselbstständigung von Macht. Bei Korruption geht es darum, dass Menschen Befugnisse und Ressourcen, die ihnen anvertraut wurden zur Verwaltung zum Wohle der Allgemeinheit, zu ihrem persönlichen Nutzen gebrauchen und daher missbrauchen. Menschen, die Steuern zahlen und sich auf die öffentliche Verwaltung verlassen, werden betrogen und ihr Geld wird veruntreut.

Aber ich kann der Begründung der SPD nicht folgen, wenn es da heißt, es sei sicherzustellen, dass „Entscheidungen ausgeschlossen werden, die nicht auf betriebswirtschaftlicher Basis getroffen wurden."

Vielleicht ist es nur eine unglückliche Formulierung.

Denn selbst nach dem Rüffert-Urteil ist es auch EU-rechtlich möglich und erlaubt, dass öffentliche Auftraggeber andere als rein betriebswirtschaftliche Ziele mit ihrer Auftragsvergabe verfolgen, zum Beispiel volkswirtschaftliche, soziale und ökologische. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass von dieser verbliebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht wird. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es im Sinne der SPD ist, diese Möglichkeit nun wieder einzuschränken und auf rein betriebswirtschaftliche Ziele zu beschränken.

Das wirtschaftliche Problem bei der Korruption ist, dass Geld ohne entsprechende Gegenleistung verausgabt wird. Durch Absprachen oder Bestechung gelangen Bieter an Aufträge. Und das ist etwas völlig anderes, als wenn man „mehr" bezahlt, um sicherzustellen, dass bei der Auftragserfüllung Tariflöhne gezahlt werden, keine Kinderarbeit eingesetzt wird oder kein geschütztes Tropenholz. Das eine ist ein sinnvoller Mitteleinsatz zur Erreichung wichtiger gesellschaftlicher Ziele, das andere ist Verschwendung öffentlicher Mittel und private Bereicherung.

Dass solche Vorgänge Auswirkungen auf das Ansehen der gesamten öffentlichen Verwaltung und gewählter Mandatsträger haben, liegt auf der Hand.

Besonders im Baugewerbe ist es ein offenes Geheimnis, dass es immer wieder zu illegalen Machenschaften bei der Auftragsvergabe kommt, dass Bestechung, Preisabsprachen und das Unterlaufen des Arbeitsgesetzbuches leider häufige Begleiterscheinungen des Geschäfts zwischen Auftraggebern und –nehmern sind.

Daher greift der Antrag ein Anliegen auf, dass allen am Herzen liegen sollte, gerade denen, die sich immer damit brüsten, für Recht und Ordnung einzustehen. Die Idee, dazu ein Register einzurichten, in dem gelistet wird, wer nachweislich seine Unzuverlässigkeit bewiesen hat, ist nicht neu, aber richtig. Sie wird auch von transparency international erhoben.

Die Weltbank hat mit der Einrichtung gute Erfahrungen gemacht und arbeitet mit ihrer schwarzen Liste seit bald 20 Jahren.

Wenn eine so einfache Maßnahme wie die Sammlung von Daten straffällig gewordener Unternehmen als bürokratischen Überaufwand im Hessischen Landtag abgelehnt würde, dann würde das gerade vor dem Hintergrund der laufenden Untersuchungsausschüsse und der zahlreichen Affären und Skandälchen im Dunstkreis dieser Landesregierung ein sehr fragwürdiges Licht auf die Mehrheit in diesem Haus werfen.

Der Gesamtschaden, der jährlich durch die verschiedenen Arten der Wirtschaftskriminalität entsteht, wird auf bis zu 200 Milliarden geschätzt. Das gibt mal einen Eindruck davon, mit welchen Dimensionen wir es hier zu tun haben.

Ein Bruchteil davon wird aufgeklärt oder auch nur verfolgt. Und das zeigt einmal mehr, wie wertlos die schönsten Gesetze, Vorgaben und Richtlinien sind, wenn im Zuge der Entbürokratisierung dafür gesorgt wird, dass nicht mehr auf ihre Einhaltung geachtet wird.

Denn dafür braucht es Personal, und den politischen Willen, dieser Art der Kriminalität einen Riegel vorzuschieben. Ohne die nötige personelle Ausstattung macht auch das schönste Vergabegesetz keinen Sinn, aber auch ein Korruptionsregister wird nicht funktionieren, wenn es niemanden gibt, der es pflegt, bekannt macht und dafür sorgt, dass es in der Praxis auch eingesetzt wird. Da greift der vorliegende Antrag ein wenig zu kurz, wenn erklärt wird, die Kosten seien nicht konkret zu beziffern.

Es wäre konsequenter, wenn klar gesagt würde, dass für die Umsetzung dieses Gesetzes, damit es kein Papiertiger bleibt, auch neue Stellen im öffentlichen Dienst geschaffen werden müssten. Aber grundsätzlich teilen wir die Ansicht, dass ein Korruptionsregister eine präventive Wirkung entfalten würde.

Deshalb werden wir trotz mancher Kritik an Details dem Antrag zustimmen und überlassen es anderen, gegen Korruptionsbekämpfung zu argumentieren.