Millionen für die Elite und Kürzungen für den Rest

Rede von Janine Wissler zur Aktuellen Stunde der LINKEN betreffend Schwarz-gelbe Klientelpolitik: Eliteförderung statt Bildung für alle - bei öffentlichen Hochschulen wird gekürzt, für die European Business School (EBS) werden Millionen aus Steuergeldern bereitgestellt am 24. Juni 2010

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Es zeigt sich immer wieder, dass sich die Krise nicht überall bemerkbar macht und dass offenbar auch nicht überall Sparen angesagt ist.

Letzte Woche flanierten 1.000 geladene Gäste in Abendgarderobe über den roten Teppich zum Wiesbadener Kurhaus. Gefeiert wurde, dass Wiesbaden jetzt eine Universität hat: die „European Business School, kurz EBS, Universität für Wirtschaft und Recht". Universität bedeutet in diesem Fall eine elitäre Kaderschmiede für 200 handverlesene Studierende pro Jahrgang, die sich die exklusiven Bedingungen leisten können. Mit viel Pomp und Prominenz wurde dieses Ereignis zelebriert: mit einer Show mit Feuerwerk, einem eigens komponierten EBS-Lied und Videobotschaften von Promis, unter anderem von Boris Becker.

Keine staatliche Hochschule hätte sich in den heutigen Sparzeiten einen solchen Auftritt leisten können. Aber die EBS verfährt nach dem Motto: „Eure Armut widert mich an", und lässt die Sektkorken knallen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vertreter der GEW versuchten, den Gästen mit der Sammelbüchse Spenden für die öffentliche Bildung abzuringen. Leider ist mir das Sammelergebnis nicht bekannt.

125 Millionen € kostet der Aufbau der neuen juristischen Fakultät. Rund 50 Millionen € kommen vom Land und von der Stadt Wiesbaden, als ob man an staatlichen Hochschulen keine Juristen ausbilden könnte. Ich sage Ihnen: Sie könnten noch mehr Juristen noch besser ausbilden, wenn Sie den Hochschulen nicht die Mittel kürzen würden.

(Beifall bei der LINKEN)

Allein in diesem Jahr bekommt die EBS 5 Millionen € aus dem Landeshaushalt. Dabei behauptet die Landesregierung, sie wolle tabulos sparen. Bei Hartz-IV-Empfängern wird gekürzt, und der Elite werden die Millionen in den Rachen geworfen. Das ist eine Politik, die nicht hinzunehmen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Mittel für die EBS stammen aus Steuergeldern, die größtenteils von Menschen gezahlt werden, deren Kinder diese Universität nie werden besuchen können, da diese bis zu 13.000 € Studiengebühren pro Jahr verlangt. Dafür genießen die Kinder reicher Eltern exklusive Studienbedingungen, während die Kinder anderer Eltern, wenn sie es überhaupt an eine Hochschule schaffen, in vergammelten und überfüllten Hörsälen sitzen.

Für diese „mutige Entscheidung" bedankte sich der Rektor der EBS ausdrücklich bei dem Herrn Ministerpräsidenten und seinem – Zitat – „guten Kumpel", dem Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, Florian Rentsch. Herrn Rentsch hat nämlich maßgeblich dazu beigetragen, dass es diesen Geldsegen gab. Sowohl als Landtagsabgeordneter als auch als Vorstandsmitglied der EBS-Stiftung hat er dazu beigetragen, dass es diese Millionenbeträge gibt.

Dem Stiftungsvorstand der EBS gehören Unternehmensvertreter der Deutschen Bank, der Lufthansa, von McKinsey, von Bayer, der Fraport, des Verbands der Automobilindustrie und als einziger Politiker – „Nicht-Wirtschaftsvertreter" wäre vielleicht das falsche Wort – Florian Rentsch an. Insgesamt sind es übrigens 21 Männer und eine Frau. Das heißt, es herrschen Zustände wie in der FDP-Fraktion. Kein Wunder, dass sich Herr Rentsch dort wohlfühlt.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In Hessen gilt: Wer hat, dem wird gegeben. 30 Millionen € hatte das Land für die EBS übrig, während die gleiche Summe jährlich an den öffentlichen Hochschulen gespart wird. Die Jamaika-Koalition in Wiesbaden entscheidet sich auch noch dafür, 10 Millionen € draufzulegen. Die öffentlichen Schulen müssen darunter leiden. Kürzlich erst musste die Wiesbadener Schuldezernentin wegen Geldmangels laufende Arbeiten an Neubauten stoppen. Den Schulen wurden die Budgets gekürzt, sodass einige bald nicht mehr wissen, wie sie das Toilettenpapier bezahlen sollen, geschweige denn einen neuen Kopierer. Aber dort sitzt auch kein Florian Rentsch im Förderverein.

In den öffentlichen Schulen bröckelt der Putz von der Decke, während den Kindern reicher Eltern eine exklusive Ausbildung geboten wird. Ich finde, die „Frankfurter Rundschau" hat das sehr treffend kommentiert. Sie schreibt:

Es ist nur schwer zu vertreten, dass eine private Hochschule, die bis zu 13.000 € Gebühren pro Jahr von ihren Studenten verlangt, mit Millionen subventioniert wird, die den öffentlichen Bildungseinrichtungen genommen werden. Das ist schwarz-gelbe Klientelpolitik.

In der Tat, das ist Klientelpolitik in Reinform.

(Beifall bei der LINKEN)

Kritik kam auch von dem Präsidenten der Hochschule Rhein-Main, die von den Kürzungen ganz besonders betroffen ist. Die Landesärztekammer hat die Millionenzuschüsse an die EBS ebenfalls kritisiert. Zitat:

Es sollte nicht sein, dass in Prestigeobjekte investiert und zugleich am öffentlichen Bildungswesen gespart wird.

Das erklärte der Kammerpräsident Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Jetzt wirbt die EBS unter dem Motto „Wir sind Uni". Die groß angelegte Werbekampagne auf Wiesbadener Bussen und Plakatwänden ist vor allem eine Reaktion auf die Kritik und das Unverständnis weiter Teile der Bevölkerung, mit deren Steuergeldern jetzt um ihre Akzeptanz geworben wird. Das ist wirklich schon abstrus.

Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Wissler, Sie müssen zum Schluss kommen.

Janine Wissler (DIE LINKE):

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Ich bin der Meinung, angesichts der Kürzungen bei den öffentlichen Einrichtungen wären es ein richtiger Schritt und ein richtiges Signal, wenn die EBS auf die Anschubfinanzierung verzichten würde. Sonst ist das eine reine Klientelpolitik: Millionen für die Elite und Kürzungen bei der Bildung in der Breite. Das ist eine Politik, die nicht hinzunehmen ist.

(Beifall bei der LINKEN)