Leiharbeit spaltet Belegschaften und drückt die Löhne

Herr/ Frau Präsident/in, meine Damen und Herren,

der Fall Schlecker macht bundesweit Schlagzeilen. Schlecker entlässt tausende Mitarbeiterinnen, um sie in neuen XL-Filialen als Leiharbeiterinnen wieder einzustellen, befristet und zu Niedrigstlöhnen, von denen man nicht leben kann. Die Beschäftigten werden zu Aufstockern, Schlecker bereichert sich auf Kosten der Allgemeinheit.

Die gestrige Entscheidung des Marburger Arbeitsgerichts, das den Mitarbeiterinnen, die sich gegen diese Praxis wehren, Recht gegeben hat, ist eine Schlappe für Schlecker, die wir sehr begrüßen.
Schlecker ist die Spitze des Eisberges aber kein Einzelfall. Leiharbeiter sind oft die ehemaligen regulär Beschäftigten, die auf Gehalt, betriebliche Altersversorgung, Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten müssen. So werden Tarifverträge unterlaufen und Lohndumping betrieben.

Zu Recht fordert die Gewerkschaft Verdi eine generelle Überprüfung der Regeln für Leiharbeit. Die Stundenlöhne in der Zeitarbeitsbranche liegen bei durchschnittlich 7 Euro. Leiharbeiter sein, heißt auf Abruf zu leben, ohne feste Arbeitszeiten und ohne verlässliche Lebensperspektive.

Die viel beschworenen „Klebeeffekte“, wonach Menschen durch die Leiharbeit irgendwann in einem Betrieb bleiben und eine reguläre Beschäftigung finden, stellen sich kaum ein. Warum sollten auch die Leiharbeiter übernommen werden, wenn man doch gerade einen Teil der Stammbelegschaft in die Leiharbeit ausgegliedert hat?
Der einzige Klebeeffekt, der festzustellen ist, ist der Profit, der bei den Zeitarbeitsfirmen kleben bleibt.
Von denen gibt es mittlerweile über 7.000 in Deutschland, eine boomende Branche, die auch davon profitiert, dass die Arbeitsagenturen 60 Prozent ihrer so genannten Kunden in Zeitarbeit vermitteln. Das ist für viele die einzige Alternative zu Ein-Euro-Jobs, aber keine Perpektive. Sozial ist eben nicht einfach alles, was Arbeit schafft.

Im Zuge der Krise wurden die Leiharbeiter als erste gefeuert. Jahrelang wurde vom „atmenden Arbeitsmarkt“ gesprochen, in der Krise hat sich gezeigt, wie das tiefe Ausschnaufen eines deregulierten Arbeitsmarktes tausenden Menschen die Existenzen raubt.
Und wenn SPD und Grüne jetzt über die Auswüchse von Leiharbeit und Niedriglöhnen klagen, dann möchte ich Sie daran erinnern, dass es eine rot-grüne Regierung war, die die „Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ zu verantworten hat. Dieses Gesetzpaket, besser bekannt als Hartz-Gesetze, ist Grundlage der Ausbreitung der Leiharbeit in Deutschland.

Gerhard Schröder sagte 1999: „Wir müssen einen Niedriglohnsektor schaffen, der die Menschen, die jetzt Transfer-Einkommen beziehen, wieder in Arbeit und Brot bringt.“ Heute arbeiten immer mehr Menschen in Beschäftigungsverhältnissen, von denen man nicht mehr leben kann. Rot-grüne Politik hat die Voraussetzungen für die Erosion der regulären und abgesicherten Beschäftigung geschaffen. Das Ergebnis sind Leiharbeit, Minijobs, die Befristung von Arbeitsverhältnissen und der Abbau des Kündigungsschutzes, Hartz IV und Leiharbeit haben die Löhne gedrückt.

In den 50er und 60er Jahren wurde die Arbeitnehmerüberlassung, also die Leiharbeit, in Deutschland mit unerlaubter Arbeitsvermittlung gleichgesetzt und war deshalb verboten. Seit Beginn der 70er Jahre wurden die Regeln zur Leiharbeit schrittweise gelockert.

Was dabei rauskommt fasst der DGB so zusammen: „Zeitarbeit wird in Deutschland systematisch zum Lohndumping missbraucht.“

Bei der Debatte zu Hartz I im Bundestag verwies der damalige SPD-Wirtschaftsminister Clement, der heute auf keiner Veranstaltung der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft fehlen darf, darauf, dass sich im Kern alle damals im Bundestag vertretenen Fraktionen einig seien. Der Ausbau des Niedriglohnsektors war eines der zentralen Anliegen der rot-grünen Bundesregierung. Um „verkrustete Strukturen“ zu modernisieren, wie es damals hieß. Wie passend, dass Clement nach dem Ausscheiden aus der Regierung einen hoch dotierten Posten bei einer Zeitarbeitsfirma angenommen hat.

Jetzt will sich die SPD für die Regulierung der Leiharbeit einsetzen, nachdem sie in der Regierung die Deregulierung des Arbeitsmarktes vorangetrieben hat. In der Opposition setzt sie sich für die Lösung von Problemen ein, die sie selbst geschaffen hat, und will den Menschen helfen, denen sie durch ihre Gesetze die Sicherheiten genommen hat. Um die Situation tatsächlich zu verbessern, müssten Sofortmaßnahmen umgesetzt werden, wie:

  • Gleiche Arbeit darf nicht schlechter entlohnt werden: Durch eine Flexibilitätsvergütung, wie in Frankreich, kann Leiharbeit zurückgedrängt werden.
  • Begrenzung der Überlassungshöchstdauer auf drei Monate
  • Ausweitung der Mitbestimmung auf die Leiharbeit.
  • Verbot von Leiharbeit in bestreikten Betrieben: Leiharbeiter und Leiharbeiterinnen dürfen nicht als Streikbrecher missbraucht werden.
  • Verbot der Synchronisation von Arbeitsverträgen und Ausleihzeiten.

Die LINKE hat all diese Vorschläge im Deutschen Bundestag zur Abstimmung gestellt. Alle anderen Fraktionen haben sie abgelehnt. Die Leidtragenden sind die Arbeitnehmer. Denn Leiharbeit schafft betriebsratsfreie Zonen und soll die Belegschaften spalten und disziplinieren. Deshalb muss Leiharbeit wieder gesetzlich verboten werden.