Rede zur GTZ und Neuorganisation der Entwicklungshilfe


Herr/Frau Präsident/in,
meine Damen und Herren,

wenn es nicht so traurig wäre, könnte man die Berufung Dirk Niebels zum Bundesentwicklungsminister glatt als einen Scherz der Bundeskanzlerin verstehen. Denn nachdem Niebel sich im Wahlkampf noch für die Auflösung des BMZ ausgesprochen hatte, ist er nun Leiter des Ministeriums, das er für überflüssig hielt. Unter den Mitarbeitern und bei den entwicklungspolitischen Netzwerken hat seine Ernennung nicht gerade Begeisterung hervorgerufen, und seine Personalpolitik hat die Zweifel erhärtet. Zu viele Externe, davon zu viele Parteifreunde mit zu wenig Fachkenntnis, jedenfalls im Entwicklungsbereich.

Herr Niebel will jetzt umsetzen, was bereits in den vergangenen Jahren der schwarz-roten Koalition strategisch diskutiert wurde: die deutsche Außenpolitik soll gebündelt und stärker auf die eigenen Interessen ausgerichtet werden. Der Anspruch an die Entwicklungshilfe, historische Ungerechtigkeiten auszugleichen und zu einer nachhaltigen Verringerung von Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Armut beizutragen, rückt dabei immer mehr in den Hintergrund.

Man will eine engere Verzahnung der Politik in den Bereichen Entwicklung, Sicherheit und Außenwirtschaft. Und so rücken die strategischen Interessen in den Vordergrund. Ausgaben für den Afghanistan-Einsatz werden plötzlich als Teil der Entwicklungshilfe deklariert, und so schafft die Bundesregierung eine Erhöhung der Entwicklungshilfe um 256 Millionen. Herr Innenminister Bouffier konnte sich kürzlich selbst vor Ort ein Bild von der Lage in Afghanistan machen.

Ich fand es bemerkenswert, dass die Landesregierung Innenminister Bouffier zur Begutachtung der Polizeiausbildung nach Afghanistan geschickt hat, vermutlich, um denen mal zu erklären, wie man Ämter bei der Polizei besetzt. In Sachen Vetternwirtschaft ist die Hessische Landesregierung ja international anerkannt.

Jetzt geht es also um die Neustrukturierung der Entwicklungshilfe und gegen die Vermeidung von Doppelstrukturen und Regiekosten in der Entwicklungszusammenarbeit ist nichts zu sagen. Im Gegenteil, die Zusammenlegung der drei staatlichen Organisationen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit GTZ, Inwent und DED könnte Mittel freisetzen, die sinnvollen Projekten in Entwicklungsländern zugutekommen sollten. Aber dazu muss vermieden werden, dass die Umstrukturierung auf dem Rücken der Beschäftigten und zu Lasten der drei Organisationen stattfindet. Das Fachwissen und das Engagement der Beschäftigten bilden das Rückgrat der deutschen Entwicklungspolitik. Gegen sie oder ohne sie eine Neuausrichtung auf der organisatorischen oder inhaltlichen Ebene zu beschließen, wird nicht funktionieren.

Deswegen darf die Umstrukturierung auch nicht als Wettkampf zwischen den Standorten ablaufen. Das würde zu einem Geburtsfehler jeder neuen Organisation werden, die aus den jetzigen dreien entsteht.
Wenn wir in der Außenpolitik von der Standortkonkurrenz weg- und zu Kooperation hinkommen wollen, können wir nicht damit anfangen, dass wir hier vor Ort die Belegschaften gegeneinander ausspielen. Die Belegschaften und ihre Interessenvertretungen sind die kompetentesten Berater bei der Fusion ihrer Organisationen. Egal was letztlich entschieden wird, das Zusammengehen sollte auf Augenhöhe verhandelt werden, und die Mitarbeiter sind in den Verhandlungsprozess aktiv einzubeziehen.

Es geht hier nicht um die Frage, ob die Arbeitsplätze in Hessen oder die in Nordrhein-Westfalen abgebaut werden.

Was wir brauchen ist eine Sicherung aller Arbeitsplätze, um möglichst zu einer qualitativen Aufstockung und Aufwertung der deutschen Entwicklungshilfe zu kommen. Und die anstehende Umstrukturierung sollte vor allem dazu genutzt werden, die ausufernde Prekarisierung der Arbeit in diesem Bereich zu beenden. Wer sich heute für globale Gerechtigkeit einsetzen will und dazu den Weg wählt, Projektmitarbeiter bei der GTZ zu werden, steht vor einer Lebensperspektive der Unsicherheit mit Arbeitsverträgen über zwei Jahre und weniger mit wechselnden Einsatzorten nicht nur international, sondern auch innerhalb Deutschlands. Das ist kein haltbarer Zustand, wenn wir die Entwicklungshilfe ernst nehmen. Und an die Adresse der Landesregierung: 260.000 Euro für Entwicklungszusammenarbeit im Landeshaushalt ist kein Ernstnehmen.

Die neue Organisation könnte ihre gesteigerte Effizienz direkt in eine Verbesserung ihre internationalen Engagements umsetzen, wenn die anstehende Umstrukturierung ohne Standortschließungen oder Arbeitsplatzabbau geplant wird. Dafür sollte sich der Landtag einsetzen, nicht für einen Wettkampf darum, wer am meisten zur Ader gelassen wird.