Vorrang für Erneuerbare Energien - Rede zum Energiegesetz

Herr Präsident/in,
meine Damen und Herren,

der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion ist in weiten Teilen eine Neuauflage des Entwurfs von Hermann Scheer aus dem Jahre 2008. Wir haben ja sehr bedauert, dass es seinerzeit nicht dazu kam, dass Hermann Scheer vom Schatten- zum amtierenden Minister wurde und seine Ideen umsetzen konnte. Die Einzelheiten dieser Entwicklung kann man sich heute bekanntermaßen von der Landeszentrale für politische Bildung erklären lassen.

Statt dem „Solar-Papst“ kam Atom-Silke und es bleibt dabei: Hessen ist Schlusslicht bei den Erneuerbaren und die Landesregierung tut alles, um diesen Platz zu verteidigen.

Wem das nützt hat Jürgen Großmann, Vorstandsvorsitzender von RWE, letzte Woche noch einmal in einfachen Worten erklärt: der Konzern peilt für 2010 ein neues Rekordergebnis an. Allein dieser eine Energieriese hat 2008 über sieben Milliarden Euro Gewinn gemacht. In den kommenden Jahren soll dieses Ergebnis stetig um je fünf Prozent erhöht werden. Hauptfaktor bei dieser Gewinnsteigerung: das Atomkraftwerk Biblis. Die beiden Blöcke waren 2009 nur drei Monate lang am Netz, um Restlaufzeiten zu sparen. Im laufenden Jahr soll das anders werden, und dann ist eine satte Gewinnsteigerung drin. Da käme ein Umstieg auf umweltschonende Energieträger eher ungelegen für RWE und Co. Mit Kraftwerken wie Biblis lassen sich pro Tag eine Million Euro verdienen. Konkurrenz von Windkraft oder Sonne wirkt da hinderlich, denn die Stromproduktion ist eine der profitabelsten Branchen in Deutschland, und mit zentralisierter Erzeugung wird sichergestellt, dass diese üppigen Profite in den Truhen der großen Vier landen.

Deshalb halten die Energiekonzerne und ihre Fürsprecher im parlamentarischen Außendienst so eisern an Kohle und Atom fest.

Und das ist nicht nur politisch ein Armutszeugnis für diese Regierung und die Unternehmen, die sie stützen. Sie bürden mit Ihrer Blockadepolitik den nachfolgenden Generationen die riesige Last auf, eines Tages den Umstieg im Hauruck-Verfahren hinkriegen zu müssen.

Denn der Umstieg ist ja unvermeidbar. Die bisherige Energiepolitik ist langfristig nicht finanzierbar, denn die Preise für fossile Energieträger werden explodieren, bis die Vorräte an Kohle und Uran endgültig erschöpft sind. Ihre ganze Rhetorik, mit der Sie im Namen der Generationengerechtigkeit die Rente kürzen und die Hochschulen zusammenstreichen und ebenso das Gerede von der Sicherheit, mit der Sie Nacktscanner, Videoüberwachung und den Lauschangriff verteidigen, wird mit dem schwarz-gelben Katastrophenkurs in der Atompolitik ad absurdum geführt.

Atomkraft birgt das Risiko eines atomaren Unfalls, es gibt keine sicheren Reaktoren. Und es gibt kein Endlager für die atomaren Abfälle. Ein Wassereinbruch in einem der sogenannten Endlager und ein massives Austreten von Radioaktivität aus Atommüllfässern hätten fatale Folgen.

Nun hat der Bundestag einen Untersuchungsausschuss zu Gorleben eingerichtet, und wo ein Untersuchungsausschuss ist, da ist die Hessen-CDU nicht weit, in diesem Fall wohl in Gestalt von Heinz Riesenhuber.

Klima vergiften und Schaden anrichten – das ist Ihre Form der Nachhaltigkeit.


Die Landeregierung stellt täglich unter Beweis, dass sie bereit ist, gegen Mehrheiten in der Bevölkerung zu agieren. Aber in der Energiefrage, die eine der entscheidenden der kommenden Jahre und Jahrzehnte ist, berufen Sie sich auf angebliche Stimmungen in der Bevölkerung, die Sie mit Ihren Kampagnen gegen Windkraftmonster schüren. Als ob sich Kühltürme schön in der Landschaft machen. Aber Ihre Desinformationskampagen bleiben ohne Erfolg.

Erst letzten Sonntag hat eine Bürgerbefragung in Freiensteinau ein klares Ergebnis gebracht:
Fast zwei Drittel stimmten für den Bau neuer Windkraftanlagen.

Und gerade heute geht der erste Hochsee-Windpark vor der Insel Borkum in Betrieb. Statt solche Vorstöße zu unterstützen ziehen Sie sich auf Ihre klägliche Nachhaltigkeitsstrategie zurück und suchen jetzt Bürgerinnen und Bürger mit einen CO2-armen Lebensstil, die sich in einer virtuellen „CO2mmunity" zusammenschließen.

Auf einer Homepage kann man per Mausklick eine Selbstverpflichtung eingehen. Dort verspricht man unter anderem: „Wo immer möglich, bewege ich mich klimafreundlich: zu Fuß, mit dem Fahrrad, in Fahrgemeinschaften oder mit Bus und Bahn.“ Nur schade, dass die Landesregierung alles dafür tut, dass genau das sehr oft nicht möglich ist.

Und dann verspricht man noch, eher zu duschen als zu baden, um so Wasser einzusparen, und seinen Urlaub „bevorzugt an nahe gelegenen Zielen zu verbringen“, um dadurch Flugreisen zu vermeiden. An dieser Stelle ist die Landesregierung besonders glaubwürdig, wo sie doch dem Frankfurter Flughafen eine Auszeichnung für seine Nachhaltigkeit verliehen hat. Den Flughafen ausbauen und dann Leute anhalten weniger zu fliegen, tolle Strategie.

Für diese Verpflichtungen wollen Sie 10.000 Menschen gewinnen – von sechs Millionen Hessinnen und Hessen wohlgemerkt, also ganze 0,17 Prozent. Aber beim Klimaschutz sind Ambitionen Ihre Sache nicht. Das zeigt Ihr halbherziges Vorhaben bis zum Jahr 2020 einen Anteil von 20 Prozent Erneuerbare Energien zu erreichen – ohne Verkehr versteht sich, sonst müssten Sie sich ja mit der Autoindustrie und dem Flughafenbetreiber anlegen. Wie Sie die wenig ehrgeizigen 20 Prozent erreichen wollen, bleibt Ihr Geheimnis.

Denn Ihre Kampagne zur Gewinnung von 100 hessischen Unternehmen beschränkt sich darauf, Firmen zu finden, die ohnehin schon aus wirtschaftlichen Gründen ihren Energieverbrauch verringern. Und denen soll dann im Nachhinein eine Nachhaltigkeits-Urkunde umgehängt werden.
Frau Ministerin, neben aufwendigen Homepages produzieren Sie das, was wir in der Klimafrage am wenigsten brauchen: viel heiße Luft.

Wir brauchen einen eindeutigen Vorrang für erneuerbare Energien. Deshalb sollte sich die Landesregierung auf Bundesebene für eine Förderung nicht nur der Solarenergie, sondern vor allem der Windkraft und der Geothermie einsetzen. Und dieser Vorrang muss auch gegen andere Interessen durchgesetzt werden. Durch Gesetze müssen Immobilienbesitzern Auflagen zur energetischen Sanierung erteilt werden und in der Raumplanung eindeutige Vorgaben gemacht werden.

Vorrang für Erneuerbare Energien heißt auch, Vorrang für dezentrale Energiegewinnung gegenüber Großkraftwerken. Der Vorteil von Sonne, Wind und Wasser ist, dass sie fast überall vorhanden sind. Damit sparen wir weite Transportwege, bei denen viel Energie verloren geht. Freileitungen beispielsweise geben fast 30 Prozent an ihre Umwelt ab.

Die Energieversorgung ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge, deshalb gehört sie in die öffentliche Hand und unter demokratische Kontrolle. Stadtwerke können rekommunalisiert werden, dazu muss die Landesebene die Voraussetzungen schaffen, auch durch die Änderung der HGO.

Die Umzingelung des Kernkraftwerks Biblis am Wochenende hat gezeigt, dass die Menschen sehr wohl wissen, dass eine zukunftsorientierte Energiepolitik anders aussieht als das, was Schwarz-Gelb betreibt. Was wir brauchen ist eine ernst gemeinte Hinwendung zu Ressourceneinsparung und erneuerbaren Energiequellen. Wir werden den Gesetzentwurf der SPD deshalb unterstützen genauso wie die kommenden Mobilisierungen gegen eine rückwärtsgewandte und von Konzernen gesponserte Politik, die uns mit wissenschaftlich bewiesener Sicherheit in die Sackgasse führt.

Video:
Janine Wissler (Linke): "Sie produzieren viel heiße Luft"
Janine Wissler (Linke): "Sie werden den Herausforderungen nicht gerecht"