Rede zur Regierungserklärung „Energie 2020“

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,


Frau Ministerin, Sie haben Ihrer Regierungserklärung den Titel gegeben: „Versorgung sichern, Schöpfung bewahren, Wirtschaft stärken.“ Vielleicht hätten Sie den Titel wählen sollen: „Profite sichern, Wertschöpfung bewahren, Wirtschaft stärken.“ Oder einfach: „Wirtschaft stärken, Wirtschaft stärken, Wirtschaft stärken.“

Die Probleme, über die wir reden, sind nicht neu. Die alarmierenden Klimaberichte der Vereinten Nationen und anderer machen seit Jahrzehnten deutlich, dass Klimaschutz eine der drängendsten Zukunftsfragen ist. Dem Wachstum auf Grundlage fossiler Brennstoffe sind Grenzen gesetzt und wir haben nicht ewig Zeit, denn das Klima verändert sich dramatisch. Die Gesundheit der Menschen in den Industriestaaten leidet unter hoher Belastung der Luft mit Schadstoffen, die Menschen in anderen Teilen der Welt leiden schon jetzt unter Umweltkatastrophen infolge einer unverantwortlichen Energie- und Verkehrspolitik.

Frau Ministerin, ich frage mich angesichts dieser dramatischen Situation, was haben Sie das letzte Jahr eigentlich getan? Wenn diese Regierungserklärung Ihr Arbeitsnachweis war, dann ist das dürftig.
Die Bundesregierung hat vor anderthalb Jahren das Erneuerbare Energien Gesetz verabschiedet, dessen zurückhaltender Anspruch es ist, bis zum Jahr 2020 einen Anteil von 20 Prozent Erneuerbaren als Minimum zu erreichen. Ihre Regierung definiert die 20 Prozent als Maximalziel, und bezeichnet dies als „ehrgeiziges“ Ziel.
Damit Sie aber niemand des Aktionismus verdächtigt, fügen Sie aber gleich hinzu, dass sie nichts „überstürzen“ wollen. Seien Sie sicher, wenn es etwas gibt, was der hessischen Landesregierung wirklich niemand unterstellt, dann dass sie in dieser Frage zu schnell handelt. Der klägliche Anteil von 5 Prozent Erneuerbarer Energien in Hessen ist ein Armutszeugnis. Hessen ist Schlusslicht und Sie haben heute klargestellt, dass Sie diesen Platz verteidigen wollen.

Und es bleibt unklar, wie sie diesen ohnehin nicht sehr ambitionierten Anteil ohne verlässliche Zielwerte erreichen wollen. Wo wollen Sie denn stehen in vier Jahren? Oder in acht?
Ja, Frau Ministerin, vielleicht wäre Ihr Konzept ein mutiger Vorstoß gewesen - vor zwanzig Jahren.
Heute aber bleibt es weit hinter dem zurück, was nötig und geboten wäre.
Den Energieverbrauch des Verkehrs klammern Sie gänzlich aus, dabei ist der Verkehr verantwortlich für rund ein Drittel des Gesamtenergieverbrauchs. Dass Sie dieses heiße Eisen gar nicht anfassen wollen, spricht für die allgemeine Halbherzigkeit Ihres Vorhabens.

Atomkraft
Wann immer sich die Gelegenheit bietet, präsentieren Sie sich als Verteidigerin der Atom- und Kohlelobby.
Die Redner der Regierungsfraktionen tragen in der Debatte wieder ausführlich die Argumente der Atomwirtschaft vor, das kennen wir, dafür werden Sie bezahlt.
Die Kernenergie ist der Werbekampagne der Kraftwerksbetreiber zum Trotz keine saubere Energiequelle, nicht im Hinblick auf die Luftbelastung und natürlich schon gar nicht im Hinblick auf die atomaren Abfälle.
Die Atomlobby und ihr parlamentarischer Arm haben auch keine Antwort auf das ungelöste Problem der Endlagerung.
Die Betreiber verdienen eine Million Euro täglich an jedem abgeschriebenen Kraftwerk, also besonders viel an den alten und unsicheren Werken, deren Laufzeiten sie daher verlängern wollen. Der Sinn der Restlaufzeiten war aber – bei allen Mängeln des vermeintlichen Atomausstiegkonsenses – dass alte Kraftwerke vom Netz gehen sollen.
Produktionsmengen nun von jüngeren auf alte Kraftwerke zu übertragen, macht aus dem Konsens endgültig eine Farce.
Ein Schrottreaktor wie Biblis ist nicht sicher und ist auch nicht so nachzubessern, dass es als sicher gelten könnte. Biblis kann nicht gegen Flugzeugabstürze – unfallbedingte oder beabsichtigte – gesichert werden. Da hilft auch keine Vernebelungstechnik, auch keine argumentative.




Frau Lautenschläger, mit Ihrem Eintreten für eine Laufzeitverlängerung für Biblis ignorieren Sie das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung und betreiben das Geschäft der Atomwirtschaft. Sie sprechen von der Atomenergie als Brückentechnologie, eine Brücke müsse auch am anderen Ufer ankommen. Das macht ja auch Sinn, denn sonst wäre es ja keine Brücke. Atomenergie ist aber keine Brücke, sondern die Abschussrampe in den Abgrund.

RWE-Chef Jürgen Großmann fordert Laufzeitverlängerungen für alle deutschen Atomkraftwerke und vertraut dabei auf Union und FDP. Um sicher zu gehen, spenden die Energiekonzerne fleißig an die Parteien, denn Vertrauen ist gut, Bezahlen ist sicherer. Im Gegenzug lassen sich CDU und FDP vor den Karren der Atomlobby spannen. Sie verschleppen den Umstieg auf erneuerbare Energien mit Ihrem unsäglichen Kampf gegen jedes Windrad und Ihren Desinformationskampagnen.

Die Atomkonzerne sollen dem Staat auch etwas abgeben von den Extraprofiten, argumentieren Sie. Davon abgesehen, dass damit die Risiken der Atomenergie auch nicht sinken, warum sollte diese Zusage belastbarer sein als der sog. Atomkonsens? Mit den Energiekonzernen kann man keine Verträge machen, denn sie halten sich schlicht und einfach nicht daran.

Atomkonsens
Jetzt rächt sich die Halbherzigkeit des rot-grünen Atomausstiegs. Bei den langen Restlaufzeiten war klar, dass die Vereinbarung von jeder kommenden Regierung aufgehoben werden könnte, Sie konnten ja nicht davon ausgehen für immer zu regieren. Es wurden keine unumkehrbaren Tatsachen geschaffen, der Ausstieg aus dem Ausstieg blieb praktisch möglich und darauf haben die Konzerne gesetzt.
Das kommt leider davon, wenn man mit Werner Müller einen Energie-Manager zum Wirtschaftsminister macht und ihn mit der Energiewirtschaft den Atomausstieg verhandeln lässt, wohin er keine zwei Jahre später wieder als Manager zurückkehrt. Müller hatte maßgeblichen Anteil daran, dass es nicht zu einem schnellen Atomausstieg kam.

Und liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN und zu Ihrem Antrag: Ich weiß, grün ist die Hoffnung und mit Blick auf Schwarz-grün muss man sich an jeden Strohhalm klammern. Aber Sie sollten sich seelisch-moralisch darauf einstellen, dass die Öko-Phase und der Erkenntnisprozess des Bundesumweltministers nach den Wahlen in NRW ganz schnell vorbei sein könnten. Deshalb verstehe ich auch die Sorge von Herrn Koch und Frau Lautenschläger nicht. Sie tun nach der Wahl doch auch nicht, was Sie vor der Wahl versprechen, warum sollte das Herr Röttgen tun.
Im Gegensatz zu Ihnen glaube ich Bundesumweltminister Röttgen kein Wort.
Das Einzige, was man ihm zugutehalten kann, ist die Tatsache, dass er offenbar klug genug ist zu wissen, dass eine gesellschaftliche Mehrheit den Ausstieg aus der Atomenergie will und er im Wahlkampf atomkritische Töne anschlagen muss. Aber solange Schrottreaktoren wie Biblis, Brunsbüttel und Krümmel am Netz sind, bleibt Herr Röttgen unglaubwürdig.

Bewegung
Wir brauchen eine neue Anti-AKW-Bewegung in Deutschland, denn die entscheidende Frage ist, von welcher Seite der Druck stärker ist: von den Energiekonzernen oder aus der Gesellschaft heraus.
Bereits vor der Bundestagswahl haben 50.000 Menschen in Berlin gegen Atomkraft demonstriert, denn es gibt in der Bevölkerung eine deutliche Mehrheit gegen die Laufzeitverlängerungen, das zeigen alle Umfragen. Und das wissen Sie auch. DIE LINKE unterstützt die bundesweiten Aktionen am 24. April und wird sich an der symbolischen Umzingelung von Biblis beteiligen.

Auch innerhalb der CDU gibt es Menschen, die die Bewahrung der Schöpfung über die Wertschöpfung stellen. Der „Bundesverband Christliche Demokraten gegen Atomkraft“ erklärt: „Die Atomkraftgegner aus der Union wollen aus christlicher Verantwortung die nukleare Geisterfahrt beenden“. „Die körperliche Unversehrtheit von Menschen darf nicht weiter auf dem Altar der Profitinteressen einer verschwindend kleinen Minderheit von Betreibern nuklearer Anlagen geopfert werden.“

Kohle
Aber die Landesregierung hält fest an der Atomenergie und der Dinosauriertechnologie Kohlkraft.
Durch den geplanten Bau von Block 6 des Kraftwerks Staudinger wird der CO2-Ausstoß von 5 auf 9 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen. Dabei ist das Kraftwerk jetzt schon Hessens "größte Dreckschleuder".
Umweltverbände, Wissenschaftler und die Bürgerinitiative vor Ort haben vorgerechnet, dass für die zusätzliche Stromproduktion kein Bedarf besteht. Nach marktwirtschaftlichen Kriterien wäre der Bau also sinnlos. Block 6 soll allein dem Zweck dienen, in der Energiepolitik Fakten zu schaffen, denn die geplante Laufzeit beträgt 40 Jahre. Damit soll eine veraltete, kontraproduktive Kraftwerkstechnologie zementiert werden, denn1,2 Milliarden in eine fossile Technologie zu investieren, das macht man nicht, wenn man in absehbarer Zeit auf Erneuerbare umsatteln will.

Mittlerweile zweifelt selbst E.ON an dem Vorhaben, aber selbst davon lässt sich die Landesregierung nicht beirren.

Auf der Ingelheimer Au wird es kein neues Kraftwerk geben, der Mainzer Stadtrat hat entschieden, das vorgesehene Gelände nicht zu verkaufen. Das ist eine gute Nachricht, denn jede CO2-Dreckschleuder weniger ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Indem Sie an Atom und Kohle festhalten, putzen Sie das Messing auf der Titanic. Der Eisberg naht und Sie nicht in der Lage sind, das Ruder herumzureißen. Leider sitzen Sie nicht alleine im Boot.

Ansteigen des Verkehrsaufkommens
Ihrem Konzept fehlen jegliche konkreten Ziele bezüglich der Reduzierung von Verkehr. Im Hinblick auf die Entwicklung des Verkehrsaufkommens – und hier rechnet die Bundesregierung für die nächsten zehn Jahre mit einer Steigerung von 71 Prozent! – haben die Regierungsfraktionen erst vor wenigen Wochen erklärt, dass sie im „Ausbau des Güter- und Personenverkehrs für Hessen, Deutschland und Europa eine wichtige Voraussetzung für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung“ sehen.
Umweltschutz und der Ausbau von motorisiertem Verkehr sind Gegenpole. Man muss kein Wissenschaftler sein, um das zu begreifen. Dafür reicht es, an einer viel befahrenen Straße oder gar Autobahn zu wohnen. Und ebenso ist eine nachhaltige, das heißt zukunftsfähige Energiepolitik unvereinbar mit einem Ausbau des Straßen- und Individualverkehrs.
Hessen vorn gilt dagegen beim CO2 Ausstoß des Dienstwagens des Herren Ministerpräsidenten. Da hat es Herr Koch auf Platz eins geschafft, dicht gefolgt von Herrn Rüttgers. Klima vergiften, darin ist der Ministerpräsident Fachmann. Unseren Antrag, den Fuhrpark des Landes gemäß der EU-Richtlinie auf schadstoffarme Autos umzustellen, haben Sie abgelehnt. In dem Zusammenhang fällt mir ein, dass gerade letzte Woche die diesjährigen Parteispenden von BMW bei Ihnen eingegangen sind: 280.000 Euro bei CDU und CSU, 140.000 Euro bei der SPD und 55.000 Euro bei der FDP.

Elektromobilität und Individualverkehr
Statt den ÖPNV weiterzuentwickeln, halten Sie am Individualverkehr fest. Da hilft auch der Umstieg auf Elektromobilität nichts. Denn auch Elektromobile brauchen Energie und die kommt nur auf den ersten Blick aus der Steckdose. Auf den zweiten müssen wir uns sehr wohl Gedanken darum machen, wie der Strom in die Steckdose kommt. Denn das Kernproblem bleibt, dass der Individualverkehr eine verheerend niedrige Effizienzrate hat, wenn wir den Nutzen, also den Transport von Menschen, mit dem Aufwand an Energie vergleichen.
Wer Energie einsparen will, wer volkswirtschaftlich die Energieeffizienz steigern will, kommt um einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs nicht herum und auch nicht um neue Konzepte im Städtebau. Aber dazu müssten sie sich an die Finanzierung der Kommunen wagen, statt ihnen das Geld zu kürzen. Verkehr muss vermieden werden, wenn wir für Umwelt und Energieeinsparung wirklich etwas tun wollen. Stattdessen verleiht die Landesregierung dem Frankfurter Flughafen eine Auszeichnung für seine Nachhaltigkeit. Das ist einfach grotesk und dämpft die Aufnahmebereitschaft der interessierten Öffentlichkeit für Ihre Ausführungen, Frau Ministerin.

Die Kommunen
Die hessischen Gemeinden müssen rechtlich gestärkt werden: die wirtschaftliche Eigenbetätigung ist ihnen von der Koch-Regierung weitestgehend genommen worden. Für einen umfassenden Umstieg auf erneuerbare Energien ist eine Re-Kommunalisierung der Energieversorgung eine wichtige Voraussetzung. Kommunale Stadtwerke sind nämlich überhaupt erst in der Lage, ihre Unternehmenspolitik an anderen als Profitmotiven zu auszurichten. Sie tragen darüber hinaus zu dem wichtigen Ziel der Dezentralisierung der Energieversorgung bei. Die Errichtung und der Betrieb von Kraft-Wärme-Kopplung wird eine zentrale Rolle spielen müssen, wenn wir hessenweit die Energieeffizienz steigern wollen. Lokal erzeugte Energie aus erneuerbaren Quellen könnte Schritt für Schritt Strom aus entfernt liegenden fossilen Großkraftwerken ersetzen. Dies hätte den Vorteil, dass die in zentralen Großkraftwerken meist ungenutzt verpuffende Abwärme der Stromerzeugung zur Gebäudeheizung oder sonst sinnvoll eingesetzt werden könnte.
Verschiedene Gemeinden gehen diesen Weg bereits. Auch die Stadt München versucht, ihren Beitrag zu leisten. Aber es ist unredlich, den Münchner Bürgermeister Ude als Kronzeugen für Ihre Politik heranzuziehen, wenn es darum geht, Strom aus dem Ausland zu kaufen oder in entfernte Stromanlagen aus Erneuerbaren zu investieren. München ist eine Stadt und verfügt weder über die Fläche noch über andere geografische und geologische Gegebenheiten, die in Hessen vorzufinden sind. Die Münchner können keinen Windkraftpark auf den Marienplatz stellen. Die Möglichkeiten in einer einzelnen Stadt sind begrenzt. In Hessen finden sich dagegen reichlich Möglichkeiten, geothermische, Wind- und Wasserkraft zu nutzen.

Wer die Möglichkeiten von Wind und Wasser wirklich auszuschöpfen will, darf nicht gleichzeitig Kampagnen gegen „Windkraftmonster“ unterstützen, um sich dann über die angeblich fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung zu beschweren.
Laut einer Befragung von Forsa, würden immerhin 72 Prozent der Befragten eine Windenergieanlage in ihrer Nachbarschaft befürworten, wenn der Preis für den eigenen Strom dadurch günstiger würde. Noch höher liegt die Zustimmung bei denjenigen, die bereits Erfahrungen mit Windenergieanlagen in der Nachbarschaft haben, nämlich bei 79 Prozent.
Sie sagen, Sie wollen keine „Verspargelung“ der Landschaft und tun so als ob die Landschaft durch Großkraftwerke und überirdische Leitungen nicht verschandelt würde. Die hessische CDU hat an dieser Stelle ein sehr interessensgeleitetes Verständnis von Ästhetik und Landschaftsgestaltung.

In der Wasserkraft geht es auch um eine Dezentralisierung und Kleinkraftwerke. Und bei der Geothermie geht es auch nicht nur um das Fördern heißen Wassers.

Das kann Ihnen der Leiter Ihres Expertengremiums, Herr Viessmann, am genauesten erklären. Denn seine Firma führt Wärmepumpen im Angebot und sein Unternehmen gehört zu den zwei Marktführern im Heizungs- und Klimatechnikbereich mit Sitz in Hessen. Da kann sich Viessmann nun freuen, dass „Wärmedämmung und Anlagentechnik“ im Gebäudebereich zu den Schwerpunkten des Regierungskonzeptes gehören. Der Leiter der Expertengruppe ist ein Unternehmer, dessen Branche und eigene Firma von diesen Schlussfolgerungen unmittelbar profitiert. Als gebe es keine anderen Experten auf diesem Feld

Am Wochenende habe ich ein Interview gelesen von einem ganz besonderen Experten. Herr Minister Hahn muss sich ja zu allem äußern, auch wenn er nichts zur Sache beizutragen hat, wie am vergangenen Wochenende zu Energiepolitik. Herr Hahn hat ja vor kurzem öffentlich beklagt, dass Guido Westerwelle ein Denkverbot in der FDP verhängt hat, das erklärt die Politik der Hessen-FDP.
Also verfährt er nach dem Motto: Ich rede, also bin ich und erklärt: „Anreizmodelle finde ich immer gut.“ Wohingegen, wenn verbindliche Vorgaben gemacht werden, das hält er dann für falsch. Es ist sicherlich beruhigend, wenn man sich auf ein so klares und einleuchtendes Weltbild stützen kann: Fördern ja, fordern niemals, zumindest wenn man es mit Besitzern von Immobilien oder Unternehmen zu tun hat. Da gilt die Marburger Solarsatzung als „Zwangsprogramm“.

Aber ohne klare und eindeutige Ziele und ohne Verbindlichkeit bleibt Ihr Programm, was wir in der Klimapolitik am wenigsten gebrauchen können: heiße Luft. Weder die Abschaffung der Kohleöfen in urbanen Zentren, noch die Einführung von Katalysatoren noch die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen sind allein durch Anreize Realität geworden, sondern durch Gesetze. Wir brauchen verbindliche Regelungen und dürfen uns nicht auf Appelle beschränken.


Arbeitsplätze
Frau Ministerin, Sie sprechen über Arbeitsplätze, die Sie erhalten wollen. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums sind in der herkömmlichen Stromwirtschaft noch etwa 120.000 Menschen beschäftigt. Tendenz sinkend.
Die Zahl der Beschäftigten in der Branche der Erneuer¬baren Energien liegt bei etwa 250.000 Menschen. Allein in den letzten vier Jahren sind knapp 100.000 Arbeitsplätze hinzugekommen und bis 2020 wird hier eine halbe Million Menschen Beschäftigung finden.
Die Umrüstung des Baubestandes ist sinnvoll, um volkswirtschaftliche und individuelle Kosten sowie den CO2-Ausstoß zu senken. Eine Sanierung der Bausubstanz hätte zudem erhebliche positive Auswirkungen auf Konjunktur und Arbeitsmarkt.

Aber der Ministerpräsident demonstriert lieber in Biblis auf Einladung von RWE unter dem Motto „Kernig in die Zukunft“ für den Erhalt der Arbeits- und Ausbildungsplätze in der Atomwirtschaft, missbraucht die Ängste der Beschäftigten vor Arbeitsplatzverlust und blockiert seit 11 Jahren die Energiewende in Hessen.

Angesichts der dramatischen Entwicklung des weltweiten Klimas ist eine vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien notwendig und muss schnellstmöglich angegangen werden.
Strom aus Wind, Wasser, Sonne, Biomasse und Erdwärme stehen für bezahlbare Energien und wirksamen Klimaschutz. Erneuerbare Energien sichern die Stromversorgung der Zukunft und sie sind in Zeiten weltweit knapper werdenden Rohstoffe und zunehmender militärischer Konflikte auch eine Investition in den Frieden.

Entmachtung der Energiekonzerne
Das Schreckensszenario, in Hessen oder in Deutschland könnten die Lichter ausgehen, ist reine Marketingpropaganda der vier großen Energiekonzerne. Die steigende Energiepreise und die Unfähigkeit der Energiekonzerne zu einer echten Energiewende zeigen, dass staatliche Regulierung nötig ist. Die Energiekonzerne müssen entmachtet werden, Energieversorgung gehört als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge in die öffentliche Hand und unter demokratische Kontrolle, damit das Gemeinwohl im Vordergrund steht und nicht der Profit Weniger. Umwelt- und Energiepolitik darf nicht dem Markt überlassen bleiben. Die Rekommunalisierung privatisierter Stadtwerke und die Überführung der Strom- und Gasnetze in die öffentliche Hand sind nötig.

Wir fordern konkrete politische Maßnahmen für neue Beschäftigung, wirksamen Klimaschutz und bezahlbare Energie. Dazu leistet die Landesregierung bisher keinen Beitrag.