Rede zur flächendeckenden Breitbandversorgung

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

wir freuen uns, dass die Breitbandversorgung des ländlichen Raumes in Hessen hier im Hause zum Thema geworden ist. In der Tat sind sich alle Fraktionen einig, dass diese Versorgung aus wirtschaftlichen Gründen dringend geboten ist. Breitbandanschlüsse werden zunehmend zu ausschlaggebenden Kriterien bei der Ansiedlung und dem Verbleib von Unternehmen und Arbeitsplätzen werden. Einig sind wir beim Ziel, nicht aber beim Weg.

Die technische Realisierung ist ein Thema, das wir hier nicht per Beschluss festlegen können und sollten. Zu Recht wird immer wieder darauf verwiesen, dass die Entwicklung in diesem Bereich derart rasant ist, dass man heute nicht absehen kann, was in zehn Jahren Stand der Technik oder notwendig sein wird. Daher brauchen wir flexible Lösungen und Beschlüsse, deren Kern aber klar sein muss: Breitbandversorgung muss sichergestellt werden, ob mit Funk-, Kabel- oder Satellitenlösungen. Es macht daher wenig Sinn, wenn der Landtag sich jetzt per Beschluss auf eine bestimmte technische Lösung festlegt. Die weit wichtigere Festlegung wäre, dafür zu sorgen, dass Breitbandanschlüsse auch in Zukunft auf dem jeweils aktuellen Stand der Technik zur Verfügung gestellt werden müssen.
Zugang zum Internet bedeutet heute aber auch – und gerade im ländlichen Raum – die Möglichkeit zur politischen und kulturellen Teilhabe an der Gesellschaft, bedeutet Zugang zu Informationen, zu politischen Entscheidungsträgern und wirtschaftlichen und sozialen Chancen. Viele Internetangebote sind heutzutage mit der Technik von vor wenigen Jahren gar nicht mehr nutzbar, und die Betroffenen werden so vom gesellschaftlichen Leben abgekoppelt. Das ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine Frage der demokratischen und gesellschaftlichen Teilhabe. Deswegen darf über diese Frage auch nicht nur aus wirtschaftspolitischer Perspektive entschieden werden.

Und wirtschaftlich sind die Probleme ja bekannt: für private, profitorientierte Telekommunikationsunternehmen lohnt sich die Erschließung ländlicher Gebiete nicht. Wir haben in der Anhörung des Landtages und in den Diskussionen zum Thema viel Verständnis für die Unternehmen gehört, die ja schließlich Rendite erwirtschaften wollen. Ihre Investitionen müssen sich amortisieren und Profite abwerfen. Sonst kann man leider nicht erwarten, dass sie investieren und ländliche Gemeinden und Gewerbegebiete mit Breitband versorgen. Ich bin dankbar dafür, dass das auch in der Anhörung so deutlich ausgesprochen wird: privatwirtschaftliche Unternehmen sind eben nicht dafür da, gesellschaftliche Bedürfnisse zu befriedigen, auch wenn diese von noch so vielen Politikern auf kommunaler, Landes- und Bundesebene, von Bürgerinitiativen und Handwerkskammern formuliert werden. Das betrifft in Hessen weiterhin eine unbekannte, aber große Zahl von Menschen und Unternehmen. Genaue Zahlen liegen aus Datenschutzgründen und weil es keine einheitliche Definition des Begriffs Breitband gibt, nicht vor.
Was vorliegt, sind die Beschwerden zahlreicher Gemeindevertreter, die von Marktversagen in diesem Bereich sprechen. Dass die digitale Kluft zwischen Stadt und Land langfristig schlimme volkswirtschaftliche Folgen haben kann, interessiert die Marktteilnehmer nicht. Dafür sind sie nicht zuständig und verweisen dann auf die Politik. Regierungen aller Ebenen glauben aber fest daran, dass der Markt alles am besten regelt und sich der Staat aus dem Wirtschaftsgeschehen heraushalten soll. Das wird nicht funktionieren. Die Einrichtung großer Infrastrukturen – ob Bahngleise, Straßen, Telegrafen- oder Telefonleitungen – ist immer direkt durch den Staat oder mit massiver staatlicher Unterstützung vonstatten gegangen. Einzelunternehmen schaffen und wollen das nicht. Es gäbe heute keine Telekommunikationsunternehmen, wenn nicht aus Steuergeldern einmal das Telefonnetz eingerichtet worden wäre. Und dasselbe gilt für private Eisenbahnunternehmen und alle anderen, die auf eine intakte Infrastruktur angewiesen sind. Darauf wurde schon bei der Privatisierung der Post und der Bahn hingewiesen. Die Warnungen haben sich bestätigt.
Ein Drittel der Postfilialen wurden seit 1995 geschlossen, 10.000 Kilometer Strecken der Bahn stillgelegt. Und die Telekom hält sich mit Investitionen im Breitbandbereich zurück, weil sie jedes Mal fürchten muss, von ihren Ausgaben würden ihre Konkurrenten profitieren.

Der Markt versagt bei der Breitbandversorgung, und wir werden um eine deutliche staatliche Intervention nicht herumkommen. Das wird auch auf europäischer Ebene, sogar von Teilen der Europäischen Kommission so gesehen. Natürlich wäre die Sache sehr viel einfacher zu regeln, wenn es die Privatisierung und Liberalisierung des Telekom-Marktes gar nicht erst gegeben hätte. Dann könnten demokratisch gewählte Volksvertreter entscheiden, dass die Post eben nicht nur in jeden Winkel des Landes Briefe liefern und Telefonleitungen legen müsste, sondern eben auch Breitbandanschlüsse. Das wäre die einfachste Lösung. Bei der Post hat die heute so verschriene Quersubventionierung jahrzehntelang wunderbar funktioniert. Diese Quersubventionierung war die konkrete Umsetzung des im Grundgesetz festgeschriebenen Solidarprinzips und der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse: die Überschüsse, die in Ballungsgebieten erzielt wurden, kamen dem ländlichen Raum und strukturschwachen Regionen zugute. Heute sahnen die Privaten in den Metropolen ab und scheren sich nicht um die Fläche. In Hamburg werden sogar zwei Breitbandnetze verlegt – volkswirtschaftlich eine unglaubliche Verschwendung – weil HansaNet der Telekom Konkurrenz machen will. Und die Provinz geht leer aus.
In der Anhörung wurden Beispiele für kommunale Breitbandprojekte genannt, wie der Werra-Meißner-Kreis. Hier ist eine Ausweitung der wirtschaftlichen Tätigkeiten der Kommunen durch eine Änderung der Hessischen Gemeindeordnung sinnvoll und nötig.

Das nötige Investitionsvolumen für die flächendeckende Versorgung der ländlichen Gebiete wird Milliarden kosten. Allein die Kabelverlegung kostet überirdisch 10.000, unterirdisch 20.000 Euro pro Kilometer. Die Regierungsfraktionen landen mit ihrem Lob für 5,2 Millionen Landesmittel für den Breitbandausbau so weit ab vom Ziel, dass man sich fragt, ob wir über dasselbe Thema sprechen.
Mit diesem Geld werden Sie ein paar Informationsveranstaltungen finanzieren können und vielleicht hier und da einen Zuschuss gewähren können. Mehr nicht. Muss das Geld letztlich wieder einmal von der öffentlichen Hand kommen? Die nötigen Ausgaben sind so gewaltig, dass überhaupt nicht einzusehen ist, warum die Steuerzahler dafür aufkommen sollten, um sich das Endprodukt dann wieder einmal von Privatunternehmen aus der Hand nehmen zu lassen. Die privaten Telekommunikationsanbieter profitieren von der öffentlich errichteten Infrastruktur, sie sollen auch für ihre Modernisierung zahlen. Das werden sie nicht freiwillig tun, und deshalb müssen sie dazu verpflichtet werden. Dazu bedarf es einiger gesetzlicher Änderungen auch auf europäischer Ebene. Aber nach den Erfahrungen mit der Privatisierung großer öffentlicher Infrastrukturunternehmen würde die Bundesregierung auf gesprächsbereite Partner zum Beispiel in Großbritannien und Frankreich treffen, wenn es darum geht, die Universaldienstleistungs-Richtlinie der EU anzupassen, beim deutschen Telekommunikationsgesetz ließe sich ohne Weiteres eine Allianz aus Politiker der Länder formieren. Und die Forderung nach Aufnahme der Breitbandversorgung in die Universaldienstleistungsverordnung - als Teil der Daseinsvorsorge - hängt überall in der Luft. Im Bereich der klassischen Telefonanschlüsse gibt es eine Verpflichtung aller Marktteilnehmer, einen Mindeststandard zu garantieren. Wird der nicht eingehalten, zahlen alle die so genannte Universaldienstleistungsabgabe. Das gleiche Prinzip ließe sich auf die Breitbandversorgung übertragen. Dem stehen im Moment rechtliche Hindernisse im Weg. Wer es mit der flächendeckenden Breitbandversorgung ernst meint, wird um die Initiative des Staates und das Kapital der Privaten nicht herumkommen. Die Vorschläge der Landesregierung ziehen das Pferd eher von der anderen Seite auf, der Staat soll das Geld geben, damit die Privaten ausbauen. Das ist der falsche Ansatz.