Rede Wetzlar Kurier

Herr/Frau Präsident/in, meine Damen und Herren,

Anlass für diese Aktuelle Stunde sind die unerträglichen Äußerungen des CDU-Abgeordneten Hans-Jürgen Irmer im Wetzlar Kurier. Der Wetzlar Kurier wird in einer Auflage von über 100.000 Exemplaren kostenlos an die Haushalte im Lahn-Dill-Kreis verteilt, Herr Irmer ist der Herausgeber.
Die aktuelle Ausgabe des Wetzlar Kuriers titelt mit „Danke, Schweiz: Minarette sind politische Symbole“.
Autor des Artikels ist Hans-Jürgen Irmer.
Die Volksabstimmung in der Schweiz hat europaweit Sorge hervorgerufen, weil sie ein fatales Signal bezüglich des Zusammenlebens der Kulturen und Religionen aussendet. Wir haben das hier im Landtag debattiert.
So wie im Wetzlar Kurier wurde das Ergebnis dieser Volksabstimmung sonst nur von rechtsradikalen Parteien kommentiert.
Im Artikel heißt es: „Wenn man darüber hinaus über den Islam in Deutschland spricht fallen einem Begriffe wie Ehrenmorde, Zwangsehen, Rolle der Frau, genitale Verstümmelung, teilweise fehlender Respekt vor staatlichen Institutionen ein und man kann es ergänzen durch fehlende Religionsfreiheit in islamischen Ländern, durch fehlende Meinungsfreiheit, durch Christenverfolgung in fast allen Islamstaaten dieser Welt.“

Irmer erweckt den Eindruck, der Islam sei mit Terrorismus, Unterdrückung und Gewalt gleichzusetzen. Damit diffamiert er die Musliminnen und Muslime in diesem Land.
Die Erklärung zum Minarettverbot ist kein einmaliger Ausrutscher. Keine Ausgabe des Wetzlar Kuriers ohne Überschriften wie: „Verschärfte Überwachung von Moscheen gefordert“, „Islamischer Religionsunterricht ist das Einfallstor für die Fundamentalisten“, „Für Europa – gegen Eurabien“, „Die schleichende Islamisierung Deutschlands und Europas ist in vollem Gange“, „Siegeszug des Islam geht über die Kreissäle“, „Neues aus der islamistischen Welt – ‚Die Moscheen sind unsere Kasernen‘“ und „Islamisten erheben Weltherrschaftsanspruch“.

In der Dezember-Ausgabe findet sich der geschmacklose Reim:

„Integration hat sich expandert,
wir sind in Deutschland unterwandert. […]
Denn Menschen, die ganz anders denken,
und die meisten Kinder schenken,
leben, teilweise bequem,
von unserem Sozialsystem.
Moscheen gleichen Epigonen,
Garantie für Fremd-Religionen, […]
In Zukunft ist´s dann viel zu spät,
wenn auf dem Dom der Halbmond weht.“

Solche Zeilen werden in Wetzlar in alle Haushalte verteilt.
Seit dem 11. September stehen Muslime ohnehin vielerorts unter Generalverdacht und sind religiösen und rassistischen Vorurteilen ausgesetzt. Ich will erwähnen, dass 2008 zwei Brandanschläge auf eine Moschee und einen türkischen Verein in Wetzlar verübt wurden.
Die Täter wurden bisher nicht gefasst. Muslimische Gemeinden beklagen Drohbriefe mit rechtsradikalem Hintergrund.
In einer solchen Situation weiter zu zündeln und Ängste zu schüren ist ungeheuerlich.
Es sollte uns alle alarmieren, dass die junge Muslimin Marwa El-Sherbini in einem Gerichtssaal erstochen wurde, nur weil sie Muslimin war.

Die NPD macht eine Kampagne gegen den Bau von Minaretten in Deutschland mit dem Titel „Danke, Schweiz – Minarettverbot auch hier.“ Auf ihrer Homepage freut sich die NPD, dass der Wetzlar Kurier ihren Slogan übernommen hat.

In Wetzlar gibt es ein breites Bündnis gegen Nazis von Gewerkschaften, Parteien und Kirchen. Statt das zu begrüßen, kritisiert der Wetzlar Kurier die Teilnahme des FDP-Oberbürgermeisters an einer Anti-Nazi-Veranstaltung.

In der letzten Ausgabe wurde folgender Leserbrief veröffentlicht:
„Wir Deutsche dürfen um Gotteswillen nichts mehr sagen zu diesem Ausländerproblem in unserem Volk und Vaterland. […] Wo ist unser Volk hingekommen? Ich komme aus der Ära, wo noch alles hundert Prozent gestimmt hat. Die Sozialkassen waren voll, und alles war in Ordnung. Heute bestimmen die ausländischen Politiker unsere Politik. Da nimmt der Grünen-Chef Özdemir Stellung zu den Geschehnissen der CDU-Politikerin Erika Steinbach. Was weiß dieser Grüne von unserer deutschen Geschichte, z.B. von den Vertreibungen der Deutschen von 1945?“

Diese rassistischen Parolen werden abgedruckt und im ganzen Lahn-Dill-Kreis verteilt. Herr Irmer, Sie sollten sich schämen.

In seinen Vorträgen bei Burschenschaften äußert sich Herr Irmer seit Jahren islam- und ausländerfeindlich und zieht über gleichgeschlechtliche Partnerschaften her.
Irmer ist noch immer stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion und Ihr Eintreten für interreligiösen Dialog und Integration bleibt unglaubwürdig, solange Sie einen Abgeordneten wie ihn in Ihren Reihen dulden.
Preisverleihungen wie die des Hessischen Kulturpreises und des Friedenspreises werden so konterkariert. Man braucht keine Partnerregion in der Türkei, wenn man die Muslime im eigenen Land derart diffamiert.
Das Grundgesetz sichert die Gleichberechtigung aller Religionsgemeinschaften und sie täten gut daran, am offenen und toleranten Miteinander der Kulturen zu arbeiten, statt Ängste und Vorurteile zu schüren. Ich fordere die CDU-Fraktion auf sich von den Äußerungen Irmers zu distanzieren, denn Hassprediger wie Hans-Jürgen Irmer vergiften das Klima in Deutschland.

 


 

rede_Hassprediger wie Irmer vergiften das Klima_hr__28_01_10_2Aktuelle Stunde am 28.01.2010
Rede von Janine Wissler (Linke): "Hassprediger wie Irmer vergiften das Klima"
Laut Wissler erweckt Hans-Jürgen Irmer den Eindruck, er wolle Muslime mit Terrorismus gleichsetzen. Solche Ängste zu schüren sei ungeheuerlich.

 

Video ansehen auf hr-online