Energiegipfel: Konsens trägt nicht

Rede von Janine Wissler zum Energiegipfel in der Zweiten Lesung des Haushaltes 2012 am 16. November 2011

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Ich habe mich zu Wort gemeldet, um noch ein paar Bemerkungen zu dem Energiegipfel zu machen, der letzte Woche seine abschließende Sitzung hatte.

Ich muss zugeben, nach der Debatte eben und nach den Presseberichten der letzten Tage bin ich heilfroh, dass DIE LINKE dem Abschlussbericht dieses Energiegipfels nicht zugestimmt hat.

Denn der sogenannte Konsens, der beim Energiegipfel gefunden schien, hielt nicht einmal 24 Stunden. Das finde ich auch wenig überraschend; denn an den entscheidenden Stellen ist eben kein Konsens gefunden worden. Deshalb haben wir dem Abschlussbericht nicht zugestimmt. Ich halte es für sinnvoller, von vornherein zu sagen, wir stimmen dem nicht zu, als erst Ja zu sagen und das hinterher zu zerpflücken.

Zwar hat der Energiegipfel dazu beigetragen, das will ich gern zugeben, dass CDU und FDP in Hessen die energiepolitische Steinzeit allmählich verlassen. In der Gegenwart sind sie aber noch lange nicht angekommen; von Zukunftsweisendem will ich an der Stelle gar nicht reden. Der Ministerpräsident hat gesagt, politische Zukunft habe nur der, der zukunftsfähig sei. Herr Ministerpräsident, wenn das stimmt, dann bin ich sehr zuversichtlich, dass Sie sich bald wieder mit voller Kraft Ihrer Anwaltskanzlei widmen können. Ich glaube, dass wir dann auch einen Großteil Ihrer Fraktion verabschieden können. Denn zukunftsfähig ist das sicher nicht, was Sie uns hier als Haushalt vorlegen.

Der Abschlussbericht enthält Punkte, die in die richtige Richtung weisen. DIE LINKE unterstützt auch einige Ergebnisse dieses Energiegipfels, beispielsweise das Ziel, 2 % der Landesfläche als Windvorranggebiete auszuweisen. Wir begrüßen es außerordentlich, wenn CDU und FDP ihren Kampf gegen angebliche „Windkraftmonster" endlich einstellen. Die Windenergie ist die Energie der Zukunft; das weiß jeder vernünftige Mensch.

Aber für die FDP, die vor einem halben Jahr noch eine Wahlwerbekampagne gegen Windkrafträder gemacht hat, ist diese Erkenntnis sicherlich beachtlich.

Meine Damen und Herren, es gibt in Hessen einen wirklichen Fortschritt, zu dem hat nur leider die Landesregierung herzlich wenig beigetragen. Der größte Fortschritt in der hessischen Energiepolitik des letzten Jahrzehnts ist, dass die Schrottmeiler in Biblis nie wieder ans Netz gehen werden.

CDU und FDP haben die Risiken der Atomkraft und die Störanfälligkeit der Reaktoren in Biblis jahrelang verharmlost und beschönigt. Es muss nicht nur mit der Atomkraft Schluss sein, sondern auch mit der Verbandelung zwischen Politik und Energiekonzernen. Meine Partei bekommt keine Spenden von RWE und E.ON, und das ist auch gut so, weil wir uns nicht zum Handlanger von Konzernen machen lassen.

Meine Damen und Herren, unverantwortlich ist aber, dass andere Atomkraftwerke noch bis 2022 weiterlaufen dürfen. Deshalb unterstützen wir natürlich auch in diesem Jahr die Proteste im Wendland und überall an der Castor-Strecke. Denn die Frage der Atomkraft hat sich nicht erledigt, solange noch AKWs am Netz sind, Forschungsreaktoren und Urananreicherungsanlagen in Betrieb sind und zivile und militärische Nutzung der Atomkraft noch möglich ist. So lange braucht es auch eine Anti-AKW-Bewegung.

Der Abschlussbericht des Energiegipfels bleibt weit hinter dem zurück, was für eine Energiewende in Hessen dringend nötig wäre. Andere Bundesländer – Herr Ministerpräsident, das muss man auch einmal sagen – sind auch ohne einen Energiegipfel deutlich weiter als Hessen. Mit heißer Luft wurde noch kein Problem gelöst. Es waren nun gerade CDU und FDP, die diesen Ausbau der erneuerbaren Energien jahrelang systematisch blockiert haben.

Herr Ministerpräsident, wenn es nach Ihnen gegangen wäre, wären die Umweltverbände und Stadtwerke nicht einmal mit am Tisch gewesen. Das muss man auch einmal sagen, wenn Sie jetzt betonen, welche breiten gesellschaftlichen Gruppen Sie da an einen Tisch geholt haben. Die waren zur ersten Runde des Energiegipfels gar nicht eingeladen. Es hat schon einigen Druck gegeben, damit Sie diese Entscheidung dann korrigiert haben.

Das muss man auch einmal sagen, wenn Sie jetzt betonen, welche breiten gesellschaftlichen Gruppen Sie da an einen Tisch geholt haben. Die waren zur ersten Runde des Energiegipfels gar nicht eingeladen. Es hat schon einigen Druck gegeben, damit Sie diese Entscheidung dann korrigiert haben.

Nicht mittragen kann DIE LINKE die Positionierungen zur Kohlekraft. Kohlekraftwerke sind weder effizient noch flexibel genug, um die Schwankungen bei Sonnen- und Windenergie auszugleichen. Durch den Neubau von Kohlekraftwerken würde über Jahrzehnte eine veraltete Technologie zementiert. Wir haben immer gesagt, dass wir einem Ergebnis, das den Bau von Block 6 im Kraftwerk Staudinger oder den Neubau von Kohlekraftwerken beinhaltet, nicht zustimmen würden, denn wir stehen an der Seite derer, die dieser Dinosauriertechnologie den Kampf angesagt haben, und das ist in diesem Fall die Bürgerinitiative „Stoppt Staudinger". Die haben recht, an deren Seite stehen auch wir.

Wir lehnen die fortgesetzte Beschränkung der kommunalwirtschaftlichen Betätigung ab, denn ohne eine aktive Rolle der Kommunen ist eine Energiewende in Hessen nicht möglich. Deswegen müssen die hessischen Kommunen wie die Kommunen in anderen Bundesländern zumindest das Recht zur energiewirtschaftlichen Betätigung erhalten. Was Sie jetzt vorschlagen, ist nicht nur ein bürokratisches Monster und zwingt die Kommunen zu aufwendigen und langwierigen Markterkundungsverfahren, sondern verschlechtert faktisch die jetzige Situation. Sie öffnen RWE, E.ON, aber auch anderen Konzernen Tür und Tor zum weiteren Aufkauf kommunaler Infrastruktur. Deshalb ist es auch kein Wunder, wenn RWE und E.ON Ihrem sogenannten Kompromiss zugestimmt haben. Allein das ist schon ein Indiz dafür, wie zahnlos dieses Ergebnis ist, denn eine echte Energiewende lässt sich nicht im Konsens mit RWE und E.ON durchsetzen, sondern nur gegen diese Konzerne.

Meine Damen und Herren, wir können der Losung „Privat vor Staat", wie im Abschlussbericht formuliert nicht zustimmen, denn wir sind eine Partei, die gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums kämpft und sich für die Rekommunalisierung einsetzt. Energieversorgung ist für unsere Gesellschaft existenziell, und deswegen gehört sie in die öffentliche Hand. Wir müssen natürlich nicht nur die Eigentumsverhältnisse ändern, sondern auch das Geschäftsmodell. Die Energiewirtschaft muss an sozialen und ökologischen Kriterien ausgerichtet werden, und sie darf nicht der Bereicherung von Vorständen und Aktionären dienen.

Ohne einen Umbau der Energiewirtschaft und einer Entmachtung der großen Konzerne wird sich eine vollständige Energiewende nicht durchsetzen lassen. Ein erster kleiner Schritt dahin wäre zumindest eine Stärkung der Stadtwerke, der Kommunen. Deshalb ist dieses Papier für uns eben kein Konsens, denn durch die vielen Protokollnotizen und abweichenden Voten wird deutlich, dass es eher ein löchriger Käse ist. In den letzten Tagen hat sich auch gezeigt, dass es offenbar nicht einmal innerhalb der Regierungskoalitionen Einigkeit gibt, weil sich die FDP in ihrer ganzen ideologischen Verbohrtheit gegen die Stadtwerke stemmt. Die wenigen dürftigen Ergebnisse, die durch den Energiegipfel hervorgebracht werden, werden dann noch von der Betonkopfpolitik in den eigenen Reihen ausgebremst.

Deshalb fand ich es ehrlicher, dieses Ergebnis nicht mitzutragen. Für uns waren die Frage der Kohlekraft und die der kommunalwirtschaftlichen Betätigung die beiden zentralen Punkte. In beiden Fragen wurde keine Einigung erzielt, und daher gibt es für uns keine Grundlage für eine Zustimmung.

Zudem bleibt der Abschlussbericht an vielen Punkten wage und unverbindlich. Dem Bekenntnis zu dezentraler Energieversorgung, das so formuliert ist, folgt überhaupt keine Konkretisierung. Im Gegenteil: Sie wollen weiterhin Offshore Windenergie fördern, und das obwohl es doppelt so teuer ist wie die Windenergiegewinnung an Land und obwohl davon einfach nur die großen Konzerne profitieren, weil alle anderen diese Investitionskosten gar nicht aufbringen können.

So werden zentralistische Markt- und Erzeugungsstrukturen zementiert, und dem Steuerzahler und dem Stromkunden werden dafür die Kosten auferlegt, weil die die Förderung bezahlen werden, nur damit die großen Vier den Übergang zu den erneuerbaren Energien möglichst versilbert bekommen.

Meine Damen und Herren, neuerdings – dazu gab es eine ganze Arbeitsgruppe – beschäftigen sich CDU und FDP auch mit der Frage nach der gesellschaftlichen Akzeptanz. Bei Atom- und Kohlekraftwerken war ihnen diese Frage noch ziemlich wurst. Da wurde die Akzeptanz schon mal mit dem Schlagstock und massivsten Polizeieinsätzen durchgesetzt. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie, was Ihre eigene Klientel angeht, da offenbar etwas pfleglicher sind und mit Skeptikern etwas anders umgehen, als Sie an vielen Stellen mit der Antiatomkraftbewegung umgegangen sind.

Die Akzeptanz erreicht man letztlich nur dadurch, dass man die Menschen beteiligt und einbezieht, durch transparente Verfahren und dadurch, dass z. B. auch die Gewinne aus Windkraftanlagen nicht in ferne Konzernzentralen fließen, sondern vor Ort bleiben und den Menschen zugute kommen. Wenn nämlich die Gewinne aus der Stromerzeugung auch den Menschen zugute kommen, in lokale Sport- und Bildungsangebote fließen, vor Ort Arbeitsplätze entstehen und das lokale Handwerk von der Auftragsvergabe profitiert, dann steigt auch die Akzeptanz. Das ist es, worauf wir setzen: nämlich Akzeptanz zu schaffen, durch eine Demokratisierung der Energiewirtschaft.

Sie machen keine Aussagen zur Frage, von wem die Kosten der Energiewende getragen werden sollen. – Wir sind der Meinung: Die Kosten dürfen nicht einfach auf die privaten Haushalte abgewälzt werden. Deshalb müssen die Profiteure der bisherigen Energiepolitik auch an diesen Kosten beteiligt werden. Eine sozial gerechte und ökologische Energiepolitik muss gerade an den Strompreisen ansetzen, und sie muss beispielsweise durch ein Verbot von Abschaltungen der steigenden Energiearmut in Deutschland entgegenwirken.

Das zentrale Thema der Energieeinsparungen findet in dem Papier fast gar nicht statt. Gerade im Bereich der Industrie gibt es enorme Potenziale für Einsparungen. Aber die werden natürlich so lange nicht gehoben, solange beim Strompreis gilt: „Verbrauch mehr, zahl weniger". Es kann einfach nicht sein, dass die Preise immer weiter steigen, weil die privaten Haushalte die Großkunden der Industrie subventionieren. Deshalb müssen auch die Privilegien der Industrie beseitigt werden.

Meine Damen und Herren, beim Hessischen Energiegipfel ist ein Bereich völlig außen vor geblieben. Das war der Verkehrsbereich. Dabei macht allein der Frankfurter Flughafen etwa ein Fünftel des hessischen Energieverbrauchs aus. Wenn es keine Ansätze für eine Verkehrswende gibt, dann wird sich die Energiewende so nicht umsetzen lassen, und dann müssen wir vor allen Dingen auch über die Frage der Verkehrsvermeidung reden. Was der Energiegipfel letztlich bewirkt, entscheidet sich in den nächsten Wochen. Dann wird sich zeigen, ob sie wenigstens die vagen Vereinbarungen in Landesrecht umsetzen oder ob der Energiegipfel eine Showveranstaltung bleibt. Es heißt so schön: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen", deshalb erwartet DIE LINKE, dass CDU und FDP in den nächsten Wochen natürlich konkrete Gesetzesinitiativen in den Landtag einbringen. DIE LINKE kann zusagen: Wir werden alle Schritte hin zu einer wirklichen Energiewende in Hessen unterstützen. Da auf Sie in dieser Frage aber leider kein Verlass ist, werden wir selbstverständlich auch eigene Vorschläge machen, wie wir schnellstmöglich zu einer Energiewende kommen. – Vielen Dank.