Automobilverkehr ist nicht zukunftsweisend

Rede von Janine Wissler zur Aktuellen Stunde der CDU betreffend Hessen auf der IAA -
Zukunftsstandort für Elektromobilität ausbauen am 15. September 2011 (Manuskript, unkorr.)

Herr/Frau Präsident/in, meine Damen und Herren,

heute wird die Internationale Automobilausstellung IAA in Frankfurt eröffnet und das nimmt die CDU zum Anlass die deutsche Automobilindustrie zu bejubeln und darauf hinzuweisen, dass bei den über 1.000 Austellern auch das Land Hessen mit einem Stand dort vertreten ist.

Derzeit erlebt die Automobilbranche einen Boom mit teils zweistelligen Zuwächsen bei den Verkaufszahlen.

Ich will aber daran erinnern, dass wir in diesem Haus vor zwei Jahren ganz andere Debatten geführt haben, dabei ging es um die Krise der Branche und die Rettung von Opel. Tausende Arbeitsplätze bei Herstellern und Zulieferern waren damals in Gefahr. Mithilfe staatlicher Bürgschaften und der Abwrackprämie wurde den Autohersteller auf Steuerzahlerkosten durch die Krise geholfen.

Leider haben die Regierungen in Bund und Land diese Krise nicht zum Anlass genommen, einen grundlegenden Umbau der Automobilindustrie hin zu einer ressourcenschonenden und umweltfreundlichen Mobilitätsbranche einzuleiten. Die Ursachen der letzten Krise sind nicht gebannt und noch immer werden zu viele und zu große Autos produziert.

Automobilverkehr ist nicht zukunftsweisend

Dabei ist seit vielen Jahren klar, dass eine weitere Zunahme des motorisierten Individualverkehrs kein Zukunftsmodell sein kann. Das liegt an einer Vielzahl von Faktoren, vor allem aber daran, dass der Autoverkehr extrem ressourcenintensiv ist. Hohe volkswirtschaftliche Kosten entstehen außerdem durch den hohen Flächenverbrauch und in Form der vielen Zeit, die die Menschen im Auto und im Stau verbringen.

Daran ändert auch die Elektromobilität nichts. Auch beim CO2-Ausstoß schneiden E-Autos an sich kaum besser ab als herkömmliche Verbrennungsmotoren. Denn die entscheidende Frage ist, woher kommt der Strom und wie wird er erzeugt?

Greenwashing

Der ADAC hat ausgerechnet, dass herkömmliche Kleinwagen einen geringeren CO2-Ausstoß verursachen als manche Elektroautos. Dennoch plant die Bundesregierung eine milliardenschwere Subventionierung der Elektromobilität.

Bisher hat BMW bisher 26 Millionen Euro, VW 17 Millionen Euro und Daimler 63 Millionen vom Staat bekommen.

Die Automobilkonzerne sind offenbar nicht bereit ihre Forschung selber finanzieren, sondern fordern wieder Geld vom Staat. Gerade angesichts von sprudelnden Gewinnen sind wir der Meinung, dass BMW, Daimler und Co ihre Versuche selbst bezahlen können. Aber diese Kosten werden auf den Steuerzahler abgewälzt, während die Konzerne anschließend die Gewinne einstreichen.

Vor allem geht es offenbar darum, dass die deutschen Automobilhersteller vor hohen Strafzahlungen an die Europäische Union bewahrt werden sollen. Ab 2015 sollen strengere Höchstgrenzen für den CO2-Ausstoß gelten. Aber die Regelung sieht vor, dass der Schadstoffausstoß als Durchschnitt aller hergestellten Autos eines Unternehmens berechnet werden soll. Elektroautos werden als Null-Emittenten gerechnet, als ob bei ihrem Energieverbrauch kein Gramm CO2 entstehen würde.

Dabei ist das Elektroauto nur so sauber, wie der Strommix, der zu einem Großteil aus Kohlestrom besteht.

Zudem wird jedes Elektroauto anderthalbfach in die Klimabilanz der Flotte eingerechnet. So wird den Unternehmen geholfen, die offiziellen Statistiken zu schönen, ohne dass Daimler oder BMW aufhören müssten, ihre tonnenschweren Schadstoffschleudern herzustellen.

Ein Beispiel dafür hat das ARD-Magazin FAKT berechnet: Wenn die Daimler -Flotte 2015 theoretisch noch bei 150g CO2 läge - also weit über dem EU-Grenzwert, dann würden Strafgelder fällig von über 1 Milliarde Euro. Wenn Daimler aber pro 500.000 Neuwagen zusätzlich noch 20 000 Elektroautos verkauft, dürfen nach der EU-Verordnung 30.000 Autos mit null Emission eingerechnet werden.

So könnte Daimler rechnerisch den CO2-Ausstoss seiner Flotte senken und Strafgelder in Höhe von 403 Millionen Euro sparen. Deshalb haben die Hersteller ein Interesse daran, Elektroautos auch mit wenig Gewinn auf den Markt zu bringen und dank der staatlichen Förderung im Bereich der Forschung sind die entstehenden Kosten überschaubar.

Die Elektroautos dienen also nur als Feigenblatt. Es geht um eine Strategie, um die deutschen Autohersteller vor einer wirklichen technischen Wende zu bewahren, damit sie weiter auf ineffiziente, große Verbrennungsmotoren setzen können.

Meine Damen und Herren, der durchschnittliche Autokäufer ist heute über 50 Jahre alt. Bei jungen Menschen hat die Autoindustrie erhebliche Absatzprobleme, denn viele junge Menschen setzen verstärkt auf den ÖPNV und Car-Sharing. Wenn nicht bald Perspektiven für die Autoindustrie entwickelt werden, werden wir in wenigen Jahren über die nächsten Rettungspakete reden.

Die Elektromobilität kann eine Rolle spielen, wenn sie eingebettet ist in ein integriertes Verkehrskonzept, aber einfach den Verbrennungsmotor durch den Elektromotor zu ersetzen greift zu kurz. Zumal sich viele Menschen aufgrund der geringen Reichweite ein Elektroauto als Zweit- oder Drittauto zulegen.

Eine nachhaltige Verkehrspolitik, die Arbeitsplätze sichert und mit dem Ressourcenschutz und den klimapolitischen Notwendigkeiten vereinbar ist, muss weg vom motorisierten Individualverkehr weisen. Statt in eine Musterregion für den Elektroverkehr sollte die Landesregierung in die ausreichende Finanzierung und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs investieren. Hessen braucht vor allem eins, nämlich Verkehrsvermeidung. Und der Verkehrsbereich darf nicht weiter ausgeklammert werden, wenn es um Energieeinspar- und Klimaschutzziele geht, wie Ihre Regierung es tut.