Ein Schrottmeiler darf nicht Kaltreserve werden
Rede von Janine Wissler zur Aktuellen Stunde der SPD betreffend Nein zu Biblis B als Kaltreserve - Sicherheit geht vor Gewinnstreben am 25. August 2011
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
die Pläne eines der stillgelegten Atomkraftwerke als so genannte Kaltreserve für Versorgungsengpässe betriebsbereit zu halten, sind sowohl aus technischen und als auch aus wirtschaftlichen Gründen absurd und daher abzulehnen.
Der Betrieb eines Atomkraftwerks ist zu unflexibel, um im Bedarfsfall schnell einspringen zu können. Das gilt, Frau Ministerin, im Übrigen auch für Kohlekraftwerke, die sie jetzt als sogenannte Brückentechnologie fordern. Wenn man eine Brücke baut, versucht man normalerweise den kürzesten Weg auf die andere Seite zu finden. Bei der hessischen Landesregierung ist das anders. Sie würden eine Brücke von Wiesbaden nach Mainz vermutlich über Kassel führen lassen, damit die Menschen erst mal möglichst lange in die falsche Richtung fahren. Ihr Festhalten erst an Atomkraftwerken und jetzt an Kohlekraftwerken ist nichts anderes: Das ist keine Brücke sondern ein Umweg, der den Umstieg auf Erneuerbare Energien nicht beschleunigt, sondern erschwert.
Atomkraftwerke sind für den Kurzzeitbetrieb nicht geeignet, sie lohnen sich nur dann, wenn sie durchgängig in Betrieb sind. Denn je nachdem, wie der Reservebetrieb ausgestaltet würde, dauert das Hochfahren eines AKW zwei bis vierzehn Tage. Die Brennstäbe müssten aber weiter gekühlt werden, d.h. das AKW würde permanent Strom verbrauchen ohne in der Regel welchen zu produzieren.
Biblis B im Reservebetrieb wäre zudem völlig absurd, weil Biblis B enorm störanfällig ist und nicht mehr den geltenden Sicherheitsvorschriften entspricht.
Etwa ein Viertel aller meldepflichtigen Ereignisse beim Anfahren, die es seit 1991 bei den 17 deutschen AKW gab, gehen auf Biblis B zurück. Ausgerechnet Biblis B zur Kaltreserve zu machen, wäre hanebüchen. Zudem könnte dann auch Biblis A nicht zurückgebaut werden, weil Biblis A als externe Notstandswarte für Biblis B fungiert.
Und das Problem ist, dass die Großen Vier über 80 Prozent der Stromerzeugung kontrollieren, und so Versorgungsengpässe selbst herbeiführen können durch das Zurückhalten von Erzeugungskapazitäten, also das Nicht-Auslasten von Kraftwerken.
Die Kaltreserve macht technisch keinen Sinn und sie macht auch wirtschaftlich keinen Sinn. Ein AKW im Reservebetrieb müsste mit der gesamten Belegschaft weiterarbeiten und aufwendig gewartet werden. Die Kosten für eine Kaltreserve werden auf über 50 Millionen Euro jährlich geschätzt. Und diese Kosten werden bestimmt nicht RWE und E.ON tragen aus Angst um die Versorgungssicherheit in Deutschland. RWE hat schon klargestellt, dass sich eine Kaltreserve auch für sie rechnen müsste.
Mein Eindruck ist, dass es bei diesen Überlegungen vor allem darum geht, wie man noch mal einen Batzen Steuergelder an RWE überweisen kann als Kompensation für die Stilllegung von lukrativen abgeschriebenen Atomkraftwerken.
Ich bin der Meinung, dass die Atomlobby lange genug mit Steuergeldern gemästet wurde, 50 Millionen Euro jährlich sind beim Ausbau Erneuerbarer Energien sehr viel besser investiert als in uralte Schrottreaktoren.
Um Schwankungen bei der Stromerzeugung durch Wind und Sonne auszugleichen eignen sich Wasser- und Gaskraftwerke sehr viel besser als Atom- und Kohlekraftwerke.
Sie sind schneller hoch- und runterzufahren, umweltfreundlicher und haben einen hohen Wirkungsgrad, Kohlekraftwerke erreichen hingegen kaum 40 Prozent.
Die SPD-Fraktion hat diese Aktuelle Stunde beantragt, weil Sie nicht wollen, dass ein Schrottmeiler zur Kaltreserve wird. Das Anliegen teilen wir.
Aber hier zeigt sich mal wieder Ihre Inkonsequenz. Im Gegensatz zur LINKEN haben SPD und Grüne im Bundestag dem sogenannten Atomausstieg der Bundesregierung zugestimmt.
Im Dreizehnten Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes ist geregelt, dass die zuständige Behörde - also die Bundesnetzagentur – um Störungen und Gefahren zu vermeiden und die Zuverlässigkeit der Energieversorgung sicherzustellen, „bis zum 1. September 2011 bestimmen [kann], dass eine der in Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 genannten Anlagen [...] in einem betriebsfähigen Zustand [...] zu halten ist (Reservebetrieb). Wird der Reservebetrieb [...] angeordnet, lebt die Berechtigung zum Leistungsbetrieb [...] für diese Anlage wieder auf."
Die in Frage kommenden Anlagen nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 Atomgesetz sind Biblis A und B, Neckarwestheim 1, Brunsbüttel, Isar 1, Unterweser, Philippsburg 1 und Krümmel. Liebe SPD, welches dieser AKW soll denn bitte als Kaltreserve in Frage kommen? Keins natürlich. Aber warum hat die SPD dem Gesetzentwurf im Bundestag dann zugestimmt? Diese Zustimmung rächt sich. Wenn die Bundesnetzagentur ein AKW als Kaltreserve bestimmt, geht das auf ein Gesetz zurück, dem vier Fraktionen im Bundestag zugestimmt haben.
Und leider bleibt auch der Ausstieg aus dem Ausstieg möglich. Deshalb wollten wir den Verzicht auf die militärische und zivile Nutzung der Atomkraft im Grundgesetz festschreiben. Wir wollen, dass auch die Urananreicherungsanlage Gronau und die Forschungsreaktoren stillgelegt werden, damit Deutschland vollständig aus dieser Technologie aussteigt. Deshalb haben wir dem sogenannten Atomausstieg von Schwarz-gelb nicht zugestimmt und SPD und Grüne hätten in dieser Frage besser auf uns gehört.
Ich hoffe nur Sie lernen daraus und merken sich das für die Zukunft.