Wenn die Kommunen finanziell nicht mit dem Rücken zur Wand stünden, bräuchten wir diesen Gesetzentwurf nicht

Rede von Janine Wissler zur Ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz über Zuwendungen des Landes zur Ver-besserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Hessisches Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz - HGVFG) am 23. August 2011(Manuskript - unkorr.)

Herr/Frau Präsident/in, meine Damen und Herren,

grundsätzlich begrüßen wir den vorliegenden Gesetzentwurf der Grünen, weil er das Ziel hat, die Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs auch zukünftig zu sichern und die Zweckbindung der Mittel zu erhalten.

Es ist absehbar, dass die Kommunen ab 2014 angesichts der teils desolaten Haushaltslage in die Versuchung kommen werden, die Gelder aus dem Entflechtungsgesetz anderweitig, also nicht für den Verkehrsbereich zu verwenden. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf würde auch das Land in die Pflicht genommen, weil es bei der Finanzierung der Kommunen berücksichtigen müsste, dass die Gemeinden zur Finanzierung ihrer Aufgaben zumindest die Mittel, die ausdrücklich zur Verkehrsfinanzierung vorgesehen sind, nicht anders verwenden können.

Aber das Problem, das jetzt gelöst werden soll, ist erst durch die Föderalismusreform geschaffen worden. Diese sieht nicht nur eine Entflechtung der Verantwortlichkeiten von Bund, Ländern und Kommunen vor, sondern auch den sukzessiven Rückzug des Bundes aus seiner Verantwortung.

Was nun auf dem Papier schön aussieht: nämlich die saubere Trennung der Verantwortlichkeiten und die größere Autonomie der Kommunen, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Problem. Denn um Verantwortung übernehmen zu können, braucht man die nötigen Mittel.

Und völlig klar ist: Wenn die Kommunen finanziell nicht mit dem Rücken zur Wand stünden, bräuchten wir diesen Gesetzentwurf nicht. Denn dann würden die Kommunen gar nicht auf den Gedanken kommen, ihre verkehrliche Infrastruktur zu vernachlässigen.

Klar ist, dass wir im Verkehrsbereich riesige Probleme haben. Ich erinnere hier mal an das Stichwort Schlaglöcher und Straßensanierung, die die Kommunen aus eigener Kraft und ohne besondere Zuweisungen kaum noch stemmen können.

Auch viele andere Aufgaben können die Kommunen nicht mehr vernünftig wahrnehmen. Die freiwilligen Leistungen werden überall reduziert. Experten erklären bei jeder Anhörung zu kommunalen Themen hier im Landtag, wie kritisch die Situation der hessischen Gemeinden schon ist.

Die Kassenkredite explodieren, die Personaldecke ist angespannt. Eine weitere Schuldenbremse, wie Sie das nennen, diesmal für die Kommunen, wird diese Krise aber nicht lösen.

Was die Grünen nun vorschlagen, ist, dass man von den bevorstehenden Kürzungen einen Bereich ausnimmt, weil er ökologisch, sozial und wirtschaftlich von hoher Bedeutung ist: den Verkehr. Das ist sinnvoll. Aber natürlich ließe sich genauso gut argumentieren, dass man gerade die Schulgebäude, die sozialen Einrichtungen, die kommunale Gesundheitsversorgung oder andere Bereiche schützt.

Was in vielen Kommunen heute geleistet wird, das sind Pflichtaufgaben, die absolut unerlässlich sind. Dazu zählt bislang noch die Pflege der verkehrlichen Infrastruktur. Aber die Sorge der Grünen ist begründet, dass ohne eine Mittelbindung diese Aufgabe in Zukunft noch stärker vernachlässigt werden könnte.

Solche Sorgen werden uns und die Kommunen noch so lange beschäftigen, wie die Finanzierung ihrer Aufgaben und der Aufgaben der öffentlichen Hand insgesamt nicht auf eine solide Basis gestellt wird. Bis dahin ziehen wir leider nur an verschiedenen Enden eines Tischtuchs, das einfach zu kurz ist. Langfristig machen solche Vorschläge wie der vorliegende daher nur Sinn, wenn sie flankiert werden von einer Erhöhung der öffentlichen Einnahmen, und zwar besonders der Kommunen.

Dennoch ist der vorliegende Antrag zu begrüßen. Besonders an den Stellen, wo er über das alte GVFG (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) hinausgeht: Es soll auch der Bau und Erhalt von Car Sharing und Fahrradstationen förderungsfähig werden. Der Erhalt von Straßen bekommt Vorrang vor dem Neu- und Ausbau. Das heißt, Schlaglöcher und ihre Beseitigung werden wichtiger als das Zubetonieren der Landschaft. Und Sie wollen Lärmschutzanlagen in die Liste der förderfähigen Projekte aufnehmen. Auch das ist sinnvoll.

Wenn sich die Redner der Regierungsfraktionen jetzt hinstellen und behaupten, sie wollten den Kommunen keine weiteren Vorschriften machen und ihnen freistellen, wie sie ihr Geld verwenden wollen, dann ist das angesichts von 300 Millionen Kürzungen im Kommunalen Finanzausgleich der reine Hohn.

Der Gesetzentwurf der Grünen will einen Beitrag dazu leisten, dass die Verkehrsinvestitionen der Gemeinden auch nach 2014 gesichert bleiben, noch ist genug Zeit dieses Problem zu lösen. Die Landesregierung sieht hier – wie in vielen anderen Punkten – offenbar keinen Handlungsbedarf.