Redebeitrag auf der Kundgebung am 14.03.2011

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir sind hier, um den zahllosen Opfern des Erdbebens und des Tsunamis zu gedenken und Solidarität mit den Menschen in Japan zu zeigen, die durch diese Katastrophe alles verloren haben.

Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Tsunamis kann leider niemand verhindern. Was aber zu verhindert werden kann, sind atomare Katastrohen, wie sie in mehreren japanischen Atomkraftwerken drohen.

Spätestens seit dem Unfall von Tschernobyl vor 25 Jahren ist klar, dass Atomkraft eine unbeherrschbare Risikotechnologie ist. Der Betrieb ist ein Risiko, der Transport ist ein Risiko und die Lagerung ist ein Risiko.
Bei der Atomkraft gilt: Sicher ist nur das Risiko und der Profit für die Betreiber.

Auch bei deutschen Atomkraftwerken besteht ein sogenanntes Restrisiko. Und gerade zeigt sich in Japan, was dieses Restrisiko bedeuten kann, nämlich dass tausende von Menschen gefährdet und ganze Landstriche radioaktiv versucht werden können.

Es gibt nach wie vor kein Endlager für die radioaktiven Abfälle. Die rostigen Atommüllfässer in der Asse verbildlichen das ganze Desaster der Lagerung von Atommüll.
Und die Politiker, die an anderer Stelle von Generationengerechtigkeit reden, bürden den kommenden 33.000 Generationen hochradioaktiven Müll auf. Deshalb müssen wir aufhören, weiter atomaren Müll zu produzieren.

Die meisten Menschen hatten gedacht, dass der Atomausstieg beschlossene Sache ist. Aber die Realität zeigt, dass man mit den Atomkonzernen keine Verträge machen kann, denn sie halten sich schlicht und einfach nicht daran.
Gesetze wurden gekippt, verfassungsmäßige Bedenken beiseite gefegt, und die Meinung der Mehrheit der Menschen einfach ignoriert.

Die Bundesregierung hat gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit eine folgenschwere Entscheidung für vier Großkonzerne durchgedrückt, die sich auf Extraprofite in zweistelliger Milliardenhöhe freuen dürfen.

Es geht hier auch um die Frage der Demokratie: Immer mehr Menschen im Land fragen sich, wer in diesem Land eigentlich die Spielregeln setzt.
Denn dieses unwürdige Schauspiel zeigt, wo in diesem Land die Macht liegt und dass man, wenn man energiepolitisch wirklich etwas verändern will, die Macht der Großen Vier brechen muss, weil sie sonst alles blockieren.
Der sogenannte Atomkompromiss zeigt, dass man mit den Atomkonzernen keine Verträge machen kann, weil sie sich schlicht und einfach nicht daran halten.

Jetzt erklärt die Kanzlerin, sie wolle die Laufzeitverlängerung für drei Monate aussetzen. Das ist der lächerliche Versuch so zu tun, als ob man die Atomkraft ernsthaft in Frage stellen würde. Wir brauchen aber keine Ankündigungen, sondern Taten, deshalb: Nicht aussetzen, abschalten!
Ich glaube Kanzlerin kein Wort, solange AKWs wie Biblis am Netz sind.
Und hätten die Atomkraftwerkebetreiber wie RWE und E.On auch nur einen Funken Anstand und Verantwortungsgefühl, würden sie von sich aus ihre Schrottmeiler vom Netz nehmen, statt weiter ihre Atomlügen zu verbreiten und ihre Lobbytätigkeiten fortzusetzen.

Wenn wir von Biblis sprechen, sprechen wir über die ältesten und unsichersten Reaktoren Deutschlands mit über 800 meldepflichtigen Störfällen. Biblis kann nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert werden, und das birgt ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko. Und Biblis verstößt gegen geltendes Recht, weil es ohne eine externe Notstandswarte nicht weiterlaufen darf.

Deshalb muss dieser Schrottreaktor endlich vom Netz gehen, weil die Menschen und nicht die Gewinne im Mittelpunkt stehen müssen.

Ein Gutachten des Öko-Instituts im Auftrag des Bundesumweltministeriums kommt zu dem Schluss, dass es gravierende Schwachstellen in Biblis gibt, auch beim Notstandssystem.
Mindestens 80 sicherheitstechnisch relevante Defizite, beispielsweise veraltete Materialien und Defizite beim Schutz gegen Erdbeben und Überflutungen.
Biblis entspricht nicht dem heutigen Stand der Technik, deshalb müsste das Atomkraftwerk aufwendig nachgerüstet werden.

Jede erneute Panne zeigt, dass die Biblis-Reaktoren tickende Zeitbomben sind, deshalb ist die Stilllegung von Biblis die einzig richtige Konsequenz.
Keine Atomaufsichtsbehörde darf angesichts der Gefahren eines atomaren Unfalls ein solches Atomkraftwerk auch nur einen Tag länger in Betrieb lassen.
Das hessische Umweltministerium ist keine Außenstelle von RWE.
Wenn selbst ein vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebenes Gutachten zu diesem Schluss kommt, dann sollten im Umweltministerium alle Alarmglocken schrillen.

Liebe Freundinnen und Freunde, die Zeit der Kompromisse ist vorbei. Der zweite schwere Atomunfall innerhalb von nur 25 Jahren muss zum Anlass genommen werden endlich Schluss zu machen mit einer verantwortungs- und skrupellosen Atompolitik. Die Sicherheit der Menschen muss Vorrang haben vor den Profiten der Konzerne.

Die Atomkraft ist keine Brücke zu den Erneuerbaren, sondern eine gefährliche Sackgasse. Wenn all das Geld, das man in die Förderung von Atomkraft gepulvert hat, in Erneuerbare Energien investiert hätte, dann wäre die Atomkraft lange Geschichte.

Es gibt in der Bevölkerung eine deutliche Mehrheit gegen Atomkraft. Vor wenigen Monaten erlebten wir die größten Anti-Atom-Proteste, die es anlässlich eines  Castor-Transports bisher gegeben hat. Über 50.000 Menschen im Wendland und Tausende im ganzen Land an der Strecke haben ihre Ablehnung der schwarz-gelben Atompolitik auf die Straße und auf die Schienen getragen. 60.000 Menschen haben am Wochenende in Baden-Württemberg demonstriert, heute gehen wieder zehntausende auf die Straße.
Aber es wird nur dann möglich sein, die Atomkonzerne in die Knie zu zwingen, wenn wir ihnen auf der Straße und vor ihren Werken entgegentreten. Die Frage ist, von welcher Seite der Druck stärker ist: von den Atomkonzernen oder von der Bewegung. In diesem Sinne: Atomkraft abschalten und zwar sofort!