Verhandeln Sie den Hochschulpakt neu!

Rede von Janine Wissler zur Aktuellen Stunde von Bündnis 90/DIE GRÜNEN betreffend Hilferuf der Hochschulen - Landesregierung schaltet auf Durchzug statt auf Problemlösung  am 3. Februar 2011

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

die Kritik am Hochschulpakt und den darin enthaltenen Kürzungen für die Hochschulen reißt nicht ab.

In dieser Woche hat der Frankfurter Uni-Präsident Müller-Esterl die Landesregierung erneut aufgefordert, mit den Hochschulen zu verhandeln. Der Präsident der Fachhochschule Frankfurt sprach von einer dramatischen Unterfinanzierung. Die FH hat bereits eine Haushaltssperre beschlossen.

Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände erklärte ebenfalls, dass mehr Geld für die Hochschulen wichtig sei.

Und wie reagiert die Ministerin?

Es gebe keinen Anlass, ein Fass aufzumachen, kommentierte die Ministerin die Forderung der Uni-Präsidenten.

Das ist einmal mehr ein Beleg für Ihre Ignoranz im Umgang mit den Sorgen der Hochschulen.

Und dann erklären Sie, Sie seien verwundert, weil die Hochschulleiter diesen Vertrag doch selbst unterschrieben hätten. Ja, unter welchen Bedingungen denn, Frau Ministerin?

Sie haben den Hochschulen gedroht, dass Sie ihnen noch mehr Geld kürzen, wenn Sie sich weigern den Hochschulpakt zu unterschreiben. Sie haben die Hochschulen erpresst.

Es gibt eine Protokollnotiz zum Hochschulpakt, in der acht Hochschulpräsidenten ihre Ablehnung des Paktes deutlich machen.

Statt die Sorgen ernst zu nehmen, attackieren Sie die Uni Frankfurt. Sie habe die Ersatzmittel des Landes für die weggefallenen Studiengebühren, die sogenannten QSL-Mittel, als Rücklage angespart, statt sie für die Lehre auszugeben.

Das stoße auf berechtigte Kritik bei den Studierenden. Frau Ministerin, erstens stößt niemand auf größere Kritik bei den Studierenden als Sie. Wenn das neuerdings Ihr Maßstab ist, was machen Sie dann noch hier?

Und zweitens ist die Kontrolle der Mittel Aufgabe Ihres Ministeriums, Sie haben die Rechtsaufsicht und Sie haben dafür zu sorgen, dass die Mittel nicht für andere Zwecke verwandt werden.

Wir erleben in diesem Wintersemester einen Rekord von Studienanfängern. Und die doppelten Jahrgänge durch G8 kommen erst noch. Durch die geplante Aussetzung der Wehrpflicht ist ein weiterer Ansturm von Erstsemestern zu erwarten.

Eine sinkende Grundfinanzierung bei steigenden Studierendenzahlen ist unverantwortlich.

Jetzt wird spürbar, wie sich die Kürzung von 30 Millionen Euro praktisch auswirkt. Allein die Goethe-Uni muss zehn Millionen im Jahr einsparen, rechnet aber mit einem Anstieg um rund 5.000 Studierende.

Heute wird in Frankfurt über die Schließung des Instituts für Medizinsoziologie in beraten. Nach dem Institut für Sexualwissenschaft wäre es das zweite Institut am Fachbereich Medizin, das geschlossen würde.

Viele Hochschulen haben bereits heute ihre Kapazitätsgrenzen überschritten, die Hochschule RheinMain hat eine Auslastung von 150 Prozent.

Der Präsident der TU Darmstadt berichtet, dass auf 5.000 Studienplätze 25.000 Bewerber kommen. Die TU Darmstadt stößt an ihre Kapazitätsgrenze und durch den Hochschulpakt bekommt sie 4,5 Millionen Euro weniger.

Die anstehenden Tarifverhandlungen werden die Hochschulen vor ein weiteres Finanzproblem stellen, weil sie die zu erwartenden Tariferhöhungen zum großen Teil selbst tragen müssen.

Dazu kommt, dass der Hochschulpakt das auf niedrigem Niveau gedeckelte Grundbudget nun im Wettbewerb verteilt und zwar in erster Linie nach der Zahl der Studierenden.

Herr Müller-Esterl spricht von einem ruinösen Wettbewerb, denn die Hochschulen konkurrieren um möglichst viele Studierende, für die sie kein zusätzliches Geld bekommen. Aber wenn sie keinen Aufwuchs an Studierenden haben, werden sie im Budget weiter deutlich verlieren. Das ist ein Dilemma für die Hochschulen.

Die Folgen liegen auf der Hand: Eine massive Verschlechterung der Ausbildung und schlechtere Betreuungsverhältnisse.

Der Hochschulpakt bedeutet, dass nicht jeder, der das möchte, wird studieren können.

Die Hochschulen werden Zulassungsbeschränkungen einführen und in einigen Jahren werden wir über die Wiedereinführung von Studiengebühren diskutieren, weil Sie das als einzigen Weg darstellen werden, wie die Finanzmisere der Hochschulen beendet werden kann.

 

Hochschulpakt

Frau Ministerin, wir fordern Sie auf, nehmen Sie die Kürzungen zurück und verhandeln Sie den Hochschulpakt neu.

Beteiligen Sie die Hochschulen am Aufschwung, den Sie ständig bejubeln.

Der Frankfurter Uni-Präsident sagt zu Recht: Wir erwarten, dass die Politik ihr Versprechen, der Bildung Priorität zu geben, jetzt einlöst.

Stattdessen beschneiden Sie im Namen der sogenannten Schuldenbremse die Bildungschancen kommender Generationen.

 

EBS

Die Kürzungen stehen im krassen Widerspruch zu den zig Millionen Euro, die Sie der privaten EBS in den Rachen werfen.

Die EBS erhält insgesamt 60 Millionen Euro an Steuergeldern für Ihren neuen Standort in Wiesbaden, das ist so viel, wie den staatlichen Hochschulen in den nächsten zwei Jahren genommen wird. Allein 15 Millionen Euro ist Ihnen die Tiefgarage der EBS wert. So sehen die Bildungsinvestitionen der hessischen Landesregierung aus: Sie werden zum Abstellen von Luxuskarossen im Erdboden versenkt.

Und das für eine Uni, die 12.000 Euro Studiengebühren im Jahr verlangt und deren Präsident an mehr als einem Dutzend weiterer Firmen beteiligt ist, was er scheinbar nicht so ganz von seiner Tätigkeit als Uni-Präsident trennen kann.

Eliteförderung auf der einen Seite und Kürzungen auf der anderen, das ist Ihre Politik, das ist nicht hinzunehmen.