CDU: Komm raus aus deiner rechten Ecke!

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Die CDU nimmt die jüngste Umfrage in Hessen offenbar zum Anlass, über die Zusammensetzung der Regierung nach der nächsten Landtagswahl nachzudenken. Das ist ein Ausdruck von Realismus, den man bei der CDU sonst oft vermisst.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und bei Abgeordneten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach dem HR-Hessentrend hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr. Offenbar rechnet die CDU auch
nicht damit, dass sich das innerhalb des verbleibenden Jahres bis zur Landtagswahl noch ändern
wird, denn nur so ist diese Aktuelle Stunde zu verstehen. Statt sich einmal selbstkritisch zu fragen, wo diese Landesregierung eigentlich Fehler gemacht hat, erklärt der FDP-Fraktionsvorsitzende, Herr Greilich: „Wir müssen gar nichts ändern, das Bewusstsein der Wähler muss sich ändern“. – Herr Greilich, diese Arroganz ist es, die Ihnen auf die Füße fallen wird.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mathias
Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Weiter so!)

Für die Hessen-CDU ist Selbstkritik ohnehin ein Fremdwort. Sie startet jetzt eine Plakatkampagne mit
dem Titel „Komm aus deiner linken Ecke“, nach dem Motto: entweder Bouffier oder Sozialismus. –

Damit greift die CDU tief in die Mottenkiste. Der Slogan stammt aus dem CDU-Bundestagswahlkampf im Jahr 1976. Wir stellen ja immer wieder fest, dass die letzten 36 Jahre und mehr der gesellschaftlichen Entwicklung an den ewig Gestrigen der Hessen-CDU spurlos vorbeigegangen sind. Dass sie aber jetzt Plakate aus dem Jahr 1976 auspacken, ist schon etwas Neues. Bekanntermaßen ging auch Helmut Kohl als Oppositionsführer aus der Bundestagswahl 1976 hervor. Dass die CDU ausgerechnet dieses Plakat jetzt neu auflegt, deuten wir als gutes Omen für die nächste Landtagswahl.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade dieses Plakat jetzt neu aufzulegen, halte ich nicht nur rückwärtsgewandt, ich halte es politisch
für ziemlich daneben und ich halte es auch für ziemlich geschmacklos in einer Zeit, in der überall über
rechte Gefahren diskutiert wird, wie wir es eben auch im Landtag getan haben. Auch in Hessen wurde
ein Mensch von der NSU ermordet. Letzte Woche beschlossen die Ministerpräsidenten ein neues
NPD-Verbotsverfahren. Was macht die Hessen-CDU? Sie startet eine Plakatkampagne gegen links.
Das ist das, was Sie jetzt machen.

Ich sage Ihnen: Mit der Assoziation „Linke prügeln“ mobilisiert man bekanntermaßen ja auch gewisse
Zielgruppen. Wie wäre es denn, wenn die Hessen-CDU einmal eine Plakatkampagne gegen Rassismus und rechte Gewalt starten würde? Das wäre eine gute Idee.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der „Spiegel“ schreibt dazu: Die CDU-Hessen überwinde die engen Grenzen unseres Zeitverständnisses und begebe sich direkt zurück in die Siebzigerjahre. Und weiter: „Hessen-CDU, komm aus deiner rechten Ecke!“ – Dem kann man nur zustimmen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Meine Damen und Herren, Sie beschwören eine Gefahr von Links herauf, weil der Vorsitzende der
hessischen SPD eine rot-rot-grüne Regierung nicht ausgeschlossen hat, und wollen wissen, ob eine
rot-rote Zusammenarbeit in Hessen oder im Bund nach den nächsten Wahlen denkbar ist. Auf Bundesebene kann ich Ihnen diese Angst gerne nehmen. Mit Merkels Finanzminister sind die Schnittmengen äußerst gering. Mir ist etwas schleierhaft, wie die SPD glaubt, mit Steinbrück glaubhaft für eine andere, eine soziale und gerechte Politik eintreten zu können. Herr Steinbrück steht bekanntermaßen für die Agenda 2010, für Hartz IV und für das Koch-Steinbrück-Papier mit Vorschlägen zum Abbau öffentlicher Leistungen und für Steuersenkungen, und er steht für die Deregulierung der Finanzmärkte.
Ich möchte aus einem Artikel zitieren, den Hermann Scheer im September 2010 über Steinbrück geschrieben hat. Der Titel lautet „Der Hochtrabende“:
„Wie sehr stattdessen auch die rot-grüne Finanzpolitik die Lunte der Finanzkrise mit gelegt hat –
stets von Steinbrück unterstützt und dann als Finanzminister aktiv betrieben, belegt die Serie
entsprechender Gesetze: 2002 das Finanzmarktförderungsgesetz, das die Spielräume von Investmentfonds und Hypothekenbanken erweiterte; 2003 … wurde den Hedgefonds die Türen
geöffnet; 2004 die Steuererleichterungen für Private-Equity-Firmen; 2006 die Steuerbefreiung
der Gewinne, die Unternehmen eines Konzerns untereinander erwirtschafteten; 2007 folgte …
die Reduzierung der Körperschaftsteuer von 25 auf 15 %.“

Und er fügte hinzu: „Vor vielen dieser Gesetze wurde nicht zuletzt und vergeblich auch in SPD-Gremien gewarnt.“

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, ich glaube, da haben Sie jetzt einiges zu tun, als Finanzmarkt-Berater
von Herrn Steinbrück, zu dem Sie gerade ernannt wurden. Inwieweit es Ihnen gelingt, im Team von
Herrn Steinbrück glaubhaft für Mindestlöhne, gerechte Steuern und ökologische Belange einzutreten,
das müssen Sie selber beurteilen.

Ich finde es ohnehin erstaunlich, dass die hessische SPD die Kanzlerkandidatur von Peer Steinbrück
so einhellig begrüßt. Schließlich war es ja Steinbrück, der der Hessen-SPD in der Vergangenheit alles
andere als Loyalität und Unterstützung hat zukommen lassen. Als es um den Regierungswechsel in
Hessen ging, erklärte Steinbrück, die SPD in Hessen stehe zwischen Pest und Cholera. Damit hat sich Steinbrück über demokratische Parteitagsbeschlüsse eines Landesverbandes hinweggesetzt
und diese konterkariert. Jetzt fordert er Beinfreiheit für seine Kandidatur. Das erinnert viele zu Recht an die Basta-Politik von Gerhard Schröder. Ich glaube, Steinbrück wird seine Beinfreiheit vor allem
dazu nutzen, um dem linken Flügel der SPD vors Schienenbein zu treten.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren, aus der Erfahrung auf Bundesebene wissen wir, dass Rot-Grün ohne LINKE Agenda 2010 und Hartz IV bedeutet. Deshalb ist es ein gutes Signal, dass DIE LINKE nach dem HR-Hessentrend wieder in den Landtag einziehen wird. Hessen braucht eine starke LINKE, wenn es 2013 nicht nur zu einem Regierungs-, sondern auch zu einem Politikwechsel in Hessen kommen soll. Die Forderungen nach einem Mindestlohn oder einer Vermögensteuer lassen sich mit der CDU nicht umsetzen.

Vizepräsidentin Ursula Hammann:
Letzter Satz bitte.

Janine Wissler (DIE LINKE):
Letzter Satz: In vielen Bundesländern, in denen die SPD vor der Wahl stand, ob sie ihr Wahlprogramm
umsetzt, oder mit der CDU regiert, hat sie sich für die CDU entschieden. Wir sind gespannt, wie sich
die SPD in Hessen entscheiden wird. Wir stehen 2013 bereit, wenn es um einen Politikwechsel geht. –
Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)