Rede zum Landeshaushalt Einzelplan Wissenschaft und Kunst

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Es ist hervorragend. Ich habe noch 18 Minuten Redezeit. Die CDU hat null Minuten Redezeit. Ich finde, das zeigt ein bisschen, wer in diesem Hause haushalten kann und wer nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun ist es so, dass wir LINKE immer für Umverteilen sind. Herr Dr. Müller, deswegen möchte ich
großzügig sein und biete Ihnen an, Ihnen ein paar Minütchen von unserem Redekontingent zu schenken, damit Sie einmal die Vorteile des Umverteilens kennenlernen.

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wäre das ein Angebot, damit Sie in dieser Diskussion auch noch zu Wort kommen können? (Holger Bellino (CDU): Sie können seine Rede übernehmen!)

– Nein, Herr Bellino, das schaffe ich nicht. Das schaffe ich auch in 18 Minuten nicht. Die Argumente
von Ihnen vorzutragen, das werde ich nicht schaffen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Herr Bellino ist mit nichts zufrieden!)

Meine Damen und Herren, zu Beginn dieses Jahres war schon klar, dass Hessens Hochschulen vor
einer Herausforderung stehen, die sie eigentlich nicht bewerkstelligen können. Ich rede hier natürlich
von der korrigierten Prognose der Kultusministerkonferenz, was die Studierendenzahlen angeht. Man
hatte sich verschätzt und musste deutlich nach oben korrigieren.

Schon seit langer Zeit klagen Studierende und Hochschulen über überfüllte Hörsäle, über Raummangel und auch darüber, dass es viel zu wenig studentischen Wohnraum gibt. Über dieses Thema werden wir morgen noch ausführlich reden. Deswegen möchte ich meine 18 Minuten nicht schwerpunktmäßig bei diesem Thema ansetzen.

Beispielsweise die Universität Kassel weicht schon seit Längerem auf externe Räumlichkeiten aus. Es
gibt Vorlesungen in Kinosälen und teilweise in Kirchen. Im Wintersemester gab es ein neues Rekordhoch an Studierenden. Ich möchte gerne die Unisprecherin Annette Ulbricht zitieren, die sagt: „Wir sind am Rande dessen, was leistbar ist.“ – Ähnliche Signale gibt es von den anderen Hochschulen. Es wird davon gesprochen, dass die Kapazitätsgrenze schon längst überschritten ist.

Meine Damen und Herren, das kommt alles nicht überraschend; denn es war vollkommen klar, dass
mit den Doppeljahrgängen, mit der Aussetzung der Wehrpflicht und den geburtenstarken Jahrgängen
jetzt sehr viele junge Menschen an die Hochschulen stürmen würden. Die Frau Ministerin wusste das
seit Jahren, hat aber nichts getan, um die Hochschulen darauf vorzubereiten.

Es ist schrecklich, dass die Hochschulen jetzt Zulassungsbeschränkungen machen müssen. In einer
Zeit, in der alle über Fachkräftemangel klagen, sind die Hochschulen nicht so ausfinanziert, dass sie
die Bewerber alle annehmen könnten. Wir haben es im letzten Jahr gesehen: Die Hilferufe der Hochschulen erreichen die Frau Ministerin leider nicht. Sie stützen sich immer noch auf das Bild einer blühenden Hochschullandschaft und legen Zahlen vor, die aus der Luft gegriffen sind. Die hohe Studierquote in Hessen ist kein Beleg für eine gute Hochschulpolitik des Landes, sondern es ist so – das will ich eindeutig anerkennen –, dass an den Hochschulen unglaublich viel getan wird, um mit diesem Studierendenansturm klarzukommen. Es gibt unheimlich viel Engagement in diesem Bereich,

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
aber die Landesregierung lässt die Hochschulen damit allein. Es hätte längst zu einer Neuverhandlung des Hochschulpakts kommen müssen, auch weil wir eine neue Hochschule haben, die Hochschule Geisenheim, die vermutlich zu Mehrkosten führen wird. Wir haben das in der Anhörung gehört. Ich frage mich schon: Warum hat man das nicht zum Anlass genommen, den Hochschulpakt neu zu verhandeln?

Meine Damen und Herren, die Situation an den Hochschulen ist nicht nur für Studierende bedenklich,
sondern auch für die Beschäftigten, und das insbesondere im Mittelbau. Der Wissenschaftsausschuss
hat eine Anhörung durchgeführt aufgrund eines Antrags der Oppositionsfraktionen, der im Wissenschaftsausschuss einstimmig angenommen wurde. Daraufhin hat die Anhörung speziell zu dem Thema der prekären Beschäftigung stattgefunden. Es sind sehr gute Stellungnahmen dazu eingegangen, es gab eine sehr hohe Beteiligung an der Anhörung. Ich denke schon, dass sich das Land nicht aus der Verantwortung für die Beschäftigten an den Hochschulen stehlen kann.

Man muss sagen, es sind junge Menschen, junge Wissenschaftler, die sehr gut ausgebildet sind.
Sie haben aber überhaupt keine Perspektive auf eine Festanstellung. Früher oder später, vielleicht
wenn sie Mitte 30 sind und eine Familie gründen wollen, überlegen sie sich, ob sie an den Hochschulen bleiben wollen oder ob sie nicht doch woandershin gehen, wo sie vielleicht sicherere Perspektiven haben. Frau Ministerin, ich bin der Meinung, diese Menschen müssen wir an den Hochschulen halten, um bestmögliche Forschung und Lehre zu garantieren. Deshalb müssen Hochschulen gute Arbeitsbedingungen haben, sichere Arbeitsverhältnisse haben. Deswegen kann es nicht sein, dass immer mehr Beschäftigte an den Hochschulen in prekären Beschäftigungsverhältnissen sind.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hochschulautonomie darf auch nicht heißen, einfach die Verantwortung mit viel zu wenig Geld an die
Hochschulen zu delegieren und zu sagen: Macht einmal. Es darf auch nicht heißen, die Hochschulen
alleine zu lassen. Hochschulautonomie muss heißen, dass es eine Demokratisierung innerhalb der
Hochschulen gibt. Aber es kann nicht sein, dass Sie immer nur dann von Autonomie reden, wenn es
darum geht, Verantwortung abzuschieben.

Ich möchte eine weitere Sache ansprechen, weil es nicht so ist, dass die Landesregierung – –

(Unruhe)

– Ich merke, es ist ein bisschen unruhig. Ich habe 18 Minuten Redezeit. Ich würde nicht davor zurückschrecken, sie im Zweifelsfall auszufüllen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist nicht so, dass die Landesregierung kein Geld für Hochschulen ausgeben würde. So ist es auch
nicht.

(Unruhe)

Präsident Norbert Kartmann:
Frau Wissler, der Disziplin wegen warte ich jetzt, bis die Kollegen da fertig sind, zu reden.

(Norbert Schmitt (SPD): Die haben einiges zu besprechen!)

– Herr Kollege Schmitt. Nachher noch einmal, beim Bier? Danke. – Weiter, bitte.

(Heiterkeit)

– Motivation ist alles.

Janine Wissler (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Es ist nicht so, dass die Landesregierung grundsätzlich kein Geld für
Hochschulen hätte.

(Zuruf des Abg. Karlheinz Weimar (CDU))
– Ich habe es nicht gehört, aber es war vermutlich nicht wesentlich. Ich kenne die Zwischenrufe von
Herrn Weimar aus dem Wissenschaftsausschuss und nehme an, es war von ähnlicher Qualität.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben erlebt, wie in die European Business School Millionen von Steuergeld gesteckt wurden, wie
ihr Millionen von Steuergeld in den Rachen geworfen wurden. Wir haben jetzt einen Scherbenhaufen.
Dabei ist vor einigen Tagen bekannt geworden, dass sich auch KPMG von der Finanzierung zurückgezogen hat. Diese Hochschule ist nur in den Negativschlagzeilen, trotzdem hat man die Reißleine nicht gezogen. Vielmehr subventioniert man eine Hochschule, die 12.000 € Studiengebühren im Jahr verlangt.

Gleichzeitig kürzt man Geld bei den staatlichen Hochschulen. Das ist natürlich eine Prioritätensetzung
dieser Landesregierung, die Bände spricht. Das ist Politik für die Kinder reicher Eltern. Für die Breite
ist es Bildungsabbau. Deswegen finden wir, dass die Geschichte mit der EBS aufgeklärt gehört, auch
welche Versäumnisse Sie im Ministerium hatten bei der Bonitätsprüfung. Es muss aber auch heißen,
dass überhaupt kein weiteres Geld an die European Business School gezahlt werden darf.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Damit komme ich zum nächsten einstürzenden Leuchtturm dieser Landesregierung. Das ist das privatisierte Uniklinikum in Gießen und Marburg. Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Die Privatisierung des Klinikums ist ein Fehler gewesen. Diese Erkenntnis setzt sich auch immer mehr in den Reihen von CDU und FDP durch. Es ist nicht nur ein Fehler aus Sicht der Beschäftigten, sondern auch aus Sicht der Patienten. Ein Rückkauf des Klinikums durch das Land ist notwendig. Ich weiß auch, dass sich dies sehr schwierig gestaltet und dass es im Moment nicht die unmittelbare Möglichkeit gibt, zu sagen: Wir möchten das Klinikum zurückkaufen. Nichtsdestotrotz halten wir es für notwendig, dass das Land Vorkehrungen trifft, um das Klinikum vielleicht irgendwann zurückkaufen zu können, wenn sich ein Zeitfenster öffnet. Deswegen haben wir einen Antrag gestellt, dass man diese Rückstellung bildet.

Für uns ist grundsätzlich klar: Ein Uniklinikum gehört in die öffentliche Hand. Es darf nicht nach Profitstreben funktionieren, sondern die öffentliche Aufgabe der Gesundheitsversorgung muss im Vordergrund stehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Uniklinikum ist zum Spielball der Finanzmärkte geworden. Trotzdem scheint die Landesregierung
überhaupt nicht gewillt, hier einzuschreiten und der Verantwortung nachzukommen, die das Land für
die Beschäftigten hat. Deshalb sind wir der Meinung, dass man die Diskussion um den Gesundheitsstandort Gießen-Marburg weiterführen muss und man sich nicht einfach zurücklehnen und sagen kann: Das geht uns alles nichts an, wir machen dazu nichts.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich habe jetzt neun Minuten übrig gelassen. Herr Müller, mein Angebot an
Sie steht unter der Bedingung, dass Sie die Redezeit ebenso wenig ausschöpfen wie ich. Dann würde
ich doch gerne durchaus bereit sein, Ihnen ein paar Minuten zu schenken. Wenn Sie die von mir annehmen möchten, können Sie in der Diskussion noch etwas sagen. – Ansonsten danke ich Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)