Keine Energiewende mit Schwarz-Gelb
Rede von Janine Wissler Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Hessisches Energie-Konjunktur-Gesetz am 20. November 2012
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Es ist jetzt ein Jahr her, dass der Hessische Energiegipfel mit einem – vermeintlichen – Konsens geendet hat. Wir LINKE haben diesem Konsens als Einzige nicht zugestimmt. Ich muss aber auch sagen: Jetzt, ein Jahr später, kann ich nicht feststellen, dass von diesem Konsens sonderlich viel übrig geblieben ist. Es liegen jetzt zwar Gesetzentwürfe vor, aber es sind konkurrierende Gesetzentwürfe. Man hat es nach dem Energiegipfel nicht geschafft, sich auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu einigen. Mein Eindruck ist, das es in der Energiefrage auch nicht gerade weniger Streit als vorher gibt.
Von daher muss ich leider feststellen, dass der Energiegipfel im Wesentlichen eine Showveranstaltung war, viel Lärm um nichts. In den Arbeitsgruppen wurde gut gearbeitet, wurden viele gute Ideen entwickelt. Aber wenn man eine Landesregierung hat, die derart beratungsresistent ist und in keiner Form bereit ist, das umzusetzen, was Menschen erarbeiten, dann muss ich sagen: Hier fehlt es nicht an Konzepten, sondern hier fehlt es an politischem Willen, und das merkt man Ihrem Gesetzentwurf an, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Frau Ministerin, ich habe gerade gesehen: Ihre Pressestelle hat um 18:13 Uhr eine Presseerklärung herausgeschickt, dass der Hessische Landtag das Energiegesetz beschlossen habe. – Das ist schön. Es ist immer ein bisschen blöd, wenn die Pressestelle nicht mitbekommt, wenn es Verzögerungen im Tagungsablauf gibt.
(Heiterkeit bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nach Ihrer Aussage ist das Gesetz schon beschlossen. Aber ich glaube, Sie können sich natürlich darauf verlassen, dass CDU und FDP auch diesem Gesetzentwurf im Zweifelsfall ungeprüft zustimmen werden.
(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))
Meine Damen und Herren, leider ist in dem einen Jahr seit dem Energiegipfel herzlich wenig passiert. Ich will nicht sagen, es ist gar nichts passiert. Aber gemessen an den Herausforderungen, vor denen wir stehen, ist herzlich wenig passiert. Ich finde, es gibt eine wirklich gute Nachricht – Frau Kollegin Dorn hat es angesprochen –, es gibt einen wirklichen Fortschritt in den letzten Wochen, und das ist, dass Block 6 des Kraftwerks Staudinger nicht gebaut wird. Das ist wirklich ein Fortschritt. Aber man muss sagen, damit hat die Landesregierung herzlich wenig zu tun. Sie haben bis zum Schluss an diesem Fossilienprojekt festgehalten und wollten diese Steinzeittechnologie bis zuletzt durchsetzen. Das ist eine gute Nachricht. Das ist gut für die Menschen in der Region, für die Umwelt. Ich will an der Stelle sagen: Gratulation an die Bürgerinitiative „Stopp Staudinger“, die jahrelang mit sehr viel Ausdauer und langem Atem gegen dieses Projekt gekämpft hat. Ich glaube, dass sie zu Recht feiert, dass dieses Nonsensprojekt jetzt fallen gelassen wurde.
(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte ein paar Sätze zu der Anhörung sagen, die es gab. Es gibt zwei Gesetzentwürfe, den der Landesregierung und den der SPD-Fraktion. Die Anhörung hat sich mit beiden beschäftigt. Ich will für meine Fraktion sagen, dass wir dem Gesetzentwurf der SPD zustimmen werden, weil das ein Schritt in die richtige Richtung ist. Sie wissen selbst, dass man viele weitergehende Dinge hätte hineinschreiben können. Aber das war hier der Versuch, es auf eine breite – –
(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))
– Das machen wir dann zusammen nach 2014, Herr Gremmels. – Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen, und deshalb will ich nicht weiter darauf eingehen, sondern etwas zum Gesetzentwurf der
Landesregierung bzw. der Regierungsfraktionen sagen.In der Anhörung ist mehrmals gesagt worden, dass, um die Energiewende umsetzen zu können, eine massive Förderung notwendig ist. Da reden wir natürlich über finanzielle Mittel. Ich will ein Beispiel nennen, die Quote der energetischen Sanierung. Die liegt derzeit bei 0,75 %. Die Landesregierung hat in den Gesetzentwurf hineingeschrieben, dass sie die Quote vervierfachen will auf 2 bis 3 %. Nach Schätzungen des Instituts Wohnen und Umwelt würde das jährlich 450 Millionen € kosten. Ich stelle die Frage: Wer zahlt das? Wer übernimmt diese Kosten, und ist die Landesregierung bereit, sich irgendwie daran zu beteiligen? Ich denke, es ist schön, diese Zahl in den Gesetzentwurf hineinzuschreiben. Es ist ein ambitioniertes Ziel im Gegensatz zu den anderen Zielen, die sie hineingeschrieben hat. Aber es bleibt eine schöne Formulierung, wenn das nicht finanziell unterfüttert wird.
Zweitens möchte ich kritisieren, dass es überhaupt keine Etappenziele gibt. Da steht drin, dass man bis 2050 möglichst 100 % erneuerbare Energien haben will. Aber es gibt überhaupt keine Etappenziele, die irgendwie verbindlich und überprüfbar wären. Wo stehen wir 2020? Wo stehen wir 2030? Wo stehen wir 2040? Wie wollen wir 2020 wissen, ob wir auf einem guten Weg sind, wenn es überhaupt keine verbindlichen Etappenziele gibt? Ich sage Ihnen: 2050 wird von dieser Landesregierung niemand mehr zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn dann die 100 % nicht erreicht worden sind. Deshalb ist das ein großes Problem und zeigt, wie unverbindlich das ist.
Der dritte Punkt ist, dass der Verkehr völlig außen vor gelassen wird, auch beim Energiegipfel. In Hessen hat der Verkehr einen fast hälftigen Anteil am Energieverbrauch. Auch wenn man den Frankfurter Flughafen herauslässt, ist es immer noch ein Riesenbatzen. Ich sage Ihnen, Sie werden die Energiewende nicht schaffen, wenn Sie nicht gleichzeitig bereit sind, über eine Verkehrswende zu reden und wegzukommen von der Verkehrspolitik, die Sie gegenwärtig betreiben.
(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt wird viel über die Preise geredet und dass die Energiewende unglaublich teuer würde. Insbesondere die FDP vergießt Krokodilstränen über die armen Verbraucher, die jetzt teure Preise zahlen müssen. Das schieben Sie natürlich auf die erneuerbaren Energien und auf die teure Solarenergie. Das ist ein absoluter Unfug; denn in dem Moment, in dem man über die Umlage für die erneuerbaren Energien redet, sollte man einmal über die Umlage für fossile Energien reden.
(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Timon Gremmels (SPD))
Die heißt vielleicht nicht so, aber die ist natürlich mit im Preis drin. Wer zahlt die Kosten für die Endlagerung von atomarem Abfall? Wer zahlt für die Castoren? Wer zahlt die Umweltverschmutzung, die damit zusammenhängt? Der ganz Mythos von der teuren Solarenergie ist angesichts der Milliardensubventionen, die in die Atomkraft geflossen sind, wirklich ein absoluter Unsinn. Das muss man ganz klar sagen.
Dass die Preise so hoch sind, hat vor allem damit zu tun, dass die Konzerne die Verbraucher abzocken, wo sie nur können. Es gibt Studien darüber, wie viele Milliarden Euro die Verbraucher im Jahr zu viel zahlen. Der Preistreiber sind nicht die erneuerbaren Energien, ganz im Gegenteil. Die Preistreiber sind die fossilen Energien und die vermachteten Marktstrukturen, die wir haben. Das sage nicht ich, sondern das sagt die Monopolkommission.
(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)
Sie beschwören hier immer den Wettbewerb, aber ich will feststellen: Den gibt es auf dem Energiemarkt überhaupt nicht oder nur sehr eingeschränkt. Den gibt es doch nur eingeschränkt. Wir haben es mit vermachteten Strukturen zu tun, und deshalb wird eine Energiewende nicht funktionieren, wenn man nicht über diese Marktstrukturen redet. Natürlich muss man über die Macht der großen Vier reden und den Mut haben, sich mit den großen Vier anzulegen und über eine Demokratisierung und Dezentralisierung der Energiewirtschaft zu reden. Sonst wird das alles ganz schwierig.
(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))
Der Ministerpräsident warnt davor, die Energiewende zu schnell voranzutreiben. Ich bin der Meinung: Zu schnell gibt es in dem Fall überhaupt nicht, wenn man sich anschaut, wie der Klimawandel voranschreitet. Ich finde, es ist eine besondere Leistung, vor einer zu schnellen Energiewende zu warnen, wenn man sie selbst jahrelang verschleppt hat und wenn man selbst Schlusslicht ist. Es gibt also nicht zu schnell, sondern wir müssen endlich in die Puschen kommen. Einen Punkt will ich noch nennen, der kein Geld kostet, und das ist, welches gesellschaftliche Klima erzeugt wird. Wenn der Ministerpräsident regelmäßig vor dem Wuchern und Wildwuchs erneuerbarer Energien warnt, dann klingt das doch mehr nach einem Tumor als nach einer Chance für die Zukunft. Ich glaube, man gewinnt die Menschen nicht für den Ausbau von erneuerbaren Energien, wenn man immer und immer wieder den größten Bedenkenträger gibt.
(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))
Vielmehr müssen wir die Fortschritte, die Chancen für die Zukunft betonen. Wir brauchen keinen Ministerpräsidenten, der davor warnt, die Energiewende zu schnell zu machen.
Präsident Norbert Kartmann:
Frau Kollegin, die Redezeit ist zu Ende.
Janine Wissler (DIE LINKE): Ich komme zum Schluss. – Zum Thema klug statt schnell: Ihr Gesetzentwurf ist weder klug, noch ist er schnell. Er ist einfach rückschrittlich, und er wird überhaupt nicht den Aufgaben gerecht, die wir in Hessen haben.
(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)