Fachkräftemangel

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

die FDP hat eine Aktuelle Stunde zum Thema Fachkräftemangel beantragt.

Das würde die Möglichkeit bieten mal wieder über die Lage auf dem Ausbildungsmarkt zu reden, denn wer Fachkräfte will, muss Fachkräfte ausbilden.

Aber statt die Unternehmen endlich in die Pflicht zu nehmen, damit sie ausreichend Ausbildungsplätze schaffen, wollen Sie Fachkräfte in Krisenländern wie Spanien oder Griechenland anwerben. Das nennen Sie arbeitsmarktorientierte Zuwanderung.

Meine Damen und Herren, wir solidarisieren uns mit den aktuellen Massenprotesten gegen die Kürzungspolitik in Spanien und Griechenland. Die Menschen haben das Recht sich gegen die Sparauflagen von EU, IWF und EZB zu wehren, wenn ihnen die Löhne gesenkt, die Renten gekürzt und die soziale Infrastruktur zerschlagen wird.

In Griechenland wurden mittlerweile über 2.000 Schulen geschlossen, eine wachsende Zahl von griechischen Kindern geht nicht mehr zur Schule, weil die Beförderungskosten nicht übernommen werden. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Spanien und Griechenland mittlerweile bei über 50 Prozent.

Aber diese Jugendlichen wollen doch nicht nach Deutschland, sie wollen und brauchen eine Perspektive in ihren Ländern. Der Landesregierung geht es auch nicht darum, jungen Spaniern zu helfen. Sie wollen billige Arbeitskräfte anwerben, um deren Ausbildung man sich nicht kümmern muss. Sie wollen die Krise und die Verzweiflung ausnutzen und junge Spanier als Lohndrücker missbrauchen. Das ist echt das Letzte.

Wer ständig über einen drohenden Fachkräftemangel klagt, der muss dafür sorgen, dass es Arbeitsbedingungen gibt, die eine bessere Vereinbarung ermöglichen. Ich kenne junge Frauen, die arbeiten woll, aber nicht können, weil sie keine Kinderbetreuung finden. Diesen Frauen hilft doch das Betreuungsgeld nicht, im Gegenteil. Das Geld fehlt beim Ausbau der Kitas, das Betreuungsgeld verhindert die Erwerbstätigkeit von Frauen, deshalb darf dieser Quatsch nicht beschlossen werden.

Wer Fachkräfte will, muss ausländische Berufsabschlüsse endlich anerkennen und Erwerbslose besser wiedereingliedern.

Vor allem aber muss man dafür sorgen, dass die Unternehmen mehr Fachkräfte ausbilden. Das ist ihre gesellschaftliche Verantwortung und der kommen sie nicht nach.

Da trifft es sich ganz gut, dass das Wirtschaftsministerium erst vor wenigen Tagen den Bericht zur Berufsausbildung in Hessen vorgelegt hat, der belegt, dass die Lage auf dem Ausbildungsmarkz noch lange nicht rosig ist.

Es ist bei weitem noch nicht so, dass es ein reales Überangebot an Ausbildungsplätzen gibt. Die Anzahl der unversorgten Bewerber ging in Hessen zwar zurück, aber im bundesweiten Vergleich unterdurchschnittlich (Bund - 9,3 Prozent, Hessen: - 6,1 Prozent).

Im Bericht ist nachzulesen, dass sich in Hessen „vergleichsweise viele Bewerber eine Alternative zur gewünschten Berufsausbildung suchen" mussten und dass obwohl der Anteil der öffentlich geförderten Unterstützung in Hessen besonders hoch ist.

Insgesamt befinden sich 26.000 Jugendliche im Übergangsbereich, also in berufsvorbereitenden Maßnahmen, deren Arbeitsmarktchancen vergleichsweise schlecht sind.

Zu Beginn des letzten Ausbildungsjahres waren 15,7 Prozent aller Bewerber, das sind immerhin über 6.600 Jugendliche, noch nicht vermittelt. Herr Staatssekretär, ja, das ist besser als in den Jahren zuvor, aber noch lange kein Grund für Jubelarien. Ihr eigener Bericht kommt zu dem Schluss, dass weiterhin deutlich mehr Jugendliche auf Ausbildungsplatzsuche als freie Ausbildungsstellen registriert wurden.

Den Stellenüberhang, von dem gern die Rede ist, gibt es nur in Frankfurt, sonst gibt es überall ein Defizit an Ausbildungsstellen.

Mit Abstand die meisten unbesetzten Stellen gibt es dem Bericht des Wirtschaftsministeriums nach übrigens im Einzelhandel, das hat sicher etwas mit dem zu erwartenden Gehalt zu tun, aber vielleicht sollte sich die Landesregierung auch mal fragen, ob sie mit der immer weiteren Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten auch dazu beigetragen hat, dass Berufe im Einzelhandel nicht gerade attraktiv sind.

Im Bericht ist auch nachzulesen, dass die Bedeutung des Öffentlichen Dienstes auf dem dualen Ausbildungsmarkt abnimmt. Das ist auch eine Folge der schlechten finanziellen Lage der Kommunen. Statt mit gutem Beispiel voranzugehen, fallen Ausbildungsplätze weg.

Die Unternehmen klagen zwar gerne über einen angeblichen Fachkräftemangel, tun aber nichts dagegen. In Hessen sank die Zahl der Ausbildungsbetriebe sogar. Auch die Ausbildungsquote, der Anteil der Auszubildenden an den Beschäftigten, ist gesunken. Sie liegt in Hessen bei nur 5,2 Prozent und damit weiter unter dem Durchschnitt der westdeutschen Länder. Das Wirtschaftsministerium spricht von einem „Trend abnehmender Ausbildungsbereitschaft".

Die Klein- und Kleinstbetrieben bilden nach wie vor überproportional aus, die Einführung einer Ausbildungsplatzumlage würde diesen Betrieben helfen. Es kann doch nicht sein, dass sich die DAX Unternehmen vor dieser Aufgabe drücken und die ihre Fachkräfte von anderen ausbilden lassen. Wenn die Großunternehmen schon zu wenig ausbilden, sollen sie sich wenigstens an der Finanzierung beteiligen.

Ihr Bericht zeigt auf, dass es Hauptschüler auf dem Ausbildungsmarkt schwer haben. Aber Sie verdreifachen lieber die Mittel für sogenannte Hauptschülerprogramme, um die Jugendlichen irgendwie unterzubringen, statt sich endlich der Realität zu stellen und die Hauptschule abzuschaffen.

Weiteres Thema sind natürlich die Hochschulen, die in den nächsten Jahren bei sinkenden Mitteln einem Ansturm von Studierenden ausgesetzt sind. Das geht natürlich auf Kosten der Ausbildungsqualität. Ab nächstem Jahr kommen die Doppeljahrgänge durch die Einführung von G8 an die Hochschulen, aber statt die Hochschulen zu unterstützen, will die Wissenschaftsministerin das Problem aussitzen. Da hilft es nicht in Sonntagsreden zu fordern, man brauche mehr Fachkräfte.

Bildung ist ein Menschrecht. Die Lebensperspektiven junger Menschen dürfen nicht abhängig sein von Konjunktur und Haushaltslage, denn es geht hier um das Leben junger Menschen.