Forschungsanstalt Geisenheim soll eigenständig bleiben

Rede von Janine Wissler zur Zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes und anderer Vorschriften am 26. Juni 2012


Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Ich denke, es ist vollkommen unbestritten, dass die vom Land Hessen und bis vor zwei Jahren auch vom Land Rheinland-Pfalz getragene Forschungsanstalt in Geisenheim einen wichtigen Beitrag im Wein- und Gartenbau leistet. Deshalb ist es auch sinnvoll und notwendig, eine vernünftige Struktur, ein vernünftiges Konstrukt für die Forschungsanstalt zu finden.

Sie hat bisher in enger Kooperation mit der Hochschule RheinMain zusammengearbeitet, wo der Lehrbereich integriert ist, und die dafür auch Mittel aus dem Hochschulpakt erhält.

Jetzt sollen Forschung und Lehre fusioniert werden. Auch dagegen spricht erst einmal nichts. Der Ausstieg des Landes Rheinland-Pfalz war Anlass für die vorgeschlagene Neuregelung. Die Landesregierung hat selbst gesagt: Es gibt zwei Möglichkeiten, Forschung und Lehre zu fusionieren, zum einen unter dem Dach der Hochschule RheinMain und zum anderen als eigenständige Hochschule. Jetzt soll die Forschungsanstalt mit dem Fachbereich an der Hochschule RheinMain zu einer eigenständigen Hochschule fusioniert werden.

Das ist natürlich der Kritikpunkt, Herr Seyffardt. Der Kritikpunkt ist nicht, dass Forschung und Lehre zusammengefasst werden, sondern dass es in Form einer eigenständigen Hochschule passieren muss.

In der Anhörung am 2. Mai 2012 ist einiges an Kritik deutlich geworden. Es gab auch einige Fragen, die wir schon in der ersten Lesung thematisiert hatten. So bleibt in der ganzen Diskussion die Frage offen, warum es keine institutionelle Zusammenführung von Forschung und Lehre in Geisenheim innerhalb der Hochschule RheinMain geben kann. Das ist eine offene Frage, die Sie nicht beantwortet haben. Wir fragen uns auch, warum der Bericht des Wissenschaftsrates nicht abgewartet wurde, bevor Sie diese Gesetzänderung unter diesem Zeitdruck auf den Weg bringen.

Der Präsident der Hochschule RheinMain, Prof. Reymann, hat die zentralen Kritikpunkte in der Anhörung meiner Meinung nach gut benannt.

Erstens die Kostenfrage, die bereits angesprochen wurde. Bei der Kostenabschätzung wurde zu Recht die Befürchtung geäußert, dass unvermeidliche Zusatzkosten durch die Notwendigkeit des Aufbaus einer eigenen Studierendenverwaltung auftreten würden. Wäre die Forschungsanstalt in die Hochschule RheinMain integriert worden, bestünde gar keine Notwendigkeit, völlig neue und eigenständige Verwaltungsstrukturen aufzubauen. Selbstverständlich muss das aber gemacht werden, wenn es denn eine eigene Hochschule ist.

Ich stimme Herrn Professor Dr. Reymann auch absolut zu, wenn er sagt, dass das Geld, das jetzt für den Aufbau von neuen Verwaltungsstrukturen verwendet wird, sehr viel sinnvoller eingesetzt wäre, wenn man es in die Forschungsinfrastruktur in Geisenheim gesteckt hätte.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun wird die LINKE die Landesregierung nicht an die Schuldenbremse erinnern, wie es eben der Kollege May von den GRÜNEN getan hat. Wir sind der Meinung, dass wir für den Hochschulbereich sehr viel mehr Geld brauchen und dass der Hochschulpakt vollkommen unterfinanziert ist. Aber selbstverständlich sind auch wir der Meinung, dass man das Geld sinnvoll einsetzen sollte. Das ist an dieser Stelle nicht der Fall.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein zweites Problem ist die Schwankung der Studierendenzahlen. Das knüpft direkt an das Finanzierungsproblem an; denn wir haben das Problem – auch geschaffen durch den Hochschulpakt –, dass wir eine Abhängigkeit der hessischen Hochschulen von den Studierendenzahlen haben. Das kann sich natürlich zu einem Problem entwickeln. Das heißt nämlich, dass die Hochschulfinanzierung nur dann auf sicheren Beinen steht, wenn die Studierendenzahl hoch genug ist. Einer kleinen Hochschule wie Geisenheim können schon geringe Schwankungen bei den Studierendenzahlen Schwierigkeiten bereiten.

Das dritte Problem ist der Zeitplan, auch das ist in der Anhörung angesprochen worden. Prof. Reymann hat den engen Zeitplan zur Umsetzung der Zusammenlegung kritisiert. Er hat wörtlich gesagt, er halte diesen Zeitplan „in bestimmten Punkten für nahezu abenteuerlich", die geplante Umsetzung bis zum 1. Januar 2013 sei ein Schnellschuss und bedeutet eine ganz enorme Belastung für die Beschäftigten. Herr Seyffardt hatte ja eben erwähnt, der Weg der Landesregierung sei in der Anhörung auf Begeisterung seitens der Mitarbeiter gestoßen – das habe ich in der Anhörung so nicht gehört, ich habe sehr kritische und skeptische Kommentare der Gewerkschaften gehört,

(Peter Seyffardt (CDU): Nur von Herrn Prof. Reymann!)

beispielsweise von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie von der Gewerkschaft ver.di, die Situation doch sehr kritisch analysiert haben.

Es wurden auch sehr konkrete Zweifel angeführt, ob es überhaupt möglich sein wird, bis zum 1. Januar 2013 eine funktionierende Studierendenverwaltung auf die Beine zu stellen.

(Clemens Reif (CDU): Was hat das mit Weinbau zu tun?)

– Herr Reif, wenn Sie gedacht haben, wir würden hier über Wein reden – natürlich geht es am Ende um die Hochschulstruktur. Vielleicht können Sie den Wein noch zwei Stunden warten lassen und dann ein Gläschen zu sich nehmen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt noch ein paar weitere Kritikpunkte, die ich an dieser Stelle kurz ausführen möchte, beispielsweise die Frage nach den Auswirkungen auf den Hochschulpakt. Im Moment bekommt die Hochschule RheinMain für diesen Fachbereich Mittel aus dem Hochschulpakt, da stellt sich die Frage, was damit passiert. Es stellt sich auch die Frage, ob der Hochschulpakt substanziell erhöht wird; denn die Ausfinanzierung von Geisenheim kann nicht zulasten der anderen Hochschulen gehen. Die Mittel dürfen nicht umverteilt werden, sie müssen entsprechend erhöht werden. Auch das kann eigentlich nur mit einer Neuverhandlung des Hessischen Hochschulpakts passieren.

Auch finde ich das Argument der Sichtbarkeit nicht besonders überzeugend. Ich will noch einmal erwähnen, dass die Gewerkschaften GEW und ver.di – diese Befürchtung teile ich – explizit vor einer Zersplitterung der Hochschullandschaft gewarnt haben, die es in Teilen schon gibt. Wir haben eigene gesetzliche Grundlagen für die Stiftungsuni Frankfurt und für die TU Darmstadt. Jetzt schaffen wir wieder eine eigene gesetzliche Regelung für eine Hochschule. Ich glaube nicht, dass es im Sinne der Hochschulen ist, dass man am Ende eine völlig ausdifferenzierte, zersplitterte Hochschullandschaft hat, wo jeder seine eigene gesetzliche Grundlage besitzt.

Meine Sorge ist – ich habe es hier schon einmal gesagt –, dass diese doch sehr kostenintensive Fusion ein Reinfall wird, ähnlich wie die European Business School, die sich auch in räumlicher Nähe befindet. Hier besteht aber der Unterschied, dass es, im Gegensatz zur EBS, um Geisenheim wirklich schade wäre, wenn sie nicht weiter bestünde.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe nicht den Eindruck, dass die öffentliche Anhörung Sie noch einmal zum Nachdenken verleitet hat.

(Zuruf des Abg. Peter Seyffardt (CDU))

– Ja, das ist das Problem der selektiven Wahrnehmung. Ich habe manchmal das Gefühl, sobald jemand in der Anhörung nicht die Meinung der Landesregierung äußert, halten Sie sich die Ohren zu. Ich finde es schon sehr selektiv, was Sie hier wieder offensichtlich wahrgenommen haben.

Ich finde, dass Ihr Projekt vor allem bedeutet, viel zu viel Geld in Bürokratie und Verwaltung zu stecken, Geld, das an anderer Stelle notwendiger wäre, weswegen wir nicht zustimmen können. Wir halten es für den falschen Weg.

Noch einmal: Auch wir halten es für dringend notwendig, dass die Forschungsanstalt Geisenheim weiter besteht; wir wollen sie stärken. Wir halten auch die Zusammenlegung von Forschung und Lehre für richtig. Aber wir halten den Weg einer eigenständigen Hochschule für falsch. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)