Rede zum ÖPNV-Gesetz

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

 

Herr Minister, Sie sind neu im Amt. Um meinen guten Willen zu demonstrieren, will ich Ihnen ganz ausdrücklich zugestehen, dass das Verfahren, das das Ministerium gewählt hat, allen voran der Staatssekretär, ein gutes Verfahren war. Auch wir haben es begrüßt, dass Sie die runden Tische zum ÖPNV-Gesetz eingeladen haben, dass Sie versucht haben, möglichst viele einzubeziehen, und ein kooperatives Verfahren gewählt haben. Das will ich Ihnen gerne zugestehen.

Es war ein gutes Verfahren, aber – da bin ich leider schon beim Aber – es hat sich leider nicht im Entwurf niedergeschlagen. Man muss leider sagen: Das zentrale Anliegen des Gesetzentwurfs der Landesregierung hat mit dem Gestalten einer vorwärts gerichteten Verkehrspolitik leider sehr wenig zu tun.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

 

Der Entwurf ist geprägt von Einsparungen beim ÖPNV. Als Begründung für diese rigorose Kürzungspolitik nennt die Landesregierung immer wieder die Schuldenbremse.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Wo wird was gekürzt?)

 

Ich will an der Stelle sagen: Wenn die Möglichkeiten des Landes aufgrund der Haushaltslage so gering sind, dann müsste ganz oben auf Ihrer To-do-Liste stehen, wie man die Einnahmen des Landes verbessern kann, wie man dafür sorgen kann, dass man mehr Steuereinnahmen bekommen kann. Das lehnen Sie ab. Stattdessen kürzen Sie erheblich beim ÖPNV.

Ab 2015 fehlen voraussichtlich – der Kollege Frankenberger hat es schon gesagt – 140 Millionen € jährlich beim ÖPNV. Die Verkehrsunternehmen rechnen vor, dass deshalb bis zu 15 % der ÖPNV-Leistungen im Land abgebaut werden müssen.

Das ist so viel, dass die Menschen im Land es merken werden. Der Anteil des ÖPNV am gesamten Verkehrsaufkommen wird weiter schrumpfen. Wie Sie das verhindern wollen, dazu sagen Sie leider nichts. Herr Caspar, interne Umstrukturierungen werden auch nicht ausreichen. PriceWaterhouseCooper hat darauf hingewiesen, dass die Rationalisierungspotenziale weitgehend ausgeschöpft sind.

Die Zusammenlegung von Strukturen wird die fehlenden Millionen also nicht einbringen. So viele Synergieeffekte sind überhaupt nicht möglich. Wenn Sie jetzt behaupten, dass Sie niemand zu etwas zwingen wollten und den Kommunen sei völlig freigestellt, ob sie sich zusammentun, ob sie kooperieren und so Kosten sparen wollen, dann ist das vor dem Hintergrund der angekündigten Kürzung natürlich nicht eine wahre Freiheit, die die Kommunen haben. Was Sie den Kommunen auferlegen, ist eben nicht Entscheidungsfreiheit, sondern die müssen sich mehr oder weniger ins Unvermeidliche fügen.

 

(Beifall bei der LINKEN)

Der Hessische Städtetag hat sich deshalb mit deutlichen Worten gegen den Entwurf ausgesprochen. Auch die geplante Aufwertung der Rolle des Mobilitätsbeauftragten des Landes und Ihr Vorhaben, dass Defizite der Verkehrsverbünde von den lokalen Aufgabenträgern zu schultern sein sollen, kritisiert der Städtetag zu Recht.

Herr Minister, Sie haben eben die Frage der sinkenden Fahrgastzahlen gerade im ländlichen Raum angesprochen. Ich will nur einmal darauf hinweisen, dass wir an der Stelle – so will ich es einmal nennen – einen Teufelskreis haben. In dem Moment, wo man die Infrastruktur im ländlichen Raum weiter abbaut, beispielsweise Strecken stilllegt, beschleunigt sich so etwas wie Landflucht, dann beschleunigt sich die Abwanderung.

Es ist doch vollkommen klar, dass Menschen im ländlichen Raum auf eine gute Verkehrsanbindung angewiesen sind. Wenn man Landflucht beklagt, muss man gerade eine Infrastrukturpolitik betreiben, die es den Menschen ermöglicht, dort wohnen zu bleiben, wo sie eine geeignete Schülerbeförderung usw. haben.

 

(Beifall bei der LINKEN)

Ein funktionstüchtiger und leistungsfähiger ÖPNV zahlt sich in vielerlei Hinsicht aus, weil bestimmte Rechnungen erst gar nicht anfallen. Es kann nämlich der motorisierte Individualverkehr verringert werden. Deshalb halte ich diese Sparlogik auch für fatal.

Neben den Fahrgästen – auch das muss man ansprechen – werden vor allem die Beschäftigten unter Ihrer Politik zu leiden haben. Sie leiden jetzt schon. Die stetigen Mittelkürzungen machen die Tarifsteigerungen immer schwieriger. Wir brauchen klare soziale Standards in der Ausschreibungspraxis. Die hessischen ÖPNV-Unternehmen haben heute schon Schwierigkeiten, Personal zu bekommen.

 

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Das ist nicht zu fassen!)

– Herr Müller, das ist nicht zu fassen? Dann unterhalten Sie sich doch bitte einmal mit Busfahrern beispielsweise hier in Wiesbaden.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Was Sie erzählen! – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Herr Müller regt sich über Sie auf!)

 

Unterhalten Sie sich einmal mit denen, die bei den Wiesbadener Busunternehmen zum Teil 30 % weniger als ihre Kollegen erhalten. Es gibt eine ganze Menge Busfahrer, die noch Zweitjobs am Wochenende haben, weil sie so schlecht verdienen.

(Beifall bei der LINKEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das kann der Müller nicht nachvollziehen!)

 

Wir stehen deshalb auf der Seite der Beschäftigten im ÖPNV, weil immer wieder – auch an die Adresse von Herrn Caspar – klar zu sagen ist,

(Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

 

das, was hier immer als Effizienz genannt wird, geht auch und gerade auf Kosten der Beschäftigten. Das, was die öffentliche Hand spart, zahlen am Ende die Beschäftigten durch geringere Löhne. Das ist eine Tendenz gerade im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs.

Ich komme zum Schluss. Wir haben immer gesagt, eine Energiewende geht nur mit der Verkehrswende. Deshalb ist eine dauerhafte Unterfinanzierung des ÖPNV absolut verantwortungslos. Wenn der ÖPNV unterfinanziert ist, dann führt das dazu, dass es höhere Preise und schlechtere Leistungen gibt. Beides macht den ÖPNV eben nicht attraktiv und sorgt nicht dafür, dass Menschen das Auto stehen lassen.

Was wir brauchen, ist eine Bevorzugung des ÖPNV. Er ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge; darin stimme ich Ihnen absolut zu, Herr Minister. Aber man darf den ÖPNV auch nicht auf das Abstellgleis schieben. Deshalb sind wir sehr skeptisch gegenüber Ihrem Gesetzentwurf und sind gespannt, was die Anhörung bringt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)