Gründung der Hochschule Geisenheim

Rede von Janine Wissler zur Ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregie-rung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes und anderer Vorschriften am 28. März 2012
 

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Herr Büger hat eben zu Recht auf die lange Tradition der Forschungsanstalt Geisenheim hingewiesen, die auf das Jahr 1872 zurückgeht. Die vom Land Hessen und bis vor zwei Jahren auch vom Land Rheinland-Pfalz getragene Forschungsanstalt leistet in der Tat einen ganz wichtigen Beitrag im Bereich des Wein- und Gartenbaus. In enger Kooperation arbeitete sie bisher mit der Hochschule Rhein-Main zusammen, wo auch der Lehrbereich integriert ist und die dafür Mittel aus dem Hochschulpakt erhält.

Der Ausstieg des Landes Rheinland-Pfalz aus der Finanzierung der Forschungsanstalt ist Anlass für die vorgeschlagene Neuregelung seitens der Landesregierung. Die Forschungsanstalt und der Lehrbereich sollen nun fusioniert werden.

Meine Damen und Herren, gegen die Zusammenführung der Forschungsanstalt Geisenheim und des Fachbereichs Geisenheim an der Hochschule Rhein-Main hin zu einer eigenständigen Hochschule gibt es größere Bedenken. Die sind zum Teil auch schon vorgetragen worden. Diese Bedenken wurden sowohl vom Präsidenten der Hochschule Rhein-Main als auch von Gewerkschaftsvertretern vorgetragen. Ich kann diese Bedenken auch nachvollziehen. Zu viele offene Fragen schweben im Raum. Frau Ministerin, diese Fragen lassen sich leider auch nicht durch den vorliegenden Gesetzentwurf beantworten.

Es ist und bleibt unverständlich, warum es keine Zusammenführung von Forschung und Lehre in Geisenheim innerhalb der Hochschule Rhein-Main gibt, wie das vonseiten der Kritikerinnen und Kritiker vorgeschlagen wurde. Die Voraussetzungen dafür sind geschaffen. Denn obwohl es eine institutionelle Trennung gibt, sind die Kooperationsmechanismen eng. Die Forscher an der Forschungsanstalt Geisenheim unterrichten an der Hochschule, und die Studierenden sind schon jetzt an der Forschungsanstalt tätig. Frau Ministerin, deswegen wäre das sicher die vernünftigere Lösung als das, was Sie vorschlagen.

 (Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Neben der vor zwei Jahren plötzlich weggefallenen Kofinanzierung des Landes Rheinland-Pfalz ist auch die Begrenzung von Forschungsvorhaben an Fachhochschulen problematisch, weil Fachhochschulen per Definition anwendungsorientiert sind. Ich glaube, dass wir uns an dem Punkt der Intention der Zusammenführung nähern; denn eine rechtliche Forschungsbegrenzung erschwert auch die Möglichkeit, an Drittmittel heranzukommen. Eine eigene Hochschule erscheint vor dem Hintergrund attraktiv, weil sie dann wettbewerbsfähiger ist, vor allem bei der Heranziehung von Drittmitteln.

Schon jetzt wird den Lehrenden in Geisenheim das Angebot gemacht, ihr Lehrdeputat zu reduzieren, um mehr Zeit in Forschung zu investieren. Damit sie dies auf rechtlich sicherem Boden tun können, muss jetzt schnell ein Gesetz her, um die Fusion herbeizuführen, und das – Frau Ministerin, darauf will ich hinweisen – zu recht hohen Kosten.

Es stellt sich daher schon die Frage: Wieso und vor allem wie soll bis Januar 2013 sowohl die Finanzierung gestemmt als auch eine eigene Studierendenverwaltung aufgebaut werden? Denn eine Fusion wird zusätzlich Geld kosten. Ein genauer Finanz- und Personalplan liegt zumindest uns noch nicht vor. Aus Ihrem Entwurf ist das überhaupt nicht ersichtlich.

Eine eigene Hochschule verursacht ganz klar mehr Kosten. Daher wird es nicht ausreichen, die bisherigen Budgets des Standorts Geisenheim und der Forschungsanstalt zu addieren. Frau Ministerin, deswegen stellt sich auch die Frage: Welche monetären Folgen wird das eigentlich für die Hochschule Rhein-Main haben? Wäre die Forschungsanstalt in die Hochschule Rhein-Main integriert worden, bestünde eben keine Notwendigkeit, eine neue und eigenständige Verwaltungsstruktur aufzubauen. Hier will ich Herrn Prof. Dr. Reymann, dem Präsidenten der Hochschule Rhein-Main, klar recht geben, wenn er einwendet, dass das Geld, das jetzt für den Aufbau von Verwaltungsstrukturen und mehr Bürokratie verwendet werden muss – der Kollege May hat eben schon darauf hingewiesen –, doch sehr viel besser eingesetzt wäre, wenn man es in die Forschungsinfrastruktur in Geisenheim gesteckt hätte.

 (Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) und bei Abgeordneten der SPD)

Damit nicht genug. Natürlich stellt sich insgesamt die Frage, ob im Zuge der Neugründung einer weiteren Hochschule der Hochschulpakt neu verhandelt wird. Denn die zur Verfügung stehenden Mittel des Hochschulpakts müssen sich nun substanziell eigentlich erhöhen. Die Finanzierung der Gründung einer weiteren Hochschule darf nicht zulasten der anderen Hochschulen erfolgen. Die Mittel dürfen nicht umverteilt werden. Sie müssen erhöht werden. Das kann nur passieren, indem der Hochschulpakt neu verhandelt wird.

An der Stelle will ich nur kurz hinzufügen: Frau Ministerin, wenn Sie schon neu verhandeln – dazu fordern wir Sie auf, seit dieser Hochschulpakt in Kraft ist –, dann sollten Sie diese Gelegenheit nutzen, endlich die Anforderungen des stark unterschätzten Studierendenandrangs zu berücksichtigen. Wie gesagt, das nur nebenbei. Aber wir haben es hier mit einer Unterfinanzierung der Hochschulen zu tun. Deswegen ist Geisenheim ein zusätzlicher Grund, den Hochschulpakt neu zu verhandeln. Die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen muss beseitigt werden. Frau Ministerin, deshalb fordern wir Sie auch heute wieder auf: Verhandeln Sie den Hochschulpakt neu.

 (Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich habe noch eine lange Liste offener Fragen. Beispielsweise interessieren mich auch die prognostizierten Studierendenzahlen. Bei einer großen Hochschule machen die Schwankungen bei den Studierendenzahlen weniger Probleme, bei einer kleinen Hochschule wie dieser aber schon. Deswegen würde mich schon interessieren, mit welchen Zahlen Sie rechnen. Mich würde interessieren, warum Sie das Gesetz jetzt vor der geplanten Evaluation des Wissenschaftsrates verabschieden wollen.

 (Gernot Grumbach (SPD): Das machen sie doch immer!)

– Das machen sie immer. Genau. Das ist das Problem. Das ist nur, um den Schein zu wahren, damit man nicht völlig beratungsresistent erscheint. Aber wenn man sowohl den Wissenschaftsrat als auch Anhörungen regelmäßig ignoriert und sein eigenes Ding durchzieht, wie man es vorher geplant hat, dann braucht man auch andere Einrichtungen nicht mit Ausarbeitungen zu belasten, wenn die für die Praxis sowieso keine Bedeutung haben.

Ich habe eine lange Liste von offenen Fragen. Ich finde, das Vorgehen der Landesregierung erinnert ein bisschen an die EBS. Auch da wurden Millionen für ein undurchdachtes und realitätsfernes Konzept verschwendet. Auch hier wird einfach etwas übers Knie gebrochen, bei dem die Bedenken groß sind, aber die Einsichtsbereitschaft einmal wieder erschreckend klein.

Ich kann nur sehr hoffen, Herr Staatssekretär

 (Staatssekretär Dr. Rudolf Kriszeleit nickt.)

– nein, ich meine den anderen Staatssekretär –, dass dieses Vorhaben nicht ebenso ein Reinfall wird wie bei der EBS. Denn im Gegensatz zur EBS ist die Forschungsanstalt Geisenheim eine sinnvolle Einrichtung, die erhalten werden muss. Aber ich bezweifle sehr stark, dass Ihr Gesetzentwurf das dauerhaft garantieren wird.

Deswegen bin ich sehr gespannt auf die Anhörung. Frau Ministerin, ich kann nur hoffen, dass Sie diese Anhörung, die wir im Ausschuss durchführen werden, ernster nehmen als Sie die Regierungsanhörung genommen haben und dass Sie doch noch einmal darüber nachdenken, ob das wirklich der richtige Weg ist, nämlich mehr Geld in Bürokratie, in Verwaltung zu stecken, das an einer anderen Stelle wieder fehlt. – Vielen Dank.

(Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)