Benzinpreise sind dreiste Abzocke

Rede von Janine Wissler zum Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend den Wettbewerb stärken: faire und transparente Treibstoffpreise gewährleisten am 29. März 2012 (unkorr. Manuskript)

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

was derzeit an den Tankstellen passiert, kann man nur als dreiste Abzocke bezeichnen. Die Menschen ärgern sich völlig zurecht über steigende Benzinpreise und die schamlose Bereicherung der Mineralölwirtschaft. Allein BP hat im Jahr 2011 unvorstellbare 7,6 Milliarden US-Dollar Gewinn gemacht. Der Benzinpreis für Super hingegen hat mittlerweile die Marke von 1,70 Euro überschritten und wenn die Preissteigerungen so weitergehen ist die Forderung der Grünen von 5 DM pro Liter aus dem Jahr 1998 bald erfüllt. Die Leidtragenden sind vor allem die vielen Pendler, die auf das Auto angewiesen sind, und die anderswo sparen müssen, um die höheren Preise zu bezahlen und die Öl-Multis noch reicher zu machen.

Der Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes erklärt dazu, man habe zwar Verständnis für den Ärger der Kunden über schwankende Preise, aber Wettbewerb und schwankende Preise seien untrennbar miteinander verbunden.

Nur haben die Preissteigerungen rein gar nichts mit Wettbewerb zu tun, sondern viel mehr mit dem  Kalender. Vermutlich werden wir in den nächsten Tagen den nächsten Anstieg erleben und das hat nichts mit den Rohölmärkten und dem Wettbewerb zu tun, sondern einzig und allein damit, dass Osterferienbeginn ist und dann besonders viele Menschen weite Strecken mit dem Auto zurücklegen.

Auch außerhalb der Ferienzeit verläuft die Preisentwicklung nach einem festen Schema. Der durchschnittliche Kraftstoffpreis liegt an Freitagen wundersamer Weise immer höher als an Montagen. Fast die Hälfte der Preiserhöhungsrunden beginnt von Montag bis Donnerstag um exakt 18 Uhr.  Sie werden von Aral oder Shell initiiert und exakt drei Stunden nach dem einer der beiden die Preise erhöht hat, folgt das jeweils andere Unternehmen. Das ist nach Angaben des Kartellamtes in 90 Prozent der Fälle so. Und fünf Stunden später folgen dann die anderen.

Das Kartellamt kann den Konzernen keine Preisabsprachen nachweisen, aber die sind auch gar nicht nötig, die Unternehmen müssen ja einfach nur die Anzeigetafeln der anderen im Blick behalten und vor Feiertagen und zum Ferienbeginn sind die Erhöhungen eingespielte Praxis und bedürfen gar keiner Absprache mehr.

Es gibt keinen Wettbewerb auf dem Mineralölmarkt. Das sieht auch das Bundeskartellamt so, dessen Arbeitskreis Kartellrecht  diesem Thema im letzten Jahr eine ganze Tagung gewidmet hat.

Der Markt wird von einem Oligopol beherrscht, das aus fünf Konzernen besteht: Aral (BP), Shell, Esso, Total und Jet. Sie beherrschen etwa 80 Prozent des Kraftstoffabsatzes und haben Einfluss auf etwa zwei Drittel aller Tankstellen. Und die Konzerne sind auch untereinander verflochten, beliefern sich gegenseitig, betreiben gemeinsame Raffinerien und Pipelines.

Auch die freien Tankstellen sind nicht frei, sie verfügen über keine eigenen Raffineriekapazitäten und erhalten ihr Benzin von den großen Konzernen. Immer wieder gibt es Beschwerden, dass die freien Tankstellen mehr für das Benzin zahlen müssen als deren eigene Tankstellen.

Laut ADAC bezahlen Autofahrer heute im Vergleich zu 1996 doppelt so viel für den Liter Benzin.

Und die Bundestagsfraktion der Grünen hat jetzt eine Studie vorgelegt, wonach die Autofahrer in Deutschland rund 100 Millionen Euro mehr für Benzin im Monat ausgeben, als nötig wäre. Der größte Teil des Preisanstiegs im letzten halben Jahr lässt sich demnach nicht durch höhere Rohölpreise erklären, sondern seien reine Gewinnmitnahmen, mit denen sich die Konzerne auf Kosten der Tankkunden bereicherten.

Auch das Bundeskartellamt kommt zu einem solchen Befund, die Preiserhöhungsmuster im Wochenverlauf würden sich auf einen entsprechenden Anstieg der Marge niederschlagen, es sei daher auszuschließen, dass sie durch einen entsprechenden Anstieg der Beschaffungskosten gerechtfertigt werden könnten. Mittlerweile gibt es Berichte darüber, dass Aral seinen Tankstellenpächtern Provisionen zahlt, wenn sie Benzin besonders teuer anbieten.

Hier will ich nur anmerken, dass auch die Rohölpreise keine reinen Produktionspreise sind, sondern auch Folge einer Spekulationsblase, weil viele Investoren in den letzten Jahren der Finanzmarktkrise auf die Rohstoffmärkte ausgewichen sind. Diese Spekulationsblasen erklärt, warum der Rohölpreis trotz sinkender Nachfrage in Folge der Wirtschaftskrise weiter gestiegen ist.

Es gibt zwar auch Preissenkungen, aber die durchschnittliche Höhe einer Preiserhöhung ist ungefähr dreimal so hoch, wie die einer Preissenkung. Während Preiserhöhungen direkt und oft am gleichen Tag noch an den Kunden weitergegeben werden, was es so in dieser Form in fast keiner anderen Branche gibt, kommen Kostensenkungen kaum beim Endkunden an. (Raketen-und-Federn-Syndrom)

Die Frage stellt sich also in der Tat, was getan werden kann, um dieser Abzocke Einhalt zu gebieten.

Es ist ja schon mal bemerkenswert, dass auch die FDP sieht, dass man das nicht dem Markt überlassen darf, sondern ein staatliches Eigreifen fordert.

Aktuell werden im Bundesrat verschiedene Modelle diskutiert, u.a. das österreichische Modell, das vorsieht, dass Tankstellenbetreiber ihre Preise nur einmal täglich zu einer festgelegten Uhrzeit erhöhen dürfen.

Der Wirtschaftsminister schlägt jetzt vor, das australische, genauer gesagt das west-australische Modell, für Deutschland zu übernehmen.

Das australische Modell sieht vor, dass die Tankstellenbetreiber verpflichtet sind dem Handelsministerium am Vortag einen Benzinpreis zu nennen, den sie den gesamten Folgetag dann nicht mehr verändern dürfen. Die Idee dahinter ist, dass die Mineralölunternehmen nicht mehr unmittelbar auf Preisveränderungen reagieren können, weil kein Tankstellenbetreiber weiß, welche Preise die anderen angeben und dann tendenziell einen niedrigeren Preis angeben, aus Angst, dass sie einen ganzen Tag lang auf ihrem überbeteuerten Benzin sitzen bleiben. Denn anders als in Österreich sind nach dem australischen Modell auch keine Preissenkungen mehr während des Tages möglich. Der Initiator einer Preiserhöhung soll das Risiko für eine Absatzeinbuße tragen.

Soweit die Theorie. In der Praxis sieht es anders aus. Man muss sich ja mal fragen, warum das Modell nicht bereits von anderen übernommen wurde und nicht mal Australien das Modell landesweit eingeführt hat, wenn es denn so gut funktioniert. Tatsächlich ist der Preis in Westaustralien höher als anderswo, dort verbuchen die Ölgesellschaften die größten Gewinnspannen.  Auch das Bundeskartellamt, das das Modell selbst ins Spiel gebracht hat, räumt ein, dass es keinerlei eindeutige wissenschaftliche Untersuchungen zu einem Rückgang des Preisniveaus gibt. Auch für Österreich ist dies nicht nachweisbar.

Die Befürchtung ist, dass sich die Preiszyklen allenfalls verlangsamen, nicht aber abschwächen lassen. Andere warnen sogar vor Preiserhöhungen durch das Modell.

Neben Österreich und Australien gibt es noch ein drittes Modell, nämlich Luxemburg. Anders als in Österreich und Australien gibt es dort eine Preiskontrolle. Dort ist eine begrenzte Gewinnmarge festgeschrieben, aus der die Tankstellen ihre Kosten und den Gewinn bestreiten müssen. So sind die Kosten weitgehend einheitlich und bleiben stabil.

Staatliche Regulierung ist nötig, sie darf aber nicht erst bei den Tankstellen, also beim Verkauf des Benzins ansetzen, sondern müsste schon viel früher ansetzen. Denn die großen Konzerne kontrollieren jeden Bereich der Wertschöpfungskette von der Förderung, über den Transport und die Verarbeitung in der Raffinerie. Bis das Benzin überhaupt an der Tankstelle ankommt, haben die Öl-Multis bereits hohe Gewinne eingestrichen. Deshalb stellt sich hier, ähnlich wie in der Energiewirtschaft, die Frage nach den Markt- und Eigentumsstrukturen.

Als erster Schritt müssten die Gewinnmargen beschränkt werden und Preiserhöhungen genehmigungspflichtig werden. Dann ließe sich sehr viel weniger Geld mit Benzin verdienen und das wäre auch gut. Denn die Ölvorräte sind endlich und auch aus Klimaschutzgründen können wir uns einen derartigen Benzinverbrauch nicht mehr lange leisten. Dafür dürfen aber nicht die Pendler zahlen, sondern die Konzerne müssen die Endlichkeit des Öls zu spüren bekommen, durch die Endlichkeit ihrer Gewinne.

Für die Verbraucher ist entscheidend, dass es eine attraktive Alternative zum Auto gibt, nämlich einen gut ausgebauten, eng getakteten und vor allem bezahlbaren öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Viele Familien mit Kindern wären froh, wenn sie sich eine stressige Autofahrt mit quengeligen Kindern ersparen könnten, schrecken aber vor den viel zu hohen Bahnpreisen zurück. Es war ein großer Fehler von Rot-Grün aus der sogenannten Ökosteuer in die Senkung der Lohnnebenkosten zu finanzieren und so wieder einmal die Arbeitgeber zu entlasten, durch diese Einnahmen hätte der Ausbau des  ÖPNV finanziert werden können.