Beruhigungspillen der Landesregierung helfen nicht
Rede von Janine Wissler zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Volker Bouffier betreffend "Gemeinsam für die Region - Allianz für Lärmschutz" am 6. März 2012
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
Herr Ministerpräsident, eins vorneweg, dass Sie sich gezwungen sehen, heute eine Regierungserklärung zum Thema Lärmschutz abzugeben, ist einzig und allein den massenhaften Protesten zu verdanken, den vielen tausend Menschen, die Woche für Woche im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens demonstrieren. Ihnen geht die Düse, weil Sie merken, wie breit der Protest ist, und wie groß der Druck wird. Sie sagen, die Belastung der Menschen ließe Sie nicht kalt, aber ich sage Ihnen, ohne die Proteste würde von Ihrer Seite gar nichts kommen.
Aber statt endlich einzuräumen, dass der Bau der neuen Landebahn ein Riesenfehler war, und endlich die richtigen Konsequenzen zu ziehen, wollen Sie lediglich weiter Beruhigungspillen verteilen.
Lärmschutzpaket
Sie wollen sich hier alles Ernstes dafür loben, dass Sie Teile des Mediationsergebnisses umsetzen. Denn was Sie auf dem Fluglärmgipfel verabredet haben, sind zum Teil längst versprochene Maßnahmen, die einfach nicht umgesetzt wurden. Darüber hinaus ist Ihr Paket ziemlich nutzlos.
Wer Fluglärm bekämpfen will, muss an der Lärmquelle ansetzen. Sie aber wollen den Lärm nur verlagern und die einzelnen Gemeinden gegeneinander ausspielen.
Ihre Vorstellungen laufen darauf hinaus, dass die südlichen Stadtteile von Frankfurt und Offenbach noch stärker belastet werden, damit andere entlastet werden. Das ist keine Lösung. Und was ist mit den Gebieten im Endanflug? Fraport will das sogenannte Casa-Programm um 70 Millionen Euro ausweiten. Die betroffenen Anwohner in den besonders belasteten Gebieten sollen Geld erhalten, wenn Sie Ihre Häuser und Wohnungen aufgeben. Sie rühmen sich damit, dass Fraport diese Umzugskostenbeihilfe von 500 auf 1.000 Wohneigentümer aufstockt.
Ich nenne das Vertreibungsprämie, nichts anderes ist das. Und dann tun Sie noch so, als sei es ein „faires Angebot", dass die Menschen wählen können, ob sie ihr Haus dämmen oder verlassen wollen. Was ist denn das für eine Wahl? Das Zuhause verlassen oder darin eingepfercht sein, weil es draußen zu laut ist. Wir sagen: der Lärm muss weichen, nicht die Menschen.
Denn passiver Schallschutz wird das Problem nicht lösen. Wer will schon leben wie im Käfig, kein Fenster mehr öffnen und sich nicht mehr im Freien aufhalten? Noch haben wir Winter, aber was ist, wenn es warm wird und die Menschen ihre Balkone, Terrassen und Gärten nicht mehr nutzen können? Sie nannten gefühlte 58mal die 335 Mio. Euro, die angeblichfür den Schallschutz zusätzlich bereitgestellt werden sollen.
Aber davon sind 150 Mio. Euro lediglich zinsgünstige Darlehen der landeseigenen WI-Bank, die von den Betroffenen zurückgezahlt werden müssen, wie großzügig. 100 Millionen Euro kommen vom Land und dann sollen auch noch die Umlandkommunen an der Finanzierung beteiligt werden. Fraport aber, die den Lärm immerhin verursacht, soll gerade mal 15-20 Millionen Euro zum Schallschutz beisteuern.
Also Fraport streicht die Gewinne ein und die öffentliche Hand springt für die Schäden ein. Und dann loben Sie Lufthansa und Fraport noch dafür, dass sie sich obwohl es keine Rechtsverpflichtung gab, an den Gesprächen beteiligt haben. Sie haben wörtlich gesagt, dass Sie der Lufthansa dankbar seien, dass sie Heimatverbundenheit zeige. Die haben sich beteiligt, weil es für sie eine billige und annehmbare Lösung war, weil den Großteil ohnehin die öffentliche Hand zahlt.
Auch Fraport ist ein profitables Unternehmen, im aktuellen Geschäftsbericht ist nachzulesen, dass das Konzernergebnis 2010 sämtliche zuvor erzielten Werte überstieg. Trotzdem soll Fraport nur lächerliche 15 Million zum Lärmschutz beisteuern, bei einem Jahresgewinn von über 270 Millionen Euro.
Das Land Hessen und die Stadt Frankfurt verfügen zusammen über mehr als 50 Prozent der Aktien, das müsste doch im Sinne der Einwohner des Rhein-Main-Gebietes genutzt werden und nicht ausschließlich zu dem Zweck, rücksichtslos die Interessen eines Einzelunternehmens durchzusetzen und die Schäden auch noch aus Steuermitteln zu beheben.
Entweder die Fraport wird wie ein profitorientiertes Privatunternehmen behandelt – dann muss sie nach dem Verursacherprinzip auch für den Schaden aufkommen, der aufgrund ihres Geschäftsbetriebs entsteht. Oder sie wird wie ein öffentliches Unternehmen behandelt – dann müssen in die Geschäftspolitik auch Faktoren wie das Gemeinwohl einfließen, und eine Strategie der maximalen Rendite und des unbegrenzten Wachstums verbietet sich. So aber betreiben Sie einmal mehr eine Politik, die Gewinne privatisiert und Verluste auf den Steuerzahler umlegt.
Ihre Regierungserklärung ist überschrieben mit den Worten „Gemeinsam für die Region – Allianz für mehr Lärmschutz". Das Gegenteil ist der Fall: In Ihrer Allianz haben sich die größten Krachmacher zusammengefunden, gemeinsam gegen die Region wäre passender. Und es ist bezeichnend, dass die betroffenen Kommunen und die Bürgerinitiativen wieder einmal nicht mit einbezogen wurden.
Wenn Sie behaupten, die Landesregierung kümmere sich seit Jahren mit größtem Einsatz um den Lärmschutz, dann hat das geradezu Büttenredencharakter, denn Sie sind verantwortlich für die Verlärmung ganzer Landstriche. Während Sie davon reden, die Bürgerinnen und Bürger entlasten zu wollen, klagt Ihre Landesregierung vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen das Nachtflugverbot. Herr Ministerpräsident, wenn Sie noch ernst genommen werden wollen, dann ziehen Sie die Revision zurück. Dass Sie den Tag der Eröffnung der neuen Landebahn als „guten Tag" für Hessen bezeichnen, zeigt Ihre Ignoranz gegenüber den Sorgen der Menschen.
Die Lärmbelastung ist an vielen Orten so enorm, dass Schüler mit schallisolierten Kopfhörern unterrichtet werden. Die Menschen haben Angst um ihre Gesundheit. Denn Lärm macht krank. Untersuchungen belegen, dass gerade frühkindliche Belastungen zu diversen langfristigen Schädigungen führen, zu denen auch vermindertes Wachstum, Herzkreislaufbeschwerden und letztlich eine kürzere Lebenszeit gehören. Und das Ende der Kapazitätsausweitung ist noch nicht erreicht, auch das darf man nicht vergessen. Trotzdem reden Sie von einem „guten Tag" für Hessen, das ist einfach nur zynisch.
Ihr „beispielloses Lärmschutzpaket" ist in Wahrheit eine Mogelpackung und viel Lärm um fast Nichts. Sie nennen dieses Lärmschutzpaket einmalig, das mag sein. In jedem Fall ist es ein einmaliger Unfug einen derartigen Riesenflughafen mitten in Wohngebiete wachsen zu lassen.
Ziel des Ausbaus war die Kapazitätserweiterung, also mehr Lärm. Solange Ihre Regierung nicht bereit ist, über eine Ausweitung des Nachtflugverbots und über eine Reduzierung der Flugbewegungen zu reden, solange bleiben alle Gipfel Schall und Rauch.
Ausbau war ein Fehler
DIE LINKE hat den Ausbau des Flughafens immer abgelehnt – sowohl im Landtag als auch in Frankfurt. Die Geschichte des Flughafenausbaus ist eine Geschichte von Lügen. Nach der Startbahn West hieß es, kein Baum werde mehr fallen. Versprochen – gebrochen.
Dann hieß es, es gebe keinen Ausbau ohne Nachtflugverbot. Roland Koch sprach vom „nicht verhandelbaren" „Nachtflugverbot ohne Interpretationsspielräume" und heraus kamen 17 Nachtflüge. Und jetzt geht die Landesregierung in Revision gegen ihr eigenes Versprechen und klagt gegen das Nachtflugverbot. Das war ein klares Versprechen an die Menschen in der Region, Sie haben es gebrochen.
Und wenn Sie dann sagen, Sie hätten die Mediation zur Grundlage Ihres Handelns gemacht, dann ist das einfach unaufrichtig. Die Mediation war für Sie Chloroform, um die Menschen zu betäuben und ruhig zu stellen. Man stellt aber keine Akzeptanz her, wenn man die Menschen an der Nase herumführt.
An die Adresse der SPD will ich sagen: Sie haben den Ausbau immer mitgetragen, deshalb sind Ihre Krokodilstränen wenig glaubwürdig. Wer einen Flughafen ausbaut, tut das, damit es mehr Flugbewegungen gibt. Mehr Flugbewegungen machen mehr Lärm. So einfach ist das, da kann man sich nicht hinterher hinstellen und sich wundern, dass es so laut ist. Und beim Nachtflugverbot sind Sie sich auch nicht einig. Herr Feldmann fordert in Frankfurt ein Nachtflugverbot von 22-6 Uhr, Sie widersprechen und gönnen den Menschen nur sechs Stunden Schlaf. Ihre Glaubwürdigkeit in dieser Frage reicht also nicht mal von Wiesbaden bis nach Frankfurt. Die Parteien, die den Flughafenausbau befürworten haben, haben dies mit falschen Versprechungen getan.
Die betroffenen Menschen fühlen sich verraten und verkauft. Im Fall von Roland Koch sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn er hat gegen alle Widerstände den Bau der neuen Landebahn durchgesetzt und verdient sein Geld jetzt bei Bilfinger Berger, die 80 Millionen Euro dafür bekamen, dass sie die neue Landebahn gebaut haben. Und sein ehemaliger Regierungssprecher macht jetzt Öffentlichkeitsarbeit für Fraport. Das passt, kann man da nur sagen. Mit Tricksen und Täuschen kennt er sich ja aus. Koch und Co kassieren und die Menschen haben den Lärm.
Ja zu FRA
Herr Ministerpräsident, dass Sie die inszenierte Kundgebung auf dem Römerberg auch noch eine „beeindruckende Demonstration" nennen, das schlägt dem Fass den Boden aus. Da wird eine aufwendige PR-Kampagne mit einer höchst fragwürdigen PR-Agentur gestartet, Mitarbeiter werden kostenlos und während der Arbeitszeit, teils mit Bussen auf den Römerberg gekarrt und mit vorgefertigten Schildchen ausgestattet.
Teure Anzeigen werden geschaltet, es gibt Freibier, alles, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Putin lässt grüßen, sag ich da nur. Glauben Sie nicht, dass ein Unternehmen, das sich immerhin mehrheitlich in öffentlicher Hand befindet, die Millionen für die Kampagne nicht sinnvoller hätte ausgegeben können? Schon das Motto „Ja zu FRA" ist völliger Quatsch. Es sagt keiner Nein zu FRA, sondern ausschließlich zur neuen Landebahn. Fraport stellt das ganz bewusst falsch dar, schürt Ängste und spannt die Mitarbeiter vor ihren Karren.
Ja, der Römer war voll, aber er war auch einen Tag später voll, und zwar mit Demonstranten, die das in ihrer Freizeit tun und ihre Bahntickets selber bezahlen.
Mehr Arbeitsplätze?
Herr Ministerpräsident, eines hätte mich wirklich interessiert: Wo bitte haben sie die 100.000 neuen Arbeitsplätze versteckt, die durch die neue Landebahn entstehen sollten? Wir haben sie bisher vergeblich gesucht. Dazu haben Sie leider nichts gesagt.
Denn das Hauptargument für den Ausbau des Flughafens waren die angeblich zu erwartenden Arbeitsplätze. Laut Fraport sollten 100.000 Arbeitsplätze entstehen durch den Ausbau, 50.000 direkt am Flughafen, weitere 50.000 im Umfeld. Auf diese Prognosen stützte sich die Landesregierung. Leider verpflichten diese Prognosen zu nichts und wenn wir uns die Zahlen mal genauer anschauen, zeigt sich, was das für Fantasiezahlen sind.
Die Gutachter der Fraport berechneten die Arbeitsplatzprognosen auf der Grundlage der Passagierzahlen. Sie unterstellten also eine Korrelation zwischen Zuwachs an Passagieren und Beschäftigten. Die Zahl der Direktbeschäftigten sollte pro Zuwachs von einer Million Flugpassagieren um jeweils 1.450 zunehmen.
Die Berechnungsmethode ist aber durch die Wirklichkeit widerlegt worden. Laut Geschäftsbericht der Fraport von 2010 sind die Passagierzahlen von 2009 auf 2010 um über 2 Millionen gestiegen, auch der Gewinn ist um ein Drittel gestiegen. Demgegenüber steht ein Beschäftigungsaufbau von nicht einmal 40 zusätzlichen Stellen. Auch an anderer Stelle sind keine zusätzlichen Arbeitsplätze in einem solchen Ausmaß entstanden, wie es prognostiziert wurde.
Statt massenhafter Neueinstellungen sucht man bei Fraport eher nach Einsparpotentialen beim Personal. Die Mehrzahl der "neuen" Arbeitsplätze sind Minijobs, Teilzeit und zu derart geringen Löhnen, dass viele einen zweiten Job brauchen. Einstellungen erfolgen immer öfter bei Billiglohntöchtern, die bis zu 30 % weniger zahlen. Hilft diese Art neuer Arbeitsplätze der Region und den hier lebenden Menschen?
Und zu den so genannten katalytischen Effekten, die angeblich 50.000 Arbeitsplätze bringen sollen, weil Unternehmen sich wegen des ausgebauten Flughafens ansiedeln sollen. Das Gutachten des „Rheinisch-Westfälischen-Institut für Wirtschaftsforschung" aus der Mediation kommt zu dem Urteil: „Eine Hypothese, dass der Arbeitsmarkt in Relation zur Größe eines Flughafens positiv beeinflusst wird, lässt sich nicht bestätigen. Ein Einfluss einer Flughafeninfrastruktur auf den Arbeitsmarkt ist statistisch nicht nachweisbar."
Eine Recherche von Report Mainz hat den Mythos Jobmotor auch empirisch entzaubert. Von den 17 Firmen, die Fraport als Beispiele für neue Ansiedelungen benannt hat, konnte keines bestätigen, dass tatsächlich neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Die meisten der als "neu" gezählten Arbeitsplätze sind nur dorthin verlagert worden. Speditionen, die früher im Umland angesiedelt waren, sind einfach nur umgezogen. Der Flughafen wirkt wie ein Staubsauger, der Arbeitsplätze aus der Region abzieht.
Die angekündigten Arbeitsplätze waren leere Versprechen, mit denen der Widerstand gegen den Ausbau gekauft werden soll. Das Arbeitsplatzversprechen diente ausschließlich der Rechtfertigung des Ausbaus. Die von Fraport propagierte Jobmaschine entpuppt sich bei näherer Betrachtung als nicht haltbar.
Es gibt keine Notwendigkeit für den Ausbau
Die Fraport behauptet, der Ausbau sei "notwendig". Von Not kann keine Rede sein. Deutschland hat die größte Flughafendichte Europas: 18 internationale Flughäfen sind regional günstig über die ganze Republik verteilt, mit reichlich Kapazitätsreserven.
Wegen der Bewohner der Rhein-Main-Region wird der Flughafen nicht ausgebaut. Nur etwa ein Viertel der Benutzer wohnt auch hier, aber mehr als die Hälfte der Passagiere steigen in Frankfurt um. Das ist für Fraport ein gutes Geschäft auf Kosten der Menschen in der Region.
Wenn man Flüge bis zu 500 km auf die Schiene verlegen würde, könnte jeder zehnte Flug gestrichen werden. Dadurch würden sehr viel mehr Arbeitsplätze geschaffen.
Was nötig wäre
Statt Beruhigungspillen zu verteilen, wären echte Schritte zur Lärmreduzierung nötig. Deshalb muss an der Lärmquelle angesetzt werden.
Die Zahl der Flugbewegungen muss auf 380.000 reduziert werden. Der Lärm ist nicht das einzige Problem, es geht auch um Schadstoffe.
In den Verbrennungsrückständen der Triebwerke wurden bereits mehr als 200 Schadstoffe identifiziert, darunter einige klar krebserregende. Vor dem Ausbau musste das Rhein-Main-Gebiet eine Schadstoffbelastung aus rund 450 Millionen Litern Kerosin jährlich verkraften, die bei den Starts und Landungen verbrennen. Bei voller Nutzung der Kapazität durch den Ausbau verdoppelt sich die Zahl der Flugbewegungen und somit der Schadstoffausstoß.
Und es geht um Klimaschutz. Angesichts des drohenden Klimawandels ist der immer weitere Anstieg des Luftverkehrs nicht zu verantworten. Fliegen ist die klimaschädlichste Art der Fortbewegung. Der CO2-Ausstoß pro Passagier auf der Strecke München-Hamburg beträgt bei der Bahn 36kg, bei einem Mittelklassewagen 77 kg und beim Flugzeug sage und schreibe 170 kg.
Es ist höchste Zeit, den Luftverkehr mit den tatsächlichen Umweltkosten zu belasten und ihn reduzieren. Es gibt keine wirksame Klimapolitik ohne eine Verminderung des Flugverkehrs. Jede ernst gemeinte Energiewende muss an der Verkehrspolitik ansetzen.
Gesamtbelastungsstudie muss her
DIE LINKE fordert schon seit Jahren eine Gesamtbelastungsstudie für das Rhein-Main-Gebiet, in der das Zusammenspiel und die gegenseitige Verstärkung der Belastungsfaktoren herausgearbeitet werden. Das Rhein-Main-Gebiet ist eine wirtschaftliche starke Region, aber was nutzt dies, wenn die Masse der Bevölkerung dafür mit Gesundheitsschäden, hoher Schadstoffbelastung und niedriger Lebensqualität bezahlt?
Wir brauchen ein Nachtflugverbot, das den Namen verdient. Weltweit gilt die Zeit von 22.00 bis 6.00 als Nacht. Für Rhein-Main ist die Nachtruhe auf Drängen der Fraport auf 23.00 bis 05.00 Uhr verkürzt worden. Acht Stunden Schlaf braucht der Mensch, das ist das Mindeste, in der Zeit von 22 bis 6 Uhr brauchen wir ein absolutes Nachtflugverbot.
Landebahn stilllegen
Die Lebensqualität und Gesundheit der Menschen sind wichtiger als die Profite von Lufthansa und Fraport, deshalb muss die neue Landebahn stillgelegt werden. Da sagen Sie, das sei unrealistisch. Ich sage Ihnen, was unrealistisch ist. Unrealistisch ist die Alternative, nämlich die Umsiedelung 10.000er Menschen samt Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern. Das müsste nämlich passieren.
Es kann nicht sein, dass die, die es sich leisten können wegziehen und die anderen einer derartigen Gesundheitsgefährdung ausgesetzt sind. Politische Fehlentscheidungen müssen rückgängig gemacht werden. Es ist feige, wenn sich Politiker, die den Ausbau durchgesetzt haben, jetzt hinter Gerichten verstecken. Juristisch ist es möglich, die Landebahn stillzulegen.
Es gibt einen entsprechenden Passus im Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetz, danach können Verwaltungsakte wiederrufen werden, wenn „das öffentliche Interesse gefährdet würde" und „um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen".
Wenn selbst der Wirtschaftsminister als Chef der Planfeststellungsbehörde überrascht ist über die Ausmaße der Verlärmung, dann mag man das zwar naiv finden, aber es ist zeigt, dass hier eine absolute Fehlentscheidung getroffen wurde. Der ganze Planfeststellungsbeschluss muss auf den Prüfstand. Die Zunahme der Flugbewegungen und die daraus resultierende Verdichtung im Luftraum erhöhen das Risiko von Abstürzen. Über das Vogelschlagrisiko ist in den Medien ausführlich berichtet worden.
Und wenn es stimmt, dass das toxikologische Gutachten Rechenfehler und Fantasiezahlen enthält, dann ist auch hier ein Ansatzpunkt. Wenn das zutreffen sollte und der Planfeststellungsbeschluss auf Grundlage falscher Daten erfolgt ist, dann hat sich auch die Frage von Entschädigungsansprüchen erledigt. Letztlich ist es keine juristische Frage, sondern eine Frage des gesellschaftlichen Drucks. Andere Beispiele aus der Geschichte zeigen, dass auch teure Fehlentscheidungen rückgängig gemacht werden können.
Bei der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf wurden fast 10 Milliarden DM verbuddelt, dennoch ist sie nie in Betrieb gegangen, weil die Widerstände zu stark waren. Die Landebahn muss stillgelegt werden. Wir bedauern, dass keine andere Fraktion in diesem Haus unserem Antrag zugestimmt hat.
Widerstand und Protest
Meine Damen und Herren, der Widerstand gegen den Ausbau des Rhein-Main-Flughafens geht seit vielen Jahren quer durch alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen. Er wird getragen von einer wachsenden Zahl örtlicher Bürgerinitiativen. DIE LINKE steht solidarisch an der Seite der Bürgerinitiativen und unterstützt die Proteste. Wir fühlen uns den Menschen verbunden, die sich seit Jahren und Jahrzehnten zur Wehr setzen gegen den Flughafenausbau, für eine lebenswerte Umwelt und den Erhalt der Lebensqualität.
Wir waren vor Ort bei den BI's und beim Widerstandscamp im Kelsterbacher Wald, weil Menschen wichtiger sind als Profite – die Region gehört den Menschen und nicht Fraport und Lufthansa. Deshalb begrüßen wir, dass morgen eine Demonstration gegen Fluglärm vor dem Landtag stattfinden wird, zu der die Stadt Flörsheim aufruft.
Herr Ministerpräsident, vielleicht sollten Sie dort Ihr Lärmschutzpaket vorstellen, dann werden Sie sehen, was die Betroffenen von Ihren Vorschlägen halten. Ich prophezeie Ihnen, dass die Betroffenen diese Beruhigungspille nicht schlucken werden, denn die Menschen wollen keine Wegzugprämien, sondern ihre Lebensqualität zurück. Deshalb ist es richtig, dass die Region keine Ruhe gibt bis endlich wieder Ruhe ist.