Rede zum Verbot von Wohnraumzweckentfremdung

Herr/Frau Präsident/in, meine Damen und Herren,

bezahlbarer Wohnraum ist insbesondere im Rhein-Main-Gebiet ein knappes Gut. In Frankfurt, Wiesbaden, Darmstadt und anderswo mangelt es an Wohnungen, die sich junge Familien, Studierende, Rentnerinnen und Rentner und die wachsende Zahl der Geringverdiener leisten können. Das ist die Einschätzung aller Einrichtungen und Experten, die sich mit dem Thema beschäftigen, von der IHK über die Wohlfahrtsverbände bis zum Frankfurter Planungsdezernat. Und natürlich wissen das auch die Immobilienbesitzer und die Mieterschutzvereine.

Dieser Mangel schlägt sich insbesondere in Frankfurt in zu hohen Mieten nieder. Am höchsten sind die Mieten pro Quadratmeter übrigens bei Wohnungen bis 30 Quadratmeter, also vor allem bei Singlehaushalten, und die machen über 40 Prozent aller Haushalte in Frankfurt aus. In so kleinen Wohnungen leben vor allem Rentnerinnen, Studierende und Alleinerziehende. Mit anderen Worten werden die, die ohnehin wenig haben, bei der Miete noch besonders zur Kasse gebeten. Und wir wissen, dass die Miete heutzutage nur die halbe Miete ist, denn die Nebenkosten, vor allem für Energie, steigen unablässig und machen für viele Haushalte die so genannte zweite Miete aus.

Der Wohnraummangel macht sich auch anhand des geringen Wohnraums pro Kopf bemerkbar. Hessenweit sind 42,8 Quadratmeter das Mittel. In Frankfurt sind es nur 36,4 Quadratmeter. In den Städten des Rhein-Main-Gebiet leben die Menschen unter recht beengten Verhältnissen, zumal die Zahlen ja auch nur Durchschnitte darstellen.

Das Problem sieht auch die IHK Frankfurt Rhein-Main

Gleichzeitig laufen die Sozialbindungen vieler Wohnungen aus. Jahr für Jahr fallen in Hessen mehr Wohnungen aus der Bindung als neue mietpreisgebundene zur Verfügung gestellt werden. Und durch die unerträgliche Verlärmung der Region durch den Frankfurter Flughafen werden zusätzlich tausende Häuser und Wohnungen unattraktiv, viele unbewohnbar.

Die Industrie- und Handelskammer Rhein-Main sah schon vor einigen Jahren die Region vor einer „großräumigen Umschichtung und Neusortierung der Bevölkerung". Die „Gefahr der Ghettoisierung", schrieb die IHK 2008, werde „deutlich zunehmen", weil Bezieher mittlerer und unterer Einkommen in die Randgebiete abgedrängt werden, wo sie die Mieten noch bezahlen können.

Ein Verbot der Wohnraumzweckentfremdung galt 35 Jahre lang

Nun ist Wohnraumknappheit in Deutschland kein neues Problem. Wohnungsbaupolitik war deshalb jahrzehntelang ein zentrales staatliches Handlungsfeld.

Es gab mal eine Zeit, als sogar die FDP noch verstand, dass man nicht alles dem Markt überlassen darf, weil das im Falle der Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu krassen Notlagen und Obdachlosigkeit führen kann. In den 50er und 60er Jahren wurden milliardenschwere Programme für den Wohnungsbau, auch und gerade für den sozialen Wohnungsbau, aufgelegt. Unsere Innenstädte zeugen bis heute davon, aber auch der Bestand öffentlicher Wohnungsbaugesellschaften stammt zu einem guten Teil aus dieser Zeit.

1972 war es eine Bundesregierung aus SPD und FDP, die ein umfangreiches Gesetzespaket zur Verbesserung des Mietrechts verabschiedete. Teil davon war die Möglichkeit für die Bundesländer, Regelungen zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum zu treffen. Damals herrschte die Einsicht vor, dass Menschen erst mal Wohnraum brauchen, bevor sie in Geschäfte, Büros und Werkstätten gehen können. Diese Regelung blieb 35 Jahre in Kraft und bewährte sich.

Mit der Föderalismusreform II ist die Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich auf die Länder übergegangen. Hessen hinkt hier hinterher. Die CDU hat kein Gesetz zur Wohnraumförderung vorgelegt. Ein Verbot der Wohnraumzweckentfremdung halten Sie bislang für überflüssig, weil nach Ihrer Lesart der Statistiken ausreichend Wohnraum vorhanden ist. Aber nach Ihrer Lesart gibt es auch sonst nirgendwo Probleme in Hessen.

Bayern macht's vor

Als wir den Gesetzentwurf in dieser Woche vorgestellt haben, hat Herr Milde für die CDU eine Pressemitteilung herausgegeben, in der er uns vorgeworfen hat, Vorschläge aus der „sozialistischen Asservatenkammer" vorzulegen.

Herr Milde, unsere sozialistische Asservatenkammer ist der bayerische Landtag. In diesem Fall trifft der Vorwurf des Sozialismus und der Verfassungsfeindlichkeit Ihre Kollegen aus der CSU.

Bayern hat 2007 unter einer CSU-Alleinregierung ein eigenes Gesetz verabschiedet, das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum. Der zuständige Staatssekretär, Herr Heike, erklärte dazu: „Bayern will mit diesem neuen Landesgesetz zur Regelung der Zweckentfremdung von Wohnraum ein weitere durch die Föderalismusreform gewonnene Kompetenz für die Wohnungspolitik nutzen, um insbesondere auf die Mangelsituationen bei der Wohnraumversorgung in Ballungsräumen flexibel reagieren zu können."

Der Gesetzentwurf, den wir heute in den Landtag einbringen, orientiert sich im Wesentlichen an dem bayerischen Gesetz zur Wohnraumzweckentfremdung und an der Wohnraumerhaltungssatzung der Stadt München. Denn Bayern ist mit Hessen in mancher Hinsicht gut vergleichbar. Auch dort gibt es regional sehr unterschiedliche Problemlagen, aber auch Ballungsräume, wo akuter Wohnungsmangel besteht.

Um noch einmal den Staatssekretär aus dem bayerischen Innenministerium zu zitieren:

Mit diesem Gesetz können die Kommunen „[o]hne weitere rechtliche Verpflichtung... bei Wohnungsmangel nach eigenen wohnungspolitischen Vorstellungen tätig werden und dabei die Bedürfnisse und regionalen Unterschiede der Wohnungsmärkte... berücksichtigen. Ob nun im Gemeindegebiet ein Wohnraummangel besteht und was man dagegen tun kann, können nach unserer Meinung die Verantwortlichen vor Ort am besten beurteilen."

Ich frage mich, was der Herr Staatssekretär Heike aus dem CSU-geführten bayerischen Innenministerium mit der Presseerklärung von Herrn Lenders anfangen würde, der die Regelungen dieses Gesetzes als „verfassungswidrig" bezeichnete.

Und ich möchte auch daran erinnern, dass diese Regelungen gegen Wohnraumzweckentfremdung ab 1972 immerhin 35 Jahre lang geltendes Bundesrecht war.

War diese Regelung nun eigentlich verfassungswidrig oder sozialistisch?

Wir brauchen endlich eine aktive Wohnungsbaupolitik

Wohnen ist ein Menschenrecht, das in der UN-Menschenrechtscharta eigens definiert wird. Aber insbesondere in Frankfurt ist bezahlbarer Wohnraum Mangelware, das können Sie einfach nicht wegreden. Es gibt zwar geschätzte 2 Millionen Quadratmeter leer stehende Büroflächen, aber zu wenige bezahlbare Wohnungen.

Ein Verbot der Wohnraumzweckentfremdung wird dieses Problem allein nicht lösen. Aber es schützt den Wohnraumbestand dadurch, dass Leerstand zu Spekulationszwecken unterbunden wird.

Denn wir wollen den Gemeinden Interventionsmöglichkeiten auch für den Fall einräumen, dass Wohnungen länger als drei Monate leer stehen.

Um die Belastung der Menschen durch lange Wege und hohe Mieten nachhaltig anzugehen, brauchen wir allerdings eine breite Palette an Maßnahmen nicht nur zum Erhalt, sondern auch zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Das ist eine Kernaufgabe öffentlicher Daseinsvorsorge, und Zuschüsse an Mieter in Form von Wohngeld stellen langfristig nichts anderes dar als staatliche Transferleistungen an die Immobilienbesitzer.

Was wir brauchen sind niedrigere Mieten. Solange die Nachfrage aber viel höher bleibt als das Angebot, werden die Preise der Ware Wohnraum hoch bleiben. Eine effektive öffentliche Wohnungspolitik braucht weit mehr als das Verbot der Wohnraumzweckentfremdung. Wir warten weiterhin gespannt auf Ihre Vorschläge in dieser Hinsicht.

Aber das Verbot der Wohnraumzweckentfremdung ist ein Element, ein Baustein für eine aktive Wohnungspolitik, und zwar ein Element, das sich in der Bundesrepublik 35 Jahre lang bewährt hat und in anderen westdeutschen Bundesländern bis heute praktiziert wird. Außerdem ist es haushaltsneutral umzusetzen.

Ich bitte Sie deshalb um Unterstützung für unseren Gesetzentwurf. Vielen Dank.