Zur Aufhebung meiner Immunität

025kleinDer Landtag hat mit den Stimmen von CDU und FDP die Immunität der beiden Fraktionsvorsitzenden der LINKEN aufgehoben, weil sie 2010 gemeinsam mit 10.000 anderen Menschen einen Nazi-Aufmarsch in Dresden friedlich blockiert haben.

Was ich im Landtag gesagt hätte, wenn man es mir nicht verboten hätte

 

  
  
  
  
 

Persönliche Erklärung zur Aufhebung meiner Immunität

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Ja, ich war am 13. Februar 2010 in Dresden, um gemeinsam mit über 10.000 anderen Menschen einen der größten Naziaufmärsche Europas zu blockieren. Nicht nur Willi van Ooyen und ich waren dort, sondern die gesamte LINKE Fraktion im Hessischen Landtag. Die Blockade, die von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis getragen wurde, war erfolgreich. Die Neonazis konnten nicht marschieren.

Die Dresdner Staatsanwaltschaft will wegen dieser erfolgreichen Blockade, an der sich auch prominente Vertreterinnen und Vertreter anderer Parteien beteiligt haben, ausschließlich gegen die Vorsitzenden der LINKEN Fraktionen aus den Landtagen von Sachsen, Thüringen und Hessen vorgehen und hat die Aufhebung unserer Immunität beantragt, weil wir die Rädelsführer der Anti-Nazi-Blockade gewesen seien. Deshalb hat sie beantragt, unsere Immunität als Landtagsabgeordnete aufzuheben.

Wir sind zur Vernehmung ins LKA Sachsen vorgeladen worden, Absender war die Abteilung „Politisch motivierte Kriminalität links - Verratsdelikte und Kriegsverbrechen". Absurder geht es kaum noch. Friedlicher Widerstand gegen neofaschistische Umtriebe ist keine Kriminalität, sondern ist Auftrag aller Demokraten.

Erst vor wenigen Wochen ist eine von Neonazis verübte Mordserie bekannt geworden. Und diese Morde sind keine Einzelfälle. Seit 1990 sind mindestens 182 Menschen durch rechte Gewalt ums Leben gekommen.

Neonazi-Strukturen bekämpft man meiner Überzeugung nach nicht mit Geheimdiensten, diese erweisen sich als Teil des Problems, nicht der Lösung. Neonazis können nur durch gesellschaftliche Mobilisierung und zivilgesellschaftliches Engagement nachhaltig bekämpft werden. Deshalb ist es so wichtig, sich Nazis überall entgegenzustellen, wo sie aufmarschieren und wo sie agieren.

Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte in seiner Rede im Deutschen Bundestag anlässlich des 67. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz vor wenigen Tagen: „Da sind Menschen, die den Rechtsextremen, die durch ihre Städte marschieren wollen, immer wieder entgegentreten und zeigen: Wir dulden eure Diffamierungen, euren Hass nicht, schon gar nicht eure Gewalt. Es sind Menschen, die Zivilcourage beweisen, die nicht wegsehen, Diskriminierungen nicht unwidersprochen stehen lassen. Es sind Menschen, die ein Beispiel geben und die Mut machen. Dieses Engagement werden wir brauchen und diesen Mut auch."

Wir halten die strafrechtliche Verfolgung und die Kriminalisierung breiter Anti-Nazi-Proteste für ein fatales Signal ins In- und Ausland und an alle Menschen, die Opfer von rechter Gewalt wurden. Die Neonazis dürfen marschieren, die breite Gegenmobilisierung wird durch das rechtswidrige Sammeln von Telefondaten, Hausdurchsuchungen und fragwürdige Ermittlungsverfahren eingeschüchtert. Eine mordende Nazi-Bande zieht ein Jahrzehnt lang ungehindert von den Sicherheitsbehörden durch die Republik, während linke Antifaschisten angeklagt werden sollen.

Die CDU-Fraktion hat uns vorgeworfen, die Justiz zu behindern, weil wir uns gegen die Immunitätsaufhebung wehren. Aber das Gegenteil ist der Fall: Die Justiz behindert uns beim notwendigen Kampf gegen Rechts.

Unhaltbar ist auch der Vorwurf der CDU, wir würden eine Vorzugsbehandlung gegenüber anderen Bürgerinnen und Bürgern einfordern. Das ist grundfalsch. Über 10.000 Menschen haben in Dresden demonstriert, darunter auch viele Mitglieder und Abgeordnete von SPD und Grünen, aber ausschließlich vier LINKE Fraktionsvorsitzende sollen angeklagt werden. Wir sollen nicht trotz sondern wegen unserer parlamentarischen Funktion angeklagt werden. Genau davor soll die Immunität aber schützen, nämlich vor der willkürlichen Verfolgung von politischen Aktivitäten.

Ich sage - auch an die Adresse der Dresdner Staatsanwaltschaft: Wir werden auch dieses Jahr wieder nach Dresden fahren, als gesamte Fraktion und uns an der diesjährigen Blockade gegen die Nazis beteiligen, ob mit oder ohne Immunität. Ich hoffe, dass sich in diesem Jahr noch viel mehr Menschen den Neonazis in den Weg stellen, und rufe dazu auf, Nazi-Aufmärsche, ob in Dresden oder anderswo, entschlossen und massenhaft zu blockieren. Kein Fußbreit dem Faschismus.

 

1. Februar 2012

Janine Wissler